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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Bischöfe in ihre Diöcesen zurückkehren zu lassen, während die Curie nicht ab¬
geneigt war, wenigstens factisch eine Verminderung der Anzahl der Diöcesen
zuzugestehen; dagegen erwiesen sich beide Theile unversöhnlich in der Frage der
königlichen Prärogativen. Der Papst verlangte für die neu zu installirenden
Bischöfe ebenso hartnäckig die Aufhebung des Planet, des Exequatur und des
Eids, als der italienische Bevollmächtigte daran festhielt. Der Papst verlangte
also nichts weniger als einen principiellen Wechsel des Systems im Verhältniß
von Kirche und Staat. Die italienische Regierung verweigerte dies, sei es daß
sie damals wirtlich nicht den Muth hatte für dieses Zugeständnis,, sei es daß
sie hoffte, mit dem Herannahen der im Septembervertrag festgesetzten Frist werde
der Papst seine Forderungen herabsetzen. Und darüber zerschlug sich die Unter¬
handlung. Oder wollte der Staat sein letztes Zugestcindniß nur aufsparen für
eine höhere Gegengabe?

Inzwischen rückte der Termin des 12. December näher und näher. Die
Curie blieb so unbeweglich als je, dagegen war die italienische Regierung durch
den Septembervertrag moralisch verpflichtet, eine Aussöhnung mit Rom zu
suchen: blieb diesmal ein Brief des Papstes an den König aus, so war es an
ihr, die Initiative zu ergreifen. Erst wenige Tage vor dem Termin wurden die
Jnstructionen für den neuen Unterhändler fertig. Wie diese lauteten, konnte,
wenn überhaupt nach dem Scheitern Vegezzis ein Schritt vorwärts geschehen
sollte, nicht zweifelhaft sein. Bald erfuhr man, daß Tonello Träger der weitest-
gehenden Zugeständnisse sei. der Verzicht auf das Planet, das Exequatur und
den bischöflichen Eid ist die große Morgengabe des Königreichs Italien an den
heiligen Stuhl, das Opfer, das Italien einer Verständigung zwischen Kirche
und Staat zu bringen entschlossen war. Man durfte mit Sicherheit voraus¬
sehen, daß die Aufnahme des Ueberbringers solcher Concessionen, die an die glän¬
zendsten Zeiten des mittelalterlichen Papstthums erinnern konnten, die entgegen¬
kommendste sein werde. Allein ebenso sicher ist. daß damit nur ein erster Stein des
Anstoßes hinweggeräumt war. Allerdings gelang nun. immerhin nach viciwöchent-
lichen Verhandlungen, auch die weitere Aufgabe, sich über eine Anzahl Namen
für die erledigten Bischofssitze zu verständigen, und im Consistorium vom 19. Fe¬
bruar konnte der Papst zweiundzwanzig verwaiste Diöcesen wieder mit Seelen¬
hirten ausstatten. Aber diese Personenfrage war ja selbst nur ein untergeord¬
netes Moment. Der Gesandte Italiens stand gleichsam erst im Vorzimmer des
Vatican, die Intimität der labyrinthischen Gemächer desselben war ihm verschlossen.

Die Frage, warum der italienische Gesandte sich so lange in diesem Vor¬
zimmer aufhält, ist oft in Italien aufgeworfen. Man konnte annehmen, daß
bei dem beschränkten Charakter seiner Mission und bei ihrem versöhnlichen In¬
halt das Geschäft bald abgewickelt sein werde. Hatte er vielleicht nebenbei
noch andere vertrauliche Eröffnungen zu machen? Einer verbreiteten Lesart


Bischöfe in ihre Diöcesen zurückkehren zu lassen, während die Curie nicht ab¬
geneigt war, wenigstens factisch eine Verminderung der Anzahl der Diöcesen
zuzugestehen; dagegen erwiesen sich beide Theile unversöhnlich in der Frage der
königlichen Prärogativen. Der Papst verlangte für die neu zu installirenden
Bischöfe ebenso hartnäckig die Aufhebung des Planet, des Exequatur und des
Eids, als der italienische Bevollmächtigte daran festhielt. Der Papst verlangte
also nichts weniger als einen principiellen Wechsel des Systems im Verhältniß
von Kirche und Staat. Die italienische Regierung verweigerte dies, sei es daß
sie damals wirtlich nicht den Muth hatte für dieses Zugeständnis,, sei es daß
sie hoffte, mit dem Herannahen der im Septembervertrag festgesetzten Frist werde
der Papst seine Forderungen herabsetzen. Und darüber zerschlug sich die Unter¬
handlung. Oder wollte der Staat sein letztes Zugestcindniß nur aufsparen für
eine höhere Gegengabe?

Inzwischen rückte der Termin des 12. December näher und näher. Die
Curie blieb so unbeweglich als je, dagegen war die italienische Regierung durch
den Septembervertrag moralisch verpflichtet, eine Aussöhnung mit Rom zu
suchen: blieb diesmal ein Brief des Papstes an den König aus, so war es an
ihr, die Initiative zu ergreifen. Erst wenige Tage vor dem Termin wurden die
Jnstructionen für den neuen Unterhändler fertig. Wie diese lauteten, konnte,
wenn überhaupt nach dem Scheitern Vegezzis ein Schritt vorwärts geschehen
sollte, nicht zweifelhaft sein. Bald erfuhr man, daß Tonello Träger der weitest-
gehenden Zugeständnisse sei. der Verzicht auf das Planet, das Exequatur und
den bischöflichen Eid ist die große Morgengabe des Königreichs Italien an den
heiligen Stuhl, das Opfer, das Italien einer Verständigung zwischen Kirche
und Staat zu bringen entschlossen war. Man durfte mit Sicherheit voraus¬
sehen, daß die Aufnahme des Ueberbringers solcher Concessionen, die an die glän¬
zendsten Zeiten des mittelalterlichen Papstthums erinnern konnten, die entgegen¬
kommendste sein werde. Allein ebenso sicher ist. daß damit nur ein erster Stein des
Anstoßes hinweggeräumt war. Allerdings gelang nun. immerhin nach viciwöchent-
lichen Verhandlungen, auch die weitere Aufgabe, sich über eine Anzahl Namen
für die erledigten Bischofssitze zu verständigen, und im Consistorium vom 19. Fe¬
bruar konnte der Papst zweiundzwanzig verwaiste Diöcesen wieder mit Seelen¬
hirten ausstatten. Aber diese Personenfrage war ja selbst nur ein untergeord¬
netes Moment. Der Gesandte Italiens stand gleichsam erst im Vorzimmer des
Vatican, die Intimität der labyrinthischen Gemächer desselben war ihm verschlossen.

Die Frage, warum der italienische Gesandte sich so lange in diesem Vor¬
zimmer aufhält, ist oft in Italien aufgeworfen. Man konnte annehmen, daß
bei dem beschränkten Charakter seiner Mission und bei ihrem versöhnlichen In¬
halt das Geschäft bald abgewickelt sein werde. Hatte er vielleicht nebenbei
noch andere vertrauliche Eröffnungen zu machen? Einer verbreiteten Lesart


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[0502] Bischöfe in ihre Diöcesen zurückkehren zu lassen, während die Curie nicht ab¬ geneigt war, wenigstens factisch eine Verminderung der Anzahl der Diöcesen zuzugestehen; dagegen erwiesen sich beide Theile unversöhnlich in der Frage der königlichen Prärogativen. Der Papst verlangte für die neu zu installirenden Bischöfe ebenso hartnäckig die Aufhebung des Planet, des Exequatur und des Eids, als der italienische Bevollmächtigte daran festhielt. Der Papst verlangte also nichts weniger als einen principiellen Wechsel des Systems im Verhältniß von Kirche und Staat. Die italienische Regierung verweigerte dies, sei es daß sie damals wirtlich nicht den Muth hatte für dieses Zugeständnis,, sei es daß sie hoffte, mit dem Herannahen der im Septembervertrag festgesetzten Frist werde der Papst seine Forderungen herabsetzen. Und darüber zerschlug sich die Unter¬ handlung. Oder wollte der Staat sein letztes Zugestcindniß nur aufsparen für eine höhere Gegengabe? Inzwischen rückte der Termin des 12. December näher und näher. Die Curie blieb so unbeweglich als je, dagegen war die italienische Regierung durch den Septembervertrag moralisch verpflichtet, eine Aussöhnung mit Rom zu suchen: blieb diesmal ein Brief des Papstes an den König aus, so war es an ihr, die Initiative zu ergreifen. Erst wenige Tage vor dem Termin wurden die Jnstructionen für den neuen Unterhändler fertig. Wie diese lauteten, konnte, wenn überhaupt nach dem Scheitern Vegezzis ein Schritt vorwärts geschehen sollte, nicht zweifelhaft sein. Bald erfuhr man, daß Tonello Träger der weitest- gehenden Zugeständnisse sei. der Verzicht auf das Planet, das Exequatur und den bischöflichen Eid ist die große Morgengabe des Königreichs Italien an den heiligen Stuhl, das Opfer, das Italien einer Verständigung zwischen Kirche und Staat zu bringen entschlossen war. Man durfte mit Sicherheit voraus¬ sehen, daß die Aufnahme des Ueberbringers solcher Concessionen, die an die glän¬ zendsten Zeiten des mittelalterlichen Papstthums erinnern konnten, die entgegen¬ kommendste sein werde. Allein ebenso sicher ist. daß damit nur ein erster Stein des Anstoßes hinweggeräumt war. Allerdings gelang nun. immerhin nach viciwöchent- lichen Verhandlungen, auch die weitere Aufgabe, sich über eine Anzahl Namen für die erledigten Bischofssitze zu verständigen, und im Consistorium vom 19. Fe¬ bruar konnte der Papst zweiundzwanzig verwaiste Diöcesen wieder mit Seelen¬ hirten ausstatten. Aber diese Personenfrage war ja selbst nur ein untergeord¬ netes Moment. Der Gesandte Italiens stand gleichsam erst im Vorzimmer des Vatican, die Intimität der labyrinthischen Gemächer desselben war ihm verschlossen. Die Frage, warum der italienische Gesandte sich so lange in diesem Vor¬ zimmer aufhält, ist oft in Italien aufgeworfen. Man konnte annehmen, daß bei dem beschränkten Charakter seiner Mission und bei ihrem versöhnlichen In¬ halt das Geschäft bald abgewickelt sein werde. Hatte er vielleicht nebenbei noch andere vertrauliche Eröffnungen zu machen? Einer verbreiteten Lesart

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/502>, abgerufen am 04.07.2024.