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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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wieder aufzunehmen. Wir erkennen darin einen wirklich genialen Zug, daß
Herr v. Beust die Schwächen der ungarischen Staatsmänner so rasch begriffen
und so glücklich für seine persönlichen Zwecke benutzt hat. Die Magyarenführcr
halten an dem Grundsätze fest, daß für Ungarns Selbständigkeit und Freiheit
Oestreichs Einmischung in die deutschen Angelegenheiten nothwendig sei. Auch
Thiers meint ja. die Größe Frankreichs werde durch die Schwäche Deutschlands
bedingt. Die gegenwärtigen ungarischen Minister, die ganze Deäkpartei und
auch viele Pesther Radicale sind großdcutsch gesinnt, wenn auch aus einem an¬
dern Grunde als die idealistischen Schwaben. Sie sehen in der Verquickung
östreichischer und deutscher Vcrfassungspolitik eine Garantie gegen das Erwachen
einer selbständigen östreichischen Staatskunst. So lange die Bewohner der
Staatskanzlei Oestreichs Bestand gefährdet glauben, wenn nicht in Darmstadt
und Stuttgart nach der Melodie des östreichischen Ländlers getanzt wird, so
lange die wiener Politiker Oestreichs Macht höher stellen als den organischen
Staat, haben die Magyaren für ihre Selbständigkeit wenig zu fürchten.
Die Unterstützung der deutschen Politik ist dem wiener Cabinet um keinen
Preis zu theuer erkauft, u>d auch wenn ein östreichischer Ministerpräsident,
wie Felix Schwarzenberg, gleichzeitig europäische Machtpolitik treiben, und
Oestreich neu organisiren wollte, dazu reichen Oestreichs Kräfte nicht aus.

Auf die großdeutschen Sympathien der ungarischen Führer stützte Herr
v. Beust seine Pläne. Ohne Mühe bewies er, daß in der deutschen Politik,
wie er sie auffasse, Oestreichs und Ungarns Interessen zusammenfallen, daß
sonst gegen die föderalistischen Slawen kein Gegengewicht zu finden sei. diese
in Oestreich und Ungarn die Gewalt an sich reißen würden. Der Zustimmung
der ungarischen Staatsmänner darin gewiß, stellte er nun die weitere Forde¬
rung, daß Ungar" die deutschen Pläne Oestreichs unterstütze, ihm die Mittel
in die Hand gebe, seine europäische Machtstellung auch fernerhin in Ehren zu be¬
haupten. Diese Mittel bestehen in der völligen Completirung des ungari-
schen Heerestheiles und dem Verzichte auf eine nationale Organisation des
letzteren.

Da es bekannt war, daß-die mächtige Militärpartei in Wien in keinem
Falle eine Theilung der Armee dulden würde, da überdies Andrassy und seine
Freunde an einer neuen Honvcdauflage kein Gefallen hatten, so kam die Einigung
bald zu Stande. Herr v. Beust opfert die Sicherheit des östreichischen Handels,
und drückt das Auge zu, wenn östreichisches Recht schon am Ufer der Leitha sich
in Unrecht verwandelt, und hat nichts dagegen, daß nur die Erbländer am Fi-
nanzkarrcn ziehen und neben den das Lastschleppen gewohnten östreichischen Kanten
das ungarische Rößlein frei und munter galoppirt,-und gibt die Stetigkeit des
Verkehres, die wirthschaftlichen Verhältnisse Preis, --darüber kann später ver¬
handelt werden. Aber augenblicklich hat er 48,000 Rekruten geschenkt erhalten


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wieder aufzunehmen. Wir erkennen darin einen wirklich genialen Zug, daß
Herr v. Beust die Schwächen der ungarischen Staatsmänner so rasch begriffen
und so glücklich für seine persönlichen Zwecke benutzt hat. Die Magyarenführcr
halten an dem Grundsätze fest, daß für Ungarns Selbständigkeit und Freiheit
Oestreichs Einmischung in die deutschen Angelegenheiten nothwendig sei. Auch
Thiers meint ja. die Größe Frankreichs werde durch die Schwäche Deutschlands
bedingt. Die gegenwärtigen ungarischen Minister, die ganze Deäkpartei und
auch viele Pesther Radicale sind großdcutsch gesinnt, wenn auch aus einem an¬
dern Grunde als die idealistischen Schwaben. Sie sehen in der Verquickung
östreichischer und deutscher Vcrfassungspolitik eine Garantie gegen das Erwachen
einer selbständigen östreichischen Staatskunst. So lange die Bewohner der
Staatskanzlei Oestreichs Bestand gefährdet glauben, wenn nicht in Darmstadt
und Stuttgart nach der Melodie des östreichischen Ländlers getanzt wird, so
lange die wiener Politiker Oestreichs Macht höher stellen als den organischen
Staat, haben die Magyaren für ihre Selbständigkeit wenig zu fürchten.
Die Unterstützung der deutschen Politik ist dem wiener Cabinet um keinen
Preis zu theuer erkauft, u>d auch wenn ein östreichischer Ministerpräsident,
wie Felix Schwarzenberg, gleichzeitig europäische Machtpolitik treiben, und
Oestreich neu organisiren wollte, dazu reichen Oestreichs Kräfte nicht aus.

Auf die großdeutschen Sympathien der ungarischen Führer stützte Herr
v. Beust seine Pläne. Ohne Mühe bewies er, daß in der deutschen Politik,
wie er sie auffasse, Oestreichs und Ungarns Interessen zusammenfallen, daß
sonst gegen die föderalistischen Slawen kein Gegengewicht zu finden sei. diese
in Oestreich und Ungarn die Gewalt an sich reißen würden. Der Zustimmung
der ungarischen Staatsmänner darin gewiß, stellte er nun die weitere Forde¬
rung, daß Ungar» die deutschen Pläne Oestreichs unterstütze, ihm die Mittel
in die Hand gebe, seine europäische Machtstellung auch fernerhin in Ehren zu be¬
haupten. Diese Mittel bestehen in der völligen Completirung des ungari-
schen Heerestheiles und dem Verzichte auf eine nationale Organisation des
letzteren.

Da es bekannt war, daß-die mächtige Militärpartei in Wien in keinem
Falle eine Theilung der Armee dulden würde, da überdies Andrassy und seine
Freunde an einer neuen Honvcdauflage kein Gefallen hatten, so kam die Einigung
bald zu Stande. Herr v. Beust opfert die Sicherheit des östreichischen Handels,
und drückt das Auge zu, wenn östreichisches Recht schon am Ufer der Leitha sich
in Unrecht verwandelt, und hat nichts dagegen, daß nur die Erbländer am Fi-
nanzkarrcn ziehen und neben den das Lastschleppen gewohnten östreichischen Kanten
das ungarische Rößlein frei und munter galoppirt,-und gibt die Stetigkeit des
Verkehres, die wirthschaftlichen Verhältnisse Preis, —darüber kann später ver¬
handelt werden. Aber augenblicklich hat er 48,000 Rekruten geschenkt erhalten


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[0525] wieder aufzunehmen. Wir erkennen darin einen wirklich genialen Zug, daß Herr v. Beust die Schwächen der ungarischen Staatsmänner so rasch begriffen und so glücklich für seine persönlichen Zwecke benutzt hat. Die Magyarenführcr halten an dem Grundsätze fest, daß für Ungarns Selbständigkeit und Freiheit Oestreichs Einmischung in die deutschen Angelegenheiten nothwendig sei. Auch Thiers meint ja. die Größe Frankreichs werde durch die Schwäche Deutschlands bedingt. Die gegenwärtigen ungarischen Minister, die ganze Deäkpartei und auch viele Pesther Radicale sind großdcutsch gesinnt, wenn auch aus einem an¬ dern Grunde als die idealistischen Schwaben. Sie sehen in der Verquickung östreichischer und deutscher Vcrfassungspolitik eine Garantie gegen das Erwachen einer selbständigen östreichischen Staatskunst. So lange die Bewohner der Staatskanzlei Oestreichs Bestand gefährdet glauben, wenn nicht in Darmstadt und Stuttgart nach der Melodie des östreichischen Ländlers getanzt wird, so lange die wiener Politiker Oestreichs Macht höher stellen als den organischen Staat, haben die Magyaren für ihre Selbständigkeit wenig zu fürchten. Die Unterstützung der deutschen Politik ist dem wiener Cabinet um keinen Preis zu theuer erkauft, u>d auch wenn ein östreichischer Ministerpräsident, wie Felix Schwarzenberg, gleichzeitig europäische Machtpolitik treiben, und Oestreich neu organisiren wollte, dazu reichen Oestreichs Kräfte nicht aus. Auf die großdeutschen Sympathien der ungarischen Führer stützte Herr v. Beust seine Pläne. Ohne Mühe bewies er, daß in der deutschen Politik, wie er sie auffasse, Oestreichs und Ungarns Interessen zusammenfallen, daß sonst gegen die föderalistischen Slawen kein Gegengewicht zu finden sei. diese in Oestreich und Ungarn die Gewalt an sich reißen würden. Der Zustimmung der ungarischen Staatsmänner darin gewiß, stellte er nun die weitere Forde¬ rung, daß Ungar» die deutschen Pläne Oestreichs unterstütze, ihm die Mittel in die Hand gebe, seine europäische Machtstellung auch fernerhin in Ehren zu be¬ haupten. Diese Mittel bestehen in der völligen Completirung des ungari- schen Heerestheiles und dem Verzichte auf eine nationale Organisation des letzteren. Da es bekannt war, daß-die mächtige Militärpartei in Wien in keinem Falle eine Theilung der Armee dulden würde, da überdies Andrassy und seine Freunde an einer neuen Honvcdauflage kein Gefallen hatten, so kam die Einigung bald zu Stande. Herr v. Beust opfert die Sicherheit des östreichischen Handels, und drückt das Auge zu, wenn östreichisches Recht schon am Ufer der Leitha sich in Unrecht verwandelt, und hat nichts dagegen, daß nur die Erbländer am Fi- nanzkarrcn ziehen und neben den das Lastschleppen gewohnten östreichischen Kanten das ungarische Rößlein frei und munter galoppirt,-und gibt die Stetigkeit des Verkehres, die wirthschaftlichen Verhältnisse Preis, —darüber kann später ver¬ handelt werden. Aber augenblicklich hat er 48,000 Rekruten geschenkt erhalten 66*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/525>, abgerufen am 30.06.2024.