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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Einzige, was die römische Regierung that, war die Bildung einer eigenen kleinen
Armee, offenbar mehr auf die Besorgung des Sicherheitsdienstes berechnet, als
auf den kriegerischen Schul) der staatlichen Selbständigkeit. Es war grade das
Nvthdüntigste, unerläßlich auch für eine kurze Uebergangszeit. Ist der Gedanke
wirklich auch im Vatican schon vorherrschend, daß der jetzige Zustand, der d.is
Papstthum auf seine eigenen Mittel beschränkt, nur von vorübergehender Dauer
sein !omne? Fast muß man es glauben. Denn wenn es jeden Versuch poli¬
tischer Reformen von sich wies, so ist nur eine doppelte Erklärung möglich.
Entweder es besorgt -- in Erinnerung an die Ersahrungen von 1847 und
1848 -- daß jede Reform, die doch vor allem in der Einführung des Laien-
regirnenis in die verschiedenen Zweige der Verwaltung bestehen müßte, nur der
erste Schritt zur völligen Säcularisirung, nur eine Waffe in der Hand der
Annexionspartei wäre, eine Anwendung des Satzes "int ut 8unt, ant von
"int, die doch schwerlich vom unerschütterlichen Glauben an die Zukunft be>
gleitet ist, sondern weit eher einer fatalistischen Ergebung in das Unvermeidliche
gleicht. Oder aber das Papstthum verzichtet auf den Versuch, den gegenwär¬
tigen Zustand zu conserviren, weil es von der Unmöglichkeit einer Fortdauer
des Kirchenstaats überzeugt, seine Rettung auf einem ganz andern Weg zu
suchen entschlossen ist. In beiden Fällen ist der Verzicht auf Reformen gleich
bezeichnend. Er enthält das Geständnis?, daß niemand eine Dauer des gegen¬
wärtigen Zustands hofft. Rom ist ruhig, weil der Papst und die Römer in
der That vollkommen einig sind darin, daß seit dem 11. December ein prekäres
Provisorium besteht, während dessen die Wege zu einer gründlichen Lösung des
römischen Problems zu suchen sind, daß aber diese Wege nur durchkreuzt wür¬
den durch gewagte Verfassungsexperimente von der einen, durch sinnlose Auf¬
standsversuche von der andern Seite. Mit andern Worte": die Entscheidung
liegt nicht zwischen dem Papst und den Römern, sondern zwischen der Kirche
und dem italienischen Staat. Das römische Problem ist in diesem Augenblick
nicht eine Verfassungsfrage, auch nicht eine Territorialfrage, sondern ein kirchen¬
politischer Streit im höchsten Stil, dem der Umstand, daß er eben auf diesem
Boden, im Herzen Italiens angefochten wird, universale Bedeutung verleiht.

Nichts beweist mehr, welche thatsächliche Herrschaft die italitnis.be Regierung
jetzt schon in Rom und über die Römer ausübt, als eben die Ruhe der ewigen
Stadt. Denn darüber wird sich niemand täuschen, daß diese weder der Auto¬
rität des heiligen Baders noch den in Türken verkleideten Streitern des heiligen
Stuhls zu verdanken ist, sondern der berechnenden Selbstbeherrschung der Römer
und den Befehlen des Nationalcomite-s, das seinerseits nach den Weisungen der
italienischen Regierung handelt. Es ist immerhin der Fall denklwr, daß unter
Umständen der Regierung wenig mehr daran gelegen ist, eine Erhebung zunächst
in den Provinzen und dann auch in Rom selbst zurückzuhalten, es ist möglich,


Einzige, was die römische Regierung that, war die Bildung einer eigenen kleinen
Armee, offenbar mehr auf die Besorgung des Sicherheitsdienstes berechnet, als
auf den kriegerischen Schul) der staatlichen Selbständigkeit. Es war grade das
Nvthdüntigste, unerläßlich auch für eine kurze Uebergangszeit. Ist der Gedanke
wirklich auch im Vatican schon vorherrschend, daß der jetzige Zustand, der d.is
Papstthum auf seine eigenen Mittel beschränkt, nur von vorübergehender Dauer
sein !omne? Fast muß man es glauben. Denn wenn es jeden Versuch poli¬
tischer Reformen von sich wies, so ist nur eine doppelte Erklärung möglich.
Entweder es besorgt — in Erinnerung an die Ersahrungen von 1847 und
1848 — daß jede Reform, die doch vor allem in der Einführung des Laien-
regirnenis in die verschiedenen Zweige der Verwaltung bestehen müßte, nur der
erste Schritt zur völligen Säcularisirung, nur eine Waffe in der Hand der
Annexionspartei wäre, eine Anwendung des Satzes «int ut 8unt, ant von
»int, die doch schwerlich vom unerschütterlichen Glauben an die Zukunft be>
gleitet ist, sondern weit eher einer fatalistischen Ergebung in das Unvermeidliche
gleicht. Oder aber das Papstthum verzichtet auf den Versuch, den gegenwär¬
tigen Zustand zu conserviren, weil es von der Unmöglichkeit einer Fortdauer
des Kirchenstaats überzeugt, seine Rettung auf einem ganz andern Weg zu
suchen entschlossen ist. In beiden Fällen ist der Verzicht auf Reformen gleich
bezeichnend. Er enthält das Geständnis?, daß niemand eine Dauer des gegen¬
wärtigen Zustands hofft. Rom ist ruhig, weil der Papst und die Römer in
der That vollkommen einig sind darin, daß seit dem 11. December ein prekäres
Provisorium besteht, während dessen die Wege zu einer gründlichen Lösung des
römischen Problems zu suchen sind, daß aber diese Wege nur durchkreuzt wür¬
den durch gewagte Verfassungsexperimente von der einen, durch sinnlose Auf¬
standsversuche von der andern Seite. Mit andern Worte»: die Entscheidung
liegt nicht zwischen dem Papst und den Römern, sondern zwischen der Kirche
und dem italienischen Staat. Das römische Problem ist in diesem Augenblick
nicht eine Verfassungsfrage, auch nicht eine Territorialfrage, sondern ein kirchen¬
politischer Streit im höchsten Stil, dem der Umstand, daß er eben auf diesem
Boden, im Herzen Italiens angefochten wird, universale Bedeutung verleiht.

Nichts beweist mehr, welche thatsächliche Herrschaft die italitnis.be Regierung
jetzt schon in Rom und über die Römer ausübt, als eben die Ruhe der ewigen
Stadt. Denn darüber wird sich niemand täuschen, daß diese weder der Auto¬
rität des heiligen Baders noch den in Türken verkleideten Streitern des heiligen
Stuhls zu verdanken ist, sondern der berechnenden Selbstbeherrschung der Römer
und den Befehlen des Nationalcomite-s, das seinerseits nach den Weisungen der
italienischen Regierung handelt. Es ist immerhin der Fall denklwr, daß unter
Umständen der Regierung wenig mehr daran gelegen ist, eine Erhebung zunächst
in den Provinzen und dann auch in Rom selbst zurückzuhalten, es ist möglich,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/500>, abgerufen am 22.12.2024.