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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Bundes nichts Anderes als die preußische Hegemonie bekämpfen. Der Dua¬
lismus innerhalb unserer Partei wird, wenn es auf diesem Wege weiter
geht, zu einer Komödie der Irrungen führen, wie sie kaum jemals dagewesen.
Wenn es nicht mehr die Verpflichtung auf die Bundesverfassung ist, an welcher
sich die Glieder unserer Partei erkennen, so ist die Auflösung oder mindestens
die Spaltung derselben unterschrieben, giebt es keine Partei der Mitte mehr
und nehmen die alten schroffen Gegensätze wieder ihr Spiel auf -- freilich mit
dem Unterschiede gegen früher, daß die Verfassung, welche aus dem Volks¬
willen hervorgegangen ist, dieses Mal die Konservativen zu ihren Hauptvertretern
hätte. Wenn ein Theil der Nationalliberalen mit den Gegnern dieser Ver¬
fassung gemeinsame Sache zu machen im Stande ist, während sich ein anderer
Theil mit dieser Verfassung identificirt, so kann von einer Gemeinschaft nicht
mehr die Rede sein und der deutsche Liberalismus ist an der elementarsten der
Aufgaben, welche das Jahr 1866 ihm gebracht hat, zu Schanden geworden
d. h. er hat es nicht einmal fertig zu bringen vermocht, die gesinnungs-
verwandtcn Parteien der einzelnen, jetzt in ein Ganzes zusammengeschmolzenen
deutschen Länder zu assimiliren und die Nationallibcralen in Preußen, Hannover,
Sachsen u. s. w. sind wieder Leute, die mit einander eigentlich nichts zu schaffen
haben und durchaus verschiedene Wege gehen. Welcher Sinn ist z. B. dem neulich
in Dresden gefaßten Beschluß der Ausschußglieder der nationalliberalen Partei
in Sachsen unter den gegenwärtigen Umständen noch zuzuschreiben? Die Erklärung
des Anschlusses an das Programm der nationalliberalen Neichstagspartei ist
an und für sich höchst löblich und anerkennenswerth -- die bloße Thatsache,
daß eine sächsische Partei ihren Schwerpunkt außerhalb der grün-weißen Grenzen
sucht, bezeichnet einen Erfolg, dem wohl auch die Waldeck und Schulze ihre
Anerkennung nicht versagen werden. Wo sind nun aber die echten Repräsen¬
tanten der Richtung zu finden, welcher die sächsischen nationalen sich anschließen
wollen oder angeschlossen haben? Das ursprüngliche Parteiprogramm ist in
Berlin factisch verlassen worden -- wollten die Sachsen sich mit der Politik des
berliner Ausschusses identificiren, so hätten sie nicht erst nöthig gehabt, mit der
dem norddeutschen Bunde feindlichen Schaar der heimischen radicalen Demokratie
zu brechen, die durch den Mund der Sächsischen Zeitung redet. Solchenfalls
wäre es aber um die Gemeinschaft mit den Benningsen und Braun für immer
geschehen.

Es wäre in der That die höchste Zeit, daß der deutsche Liberalismus die
Schamröthe ablegte, die ihn jedesmal überzieht, wenn er aus der Negation in
die Position übergehen, nicht blos für Principien, sondern für thatsächlich gege¬
bene Verhältnisse einstehen soll. So lange wir in der Opposition unsre wahre
Heimath sehen, haben wir es uns nur selbst zuzuschreiben, wenn die Gegner
das Gleiche thun und uns alle Regierungsfähigreit absprechen. Versäumt


Bundes nichts Anderes als die preußische Hegemonie bekämpfen. Der Dua¬
lismus innerhalb unserer Partei wird, wenn es auf diesem Wege weiter
geht, zu einer Komödie der Irrungen führen, wie sie kaum jemals dagewesen.
Wenn es nicht mehr die Verpflichtung auf die Bundesverfassung ist, an welcher
sich die Glieder unserer Partei erkennen, so ist die Auflösung oder mindestens
die Spaltung derselben unterschrieben, giebt es keine Partei der Mitte mehr
und nehmen die alten schroffen Gegensätze wieder ihr Spiel auf — freilich mit
dem Unterschiede gegen früher, daß die Verfassung, welche aus dem Volks¬
willen hervorgegangen ist, dieses Mal die Konservativen zu ihren Hauptvertretern
hätte. Wenn ein Theil der Nationalliberalen mit den Gegnern dieser Ver¬
fassung gemeinsame Sache zu machen im Stande ist, während sich ein anderer
Theil mit dieser Verfassung identificirt, so kann von einer Gemeinschaft nicht
mehr die Rede sein und der deutsche Liberalismus ist an der elementarsten der
Aufgaben, welche das Jahr 1866 ihm gebracht hat, zu Schanden geworden
d. h. er hat es nicht einmal fertig zu bringen vermocht, die gesinnungs-
verwandtcn Parteien der einzelnen, jetzt in ein Ganzes zusammengeschmolzenen
deutschen Länder zu assimiliren und die Nationallibcralen in Preußen, Hannover,
Sachsen u. s. w. sind wieder Leute, die mit einander eigentlich nichts zu schaffen
haben und durchaus verschiedene Wege gehen. Welcher Sinn ist z. B. dem neulich
in Dresden gefaßten Beschluß der Ausschußglieder der nationalliberalen Partei
in Sachsen unter den gegenwärtigen Umständen noch zuzuschreiben? Die Erklärung
des Anschlusses an das Programm der nationalliberalen Neichstagspartei ist
an und für sich höchst löblich und anerkennenswerth — die bloße Thatsache,
daß eine sächsische Partei ihren Schwerpunkt außerhalb der grün-weißen Grenzen
sucht, bezeichnet einen Erfolg, dem wohl auch die Waldeck und Schulze ihre
Anerkennung nicht versagen werden. Wo sind nun aber die echten Repräsen¬
tanten der Richtung zu finden, welcher die sächsischen nationalen sich anschließen
wollen oder angeschlossen haben? Das ursprüngliche Parteiprogramm ist in
Berlin factisch verlassen worden — wollten die Sachsen sich mit der Politik des
berliner Ausschusses identificiren, so hätten sie nicht erst nöthig gehabt, mit der
dem norddeutschen Bunde feindlichen Schaar der heimischen radicalen Demokratie
zu brechen, die durch den Mund der Sächsischen Zeitung redet. Solchenfalls
wäre es aber um die Gemeinschaft mit den Benningsen und Braun für immer
geschehen.

Es wäre in der That die höchste Zeit, daß der deutsche Liberalismus die
Schamröthe ablegte, die ihn jedesmal überzieht, wenn er aus der Negation in
die Position übergehen, nicht blos für Principien, sondern für thatsächlich gege¬
bene Verhältnisse einstehen soll. So lange wir in der Opposition unsre wahre
Heimath sehen, haben wir es uns nur selbst zuzuschreiben, wenn die Gegner
das Gleiche thun und uns alle Regierungsfähigreit absprechen. Versäumt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/125>, abgerufen am 15.01.2025.