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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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nahm in seinen letzten Lebensjahren die Erinnerung an denselben wieder auf,
als der Beschluß gefaßt war, eine Nationalgallerie, wie sie die allgemeine
Stimme zu fordern schien, in Berlin zu errichten. An die Stelle jenes Uni-
versitätsgebäudes und jener Aula trat nun ein gleichfalls mit der Längsaxe
des neuen Museums parallel laufendes oblonges Gebäude von annähernd
griechischer Tempelform, auf mächtigem Unterbau errichtet, 130 Fuß von der
nach Osten gekehrten Hauptfront des ersteren entfernt, den Giebel und Haupt-
eingang der Colonnade zugewendet, mit seiner Ostseite fast unmittelbar über
dem dort vvrbeifließenden Spreearm aufragend. Nach Norden an der Hinter¬
seite des Oolongs tritt eine halbkreisförmige Apsis heraus. Das Ganze glie¬
dert sich in der Höhenrichtung in drei Etagen über dem Kellergeschoß. Eine
Treppe in der ganzen Breite der Südfront führt zu ihr hinan und durch zwei
Eingänge zu beiden Seiten der Wandmitte tritt man von hier aus in die mäch¬
tigen mittleren Säle des zweiten Stockwerks, deren Höhe auch noch durch das dritte
hindurchsteigt, vom durchbrochenen Dach her ihr Oberlicht empfangend, während
kleinere, die untern von der Seite her, die oberen durch Oberlicht beleuchtete
Räume sie rings, in beiden Etagen über einander umschließen. Es war Slüter
nicht vergönnt, diesen mit Liebe ausgearbeiteten Plan zu verwirklichen. Er
starb im März 186S, ehe der Befehl zum Beginn des Baues gegeben war
und hinterließ dies Project seinen Nachfolgern als eine ihre freie Erfindungs¬
kraft ziemlich einengende geistige Erbschaft. Der Umstand, daß mancherlei
in demselben als überarbeitete architektonische Ideen Friedrich Wilhelm des
Vierten angesehen werden konnte, kam hinzu, um an entscheidender Stelle die
Pietät und sorgliche Schonung für den stülerschen Entwurf als unabweisliche
Pflicht für die zur Ausführung berufenen Meister hinstellen zu lassen. Man
wird sich diesen wichtigen Umstand vergegenwärtigen müssen, um das Verdienst
Stracks ganz zu würdigen, der mit der künstlerischen Durchführung des Werks
beiraut.worden ist, während das rein Technische, Verwaltungsmäßige, Finanzielle
des Unternehmens höchst verständigerweise von ihm genommen und einer Com¬
mission hoher Bau- und Ministcrialbeamten zugewiesen wurde, eine Theilung
der Arbeit, welche für deren Gelingen nur segensreich sein kann. Mit der
Feinheit des Sinnes, des Geschmacks und Urtheils, welche Strack auszeichnet,
hat er es auch hier verstanden, durch leichte discrete Abweichungen von Slüters
Entwurf, die dessen Eigenthümlichst, Gesammtcharakter, Raumdispositionen
kaum irgendwo bemerklichen Eintrag thun, ihm doch ebenso viele höchst we¬
sentliche Verbesserungen zuzubringen. Die bemerkenswerthesten davon bestehen
in der Einschränkung jener großen Treppe, wodurch Platz für einen durch eine
Mittelthür zu betretenden, die ganze Breite des Gebäudes einnehmenden Vor-
saal gewonnen wurde, von dem sich dann erst die beiden seitlichen Eingänge
in den innern Raum öffnen; ferner in der Beschränkung der allzu groß genou-


nahm in seinen letzten Lebensjahren die Erinnerung an denselben wieder auf,
als der Beschluß gefaßt war, eine Nationalgallerie, wie sie die allgemeine
Stimme zu fordern schien, in Berlin zu errichten. An die Stelle jenes Uni-
versitätsgebäudes und jener Aula trat nun ein gleichfalls mit der Längsaxe
des neuen Museums parallel laufendes oblonges Gebäude von annähernd
griechischer Tempelform, auf mächtigem Unterbau errichtet, 130 Fuß von der
nach Osten gekehrten Hauptfront des ersteren entfernt, den Giebel und Haupt-
eingang der Colonnade zugewendet, mit seiner Ostseite fast unmittelbar über
dem dort vvrbeifließenden Spreearm aufragend. Nach Norden an der Hinter¬
seite des Oolongs tritt eine halbkreisförmige Apsis heraus. Das Ganze glie¬
dert sich in der Höhenrichtung in drei Etagen über dem Kellergeschoß. Eine
Treppe in der ganzen Breite der Südfront führt zu ihr hinan und durch zwei
Eingänge zu beiden Seiten der Wandmitte tritt man von hier aus in die mäch¬
tigen mittleren Säle des zweiten Stockwerks, deren Höhe auch noch durch das dritte
hindurchsteigt, vom durchbrochenen Dach her ihr Oberlicht empfangend, während
kleinere, die untern von der Seite her, die oberen durch Oberlicht beleuchtete
Räume sie rings, in beiden Etagen über einander umschließen. Es war Slüter
nicht vergönnt, diesen mit Liebe ausgearbeiteten Plan zu verwirklichen. Er
starb im März 186S, ehe der Befehl zum Beginn des Baues gegeben war
und hinterließ dies Project seinen Nachfolgern als eine ihre freie Erfindungs¬
kraft ziemlich einengende geistige Erbschaft. Der Umstand, daß mancherlei
in demselben als überarbeitete architektonische Ideen Friedrich Wilhelm des
Vierten angesehen werden konnte, kam hinzu, um an entscheidender Stelle die
Pietät und sorgliche Schonung für den stülerschen Entwurf als unabweisliche
Pflicht für die zur Ausführung berufenen Meister hinstellen zu lassen. Man
wird sich diesen wichtigen Umstand vergegenwärtigen müssen, um das Verdienst
Stracks ganz zu würdigen, der mit der künstlerischen Durchführung des Werks
beiraut.worden ist, während das rein Technische, Verwaltungsmäßige, Finanzielle
des Unternehmens höchst verständigerweise von ihm genommen und einer Com¬
mission hoher Bau- und Ministcrialbeamten zugewiesen wurde, eine Theilung
der Arbeit, welche für deren Gelingen nur segensreich sein kann. Mit der
Feinheit des Sinnes, des Geschmacks und Urtheils, welche Strack auszeichnet,
hat er es auch hier verstanden, durch leichte discrete Abweichungen von Slüters
Entwurf, die dessen Eigenthümlichst, Gesammtcharakter, Raumdispositionen
kaum irgendwo bemerklichen Eintrag thun, ihm doch ebenso viele höchst we¬
sentliche Verbesserungen zuzubringen. Die bemerkenswerthesten davon bestehen
in der Einschränkung jener großen Treppe, wodurch Platz für einen durch eine
Mittelthür zu betretenden, die ganze Breite des Gebäudes einnehmenden Vor-
saal gewonnen wurde, von dem sich dann erst die beiden seitlichen Eingänge
in den innern Raum öffnen; ferner in der Beschränkung der allzu groß genou-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/111>, abgerufen am 15.01.2025.