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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Loch Licht erhält. Jeden vierten Tag kommt er in ein Mittelarrestlocal, erhält
einen Strohsack und etwas warmes Essen.

All dies scheint bedrohlich und sann auch lästig werden; Thatsache aber
ist, daß nur ein sehr kleiner Theil der Freiwilligen im Laufe seines Jahres ein¬
mal mit Arrest bestraft ist. und ebenso sicher ist, daß noch kein Freiwilliger sein
Jahr abgedient hat, ohne nicht ein und das andre Mal nach dem Gesetz die
Hältesten Strafen verdient zu haben.

Wenn sich nun auch nicht läugnen läßt, daß der Freiwillige gar manche
Unbill erdulde" muß, so ist es doch leicht, mit einem gewissen Idealismus über
all das Schwere hinwegzukommen. Es ist ja keine Unehre, als Soldat vieles
thun, sich vieles gefallen zu lassen, was im bürgerlichen Leben theils lächerlich,
theils anstößig erscheinen würde. Man ist Soldat, jeder muß es sein in Preußen,
der Vornehmste wie der niedrigste muß diese Zeit durchmachen, der Offizier selbst
muß eine Zeit lang als Gemeiner gedient haben; also der Person kann der
Dienst nicht zur Unehre gereichen, und die Sache, nun die ist wahrhaftig groß-
artig genug, um auch Schlimmeres zu dulden.

Uebrigens avancirt der Freiwillige bei einigermaßen guter Führung rasch.
Mit sehr seltenen Ausnahmen wird er nach sechs Monaten Gefreiter und thut
als solcher Unterofsizierdienstc, d. h. er braucht nicht selbst in Reih und Glied
mit dem Gewehr zu exerciren, sondern erhält ein Kommando über 6--12 Mann.
Schon früher wird er oft zum Commandiren verwendet, damit er auch diese
Kunst erlernt. Ueberhaupt wird bei seiner Ausbildung von dem Grundsatz aus¬
gegangen, daß man in ihm einen künstigen Offizier sieht, und in der That be-
steht die ganze zahlreiche Classe der bei jedem Kriege in Action tretenden Vice-
feldwebel und Landwchrossiziere ausschließlich aus früheren Freiwilligen. Zur
Qualifikation als Landwehrofsizier ist allerdings ein Examen nöthig, das in der
Regel sämmtliche Freiwillige im elften oder zwölften Monat ihrer Dienstzeit
absolviren. Neben unbedeutenden schriftlichen Arbeiten über den Dienst im
Krieg und Frieden besteht dasselbe aus praktischen Uebungen im Exerciren einer
Compagnie. Wer es besteht, wird bald darauf Unteroffizier und als solcher
entlassen, wer es nicht besteht, wird freilich auch nach zwölf Monaten ent.
lassen, avancirt aber nicht.

Natürlich ist die Dienstpflicht mit dem einen Jahre nicht zu Ende. In
Friedenszeiten erfolgt indeß für die Offiziersaspiranten, d. h. die das Land-
wehrofsiziersexamen bestanden haben, nur noch eine Einziehung aus sechs Wochen,
in der dieselben zu Offizieren ernannt werden. Bei einer Mobilmachung wer¬
den natürlich auch die nicht Avancirten eingezogen und wie Gemeine beharr-
delt oder zu Unteroffizieren gemacht, und sie erhalten wie alle Eingezogenen und
auch alle ihr Jahr Abdienenden als mobile Truppen Löhnung und Kleidung,
haben aber kein Abzeichen und müssen all und jeden Dienst thun. So sind


Grenzboten I. 1867. ^

Loch Licht erhält. Jeden vierten Tag kommt er in ein Mittelarrestlocal, erhält
einen Strohsack und etwas warmes Essen.

All dies scheint bedrohlich und sann auch lästig werden; Thatsache aber
ist, daß nur ein sehr kleiner Theil der Freiwilligen im Laufe seines Jahres ein¬
mal mit Arrest bestraft ist. und ebenso sicher ist, daß noch kein Freiwilliger sein
Jahr abgedient hat, ohne nicht ein und das andre Mal nach dem Gesetz die
Hältesten Strafen verdient zu haben.

Wenn sich nun auch nicht läugnen läßt, daß der Freiwillige gar manche
Unbill erdulde» muß, so ist es doch leicht, mit einem gewissen Idealismus über
all das Schwere hinwegzukommen. Es ist ja keine Unehre, als Soldat vieles
thun, sich vieles gefallen zu lassen, was im bürgerlichen Leben theils lächerlich,
theils anstößig erscheinen würde. Man ist Soldat, jeder muß es sein in Preußen,
der Vornehmste wie der niedrigste muß diese Zeit durchmachen, der Offizier selbst
muß eine Zeit lang als Gemeiner gedient haben; also der Person kann der
Dienst nicht zur Unehre gereichen, und die Sache, nun die ist wahrhaftig groß-
artig genug, um auch Schlimmeres zu dulden.

Uebrigens avancirt der Freiwillige bei einigermaßen guter Führung rasch.
Mit sehr seltenen Ausnahmen wird er nach sechs Monaten Gefreiter und thut
als solcher Unterofsizierdienstc, d. h. er braucht nicht selbst in Reih und Glied
mit dem Gewehr zu exerciren, sondern erhält ein Kommando über 6—12 Mann.
Schon früher wird er oft zum Commandiren verwendet, damit er auch diese
Kunst erlernt. Ueberhaupt wird bei seiner Ausbildung von dem Grundsatz aus¬
gegangen, daß man in ihm einen künstigen Offizier sieht, und in der That be-
steht die ganze zahlreiche Classe der bei jedem Kriege in Action tretenden Vice-
feldwebel und Landwchrossiziere ausschließlich aus früheren Freiwilligen. Zur
Qualifikation als Landwehrofsizier ist allerdings ein Examen nöthig, das in der
Regel sämmtliche Freiwillige im elften oder zwölften Monat ihrer Dienstzeit
absolviren. Neben unbedeutenden schriftlichen Arbeiten über den Dienst im
Krieg und Frieden besteht dasselbe aus praktischen Uebungen im Exerciren einer
Compagnie. Wer es besteht, wird bald darauf Unteroffizier und als solcher
entlassen, wer es nicht besteht, wird freilich auch nach zwölf Monaten ent.
lassen, avancirt aber nicht.

Natürlich ist die Dienstpflicht mit dem einen Jahre nicht zu Ende. In
Friedenszeiten erfolgt indeß für die Offiziersaspiranten, d. h. die das Land-
wehrofsiziersexamen bestanden haben, nur noch eine Einziehung aus sechs Wochen,
in der dieselben zu Offizieren ernannt werden. Bei einer Mobilmachung wer¬
den natürlich auch die nicht Avancirten eingezogen und wie Gemeine beharr-
delt oder zu Unteroffizieren gemacht, und sie erhalten wie alle Eingezogenen und
auch alle ihr Jahr Abdienenden als mobile Truppen Löhnung und Kleidung,
haben aber kein Abzeichen und müssen all und jeden Dienst thun. So sind


Grenzboten I. 1867. ^
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[0075] Loch Licht erhält. Jeden vierten Tag kommt er in ein Mittelarrestlocal, erhält einen Strohsack und etwas warmes Essen. All dies scheint bedrohlich und sann auch lästig werden; Thatsache aber ist, daß nur ein sehr kleiner Theil der Freiwilligen im Laufe seines Jahres ein¬ mal mit Arrest bestraft ist. und ebenso sicher ist, daß noch kein Freiwilliger sein Jahr abgedient hat, ohne nicht ein und das andre Mal nach dem Gesetz die Hältesten Strafen verdient zu haben. Wenn sich nun auch nicht läugnen läßt, daß der Freiwillige gar manche Unbill erdulde» muß, so ist es doch leicht, mit einem gewissen Idealismus über all das Schwere hinwegzukommen. Es ist ja keine Unehre, als Soldat vieles thun, sich vieles gefallen zu lassen, was im bürgerlichen Leben theils lächerlich, theils anstößig erscheinen würde. Man ist Soldat, jeder muß es sein in Preußen, der Vornehmste wie der niedrigste muß diese Zeit durchmachen, der Offizier selbst muß eine Zeit lang als Gemeiner gedient haben; also der Person kann der Dienst nicht zur Unehre gereichen, und die Sache, nun die ist wahrhaftig groß- artig genug, um auch Schlimmeres zu dulden. Uebrigens avancirt der Freiwillige bei einigermaßen guter Führung rasch. Mit sehr seltenen Ausnahmen wird er nach sechs Monaten Gefreiter und thut als solcher Unterofsizierdienstc, d. h. er braucht nicht selbst in Reih und Glied mit dem Gewehr zu exerciren, sondern erhält ein Kommando über 6—12 Mann. Schon früher wird er oft zum Commandiren verwendet, damit er auch diese Kunst erlernt. Ueberhaupt wird bei seiner Ausbildung von dem Grundsatz aus¬ gegangen, daß man in ihm einen künstigen Offizier sieht, und in der That be- steht die ganze zahlreiche Classe der bei jedem Kriege in Action tretenden Vice- feldwebel und Landwchrossiziere ausschließlich aus früheren Freiwilligen. Zur Qualifikation als Landwehrofsizier ist allerdings ein Examen nöthig, das in der Regel sämmtliche Freiwillige im elften oder zwölften Monat ihrer Dienstzeit absolviren. Neben unbedeutenden schriftlichen Arbeiten über den Dienst im Krieg und Frieden besteht dasselbe aus praktischen Uebungen im Exerciren einer Compagnie. Wer es besteht, wird bald darauf Unteroffizier und als solcher entlassen, wer es nicht besteht, wird freilich auch nach zwölf Monaten ent. lassen, avancirt aber nicht. Natürlich ist die Dienstpflicht mit dem einen Jahre nicht zu Ende. In Friedenszeiten erfolgt indeß für die Offiziersaspiranten, d. h. die das Land- wehrofsiziersexamen bestanden haben, nur noch eine Einziehung aus sechs Wochen, in der dieselben zu Offizieren ernannt werden. Bei einer Mobilmachung wer¬ den natürlich auch die nicht Avancirten eingezogen und wie Gemeine beharr- delt oder zu Unteroffizieren gemacht, und sie erhalten wie alle Eingezogenen und auch alle ihr Jahr Abdienenden als mobile Truppen Löhnung und Kleidung, haben aber kein Abzeichen und müssen all und jeden Dienst thun. So sind Grenzboten I. 1867. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/75>, abgerufen am 04.07.2024.