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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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so hatte immer die Partei oder der Beamte nachgegeben und dann gings mit
einigem Schwanken ganz gut.

Da ereignete es sich, daß der Stammhalter einer alten Familie, die ihren
Sitz auf der Bank irgendeiner Ritterschaft im heiligen römischen Reich behauptet
hatte, zum Amtmann in Reicheleheim, dieser einst nassauischen Enclave im Groß-
herzogthum Hessen, ernannt wurde, dadurch zugleich die Fuiictioncn des Land¬
oberschultheiß erhielt und auch Recepturbeamter sein mußte. Die drei Aemter
drückten schwer.

Der neue Beamte sann darüber nach, wie er seine Lasten trage und nicht
Verwirrung in die verschiedenen Angelegenheiten seiner drei Beamtungen bringe.
Wie er es fertig brachte im Laufe der Zeit und sich wohnlich einrichtete in dem
einzigen Staatsgebäude seines Bezirkes, das hätte nicht leicht ein Anderer aus-
denken mögen, obwohl die Idee der deutschen Trias schon lange erfunden ist.

Zuerst ging er daran, seine Dreifaltigkeit äußerlich zu kennzeichnen und die
Locale der dreifachen Thätigkeit gehörig zu trennen. In dem Amthause be¬
fanden sich bald nachher an drei Thüren des Erdgeschosses drei Blechtafeln mit
großen Inschriften: "Herzogliches Amt", "Herzogliche Landoberschultheißerei
"Herzogliche Rcceptur", gewissenhaft wurden die Bureaustunden vertheilt und der
Herr Amtmann arbeitete so viel Stunden in dem Zimmer des Amtes, um so¬
dann als Beamter der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf dem Bureau der Land¬
oberschultheißerei zu sitzen und schließlich als Rentmeister Kassenbuch und Kassen¬
schlüssel zu handhaben.

Hätten die nassauischen Beamten Uniformen tragen müssen, wie alle gro߬
herzoglich hessischen, die verschieden sind für jedes Departement und jeden Grad
in dieser Hierarchie, so hätte der Herrscher von Reichelsheim noch zweimal des
Tages seine Gewandung wechseln müssen -- denn in Hessen z. B. ist sogar der
Stoff so genau vorgeschrieben, daß der Oberstaatsprocurator als Vorgesetzter
der Notare diesen in einem Rescripte die Heiligkeit der Dienstkleidung einschärfte
und gleichzeitig zwei Muster von Sommerhosenstoffen nebst Adresse der Lieferanten
beilegte --. In diesem Fall brauchte er blos durch eine Thür zu gehen, um die
Metamorphose zu vollenden.

Der herzoglich nassauische Amtmann ist der Vertreter der Staatshoheit, im
Range steht er also über allen Beamten des Bezirks, soweit aber seine specielle"
Functionen nicht reichen, ist ihm der Rentmeister, der Medicinalrath. der Ober¬
förster, der Baumeister coordiuirt. Der Beamte der freiwilligen Gerichtsbarkeit
steht unter dem ordentlichen Richter seines Bezirks, wird von diesem controlirt.
ist ihm subordinire. Das darf man nicht vergessen und selbst der arme Beamte,
der sich selbst subordinire und coordinirt war, konnte das nicht.

Der Vorgesetzte rescribirt an den Untergebenen, jedes Schriftstück des
Amtmanns an den Verwalter der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ein Rescrip-


so hatte immer die Partei oder der Beamte nachgegeben und dann gings mit
einigem Schwanken ganz gut.

Da ereignete es sich, daß der Stammhalter einer alten Familie, die ihren
Sitz auf der Bank irgendeiner Ritterschaft im heiligen römischen Reich behauptet
hatte, zum Amtmann in Reicheleheim, dieser einst nassauischen Enclave im Groß-
herzogthum Hessen, ernannt wurde, dadurch zugleich die Fuiictioncn des Land¬
oberschultheiß erhielt und auch Recepturbeamter sein mußte. Die drei Aemter
drückten schwer.

Der neue Beamte sann darüber nach, wie er seine Lasten trage und nicht
Verwirrung in die verschiedenen Angelegenheiten seiner drei Beamtungen bringe.
Wie er es fertig brachte im Laufe der Zeit und sich wohnlich einrichtete in dem
einzigen Staatsgebäude seines Bezirkes, das hätte nicht leicht ein Anderer aus-
denken mögen, obwohl die Idee der deutschen Trias schon lange erfunden ist.

Zuerst ging er daran, seine Dreifaltigkeit äußerlich zu kennzeichnen und die
Locale der dreifachen Thätigkeit gehörig zu trennen. In dem Amthause be¬
fanden sich bald nachher an drei Thüren des Erdgeschosses drei Blechtafeln mit
großen Inschriften: „Herzogliches Amt", „Herzogliche Landoberschultheißerei
„Herzogliche Rcceptur", gewissenhaft wurden die Bureaustunden vertheilt und der
Herr Amtmann arbeitete so viel Stunden in dem Zimmer des Amtes, um so¬
dann als Beamter der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf dem Bureau der Land¬
oberschultheißerei zu sitzen und schließlich als Rentmeister Kassenbuch und Kassen¬
schlüssel zu handhaben.

Hätten die nassauischen Beamten Uniformen tragen müssen, wie alle gro߬
herzoglich hessischen, die verschieden sind für jedes Departement und jeden Grad
in dieser Hierarchie, so hätte der Herrscher von Reichelsheim noch zweimal des
Tages seine Gewandung wechseln müssen — denn in Hessen z. B. ist sogar der
Stoff so genau vorgeschrieben, daß der Oberstaatsprocurator als Vorgesetzter
der Notare diesen in einem Rescripte die Heiligkeit der Dienstkleidung einschärfte
und gleichzeitig zwei Muster von Sommerhosenstoffen nebst Adresse der Lieferanten
beilegte —. In diesem Fall brauchte er blos durch eine Thür zu gehen, um die
Metamorphose zu vollenden.

Der herzoglich nassauische Amtmann ist der Vertreter der Staatshoheit, im
Range steht er also über allen Beamten des Bezirks, soweit aber seine specielle»
Functionen nicht reichen, ist ihm der Rentmeister, der Medicinalrath. der Ober¬
förster, der Baumeister coordiuirt. Der Beamte der freiwilligen Gerichtsbarkeit
steht unter dem ordentlichen Richter seines Bezirks, wird von diesem controlirt.
ist ihm subordinire. Das darf man nicht vergessen und selbst der arme Beamte,
der sich selbst subordinire und coordinirt war, konnte das nicht.

Der Vorgesetzte rescribirt an den Untergebenen, jedes Schriftstück des
Amtmanns an den Verwalter der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ein Rescrip-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/94>, abgerufen am 22.07.2024.