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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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abschwächen, sondern durch eine That refutiren will, so muß er bei der auch
aus anderen Gründen gebotenen Berathung des Wahlgesetzes dafür sorgen, daß
dasselbe Voischriften erhält, welche dem Mißbräuche der Amtsgewalt zur Beein¬
flussung und Fälschung der Wahlen energisch entgegenwirken, theils durch Straf¬
androhung für die Contravcnienten, theils durch Verhängung der Kassation
über jede Wahl, bei welcher zu Gunsten des Gewählten solche illegale Mittel
in einer qualitativen oder quantitativen Ausdehnung angewandt worden sind,
welche den Erfolg wahrscheinlich macht. Der Reichstag selbst, als große Jury,
mag danach über jeden concreten Fall befinden.

Die liberale Partei aber, soweit sie bei den Neichstcigswahlen vom Februar
und März 1867 unterlegen ist, möchten wir andrerseits bitten, diese Niederlage
nur nicht einzig und allein auf Rechnung der Wahlbecinflussungen zu setzen,
sondern erstens Umschau und Selbstschau zu halten, ob sie nicht etwa in ihrer
letzten parlamentarischen Periode strategische, tactische oder technische Fehler be¬
gangen habe, welche mitunter mehr schaden, als ein materielles Unrecht, zwei¬
tens aber, besser als dies bisher geschehen, das allgemeine gleiche und directe
Wahlrecht zu studiren, und durchaus nicht zu glauben, daß man die Massen
in ihren zahlreichen localen Centren und ihren zahllosen Unterabtheilungen
durch ein Wahlcomitö in Berlin und durch Flugschriften leiten könne, welche
beide Mittel zwar gut sind, aber ohne persönliches Einwirken. das sich auf
jedes Dorf, jeden Hos und jedes Gut zu erstrecken hat, in der Regel erfolglos
bleiben.




Ein Polnischer Prophet des fünfzehnten Jahrhunderts.

Der Sturz der Hohenstaufen bezeichnet in mehr als einer Richtung einen
wichtigen Abschnitt in der Geschichte des deutschen Reichs. Mit Kaiser Friedrich
dem Zweiten sank nicht allein der letzte gewaltige Repräsentant jener alten
großen Auffassung von dem Berufe des römischen Kaiserthums deutscher Nation
zur Führung der ganzen Christenheit,' nicht allein die Gedankenwelt hinab,
weicht die Trägerin der ersten und glanzvollsten Periode des deutschen Mittel-
altere war; -- unter Friedrich dem Zweiten hat sich auch das Auseinander¬
gehen des Einheitsstaates Deutschland in einen zusammengesetzten Staatskörper


abschwächen, sondern durch eine That refutiren will, so muß er bei der auch
aus anderen Gründen gebotenen Berathung des Wahlgesetzes dafür sorgen, daß
dasselbe Voischriften erhält, welche dem Mißbräuche der Amtsgewalt zur Beein¬
flussung und Fälschung der Wahlen energisch entgegenwirken, theils durch Straf¬
androhung für die Contravcnienten, theils durch Verhängung der Kassation
über jede Wahl, bei welcher zu Gunsten des Gewählten solche illegale Mittel
in einer qualitativen oder quantitativen Ausdehnung angewandt worden sind,
welche den Erfolg wahrscheinlich macht. Der Reichstag selbst, als große Jury,
mag danach über jeden concreten Fall befinden.

Die liberale Partei aber, soweit sie bei den Neichstcigswahlen vom Februar
und März 1867 unterlegen ist, möchten wir andrerseits bitten, diese Niederlage
nur nicht einzig und allein auf Rechnung der Wahlbecinflussungen zu setzen,
sondern erstens Umschau und Selbstschau zu halten, ob sie nicht etwa in ihrer
letzten parlamentarischen Periode strategische, tactische oder technische Fehler be¬
gangen habe, welche mitunter mehr schaden, als ein materielles Unrecht, zwei¬
tens aber, besser als dies bisher geschehen, das allgemeine gleiche und directe
Wahlrecht zu studiren, und durchaus nicht zu glauben, daß man die Massen
in ihren zahlreichen localen Centren und ihren zahllosen Unterabtheilungen
durch ein Wahlcomitö in Berlin und durch Flugschriften leiten könne, welche
beide Mittel zwar gut sind, aber ohne persönliches Einwirken. das sich auf
jedes Dorf, jeden Hos und jedes Gut zu erstrecken hat, in der Regel erfolglos
bleiben.




Ein Polnischer Prophet des fünfzehnten Jahrhunderts.

Der Sturz der Hohenstaufen bezeichnet in mehr als einer Richtung einen
wichtigen Abschnitt in der Geschichte des deutschen Reichs. Mit Kaiser Friedrich
dem Zweiten sank nicht allein der letzte gewaltige Repräsentant jener alten
großen Auffassung von dem Berufe des römischen Kaiserthums deutscher Nation
zur Führung der ganzen Christenheit,' nicht allein die Gedankenwelt hinab,
weicht die Trägerin der ersten und glanzvollsten Periode des deutschen Mittel-
altere war; — unter Friedrich dem Zweiten hat sich auch das Auseinander¬
gehen des Einheitsstaates Deutschland in einen zusammengesetzten Staatskörper


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[0466] abschwächen, sondern durch eine That refutiren will, so muß er bei der auch aus anderen Gründen gebotenen Berathung des Wahlgesetzes dafür sorgen, daß dasselbe Voischriften erhält, welche dem Mißbräuche der Amtsgewalt zur Beein¬ flussung und Fälschung der Wahlen energisch entgegenwirken, theils durch Straf¬ androhung für die Contravcnienten, theils durch Verhängung der Kassation über jede Wahl, bei welcher zu Gunsten des Gewählten solche illegale Mittel in einer qualitativen oder quantitativen Ausdehnung angewandt worden sind, welche den Erfolg wahrscheinlich macht. Der Reichstag selbst, als große Jury, mag danach über jeden concreten Fall befinden. Die liberale Partei aber, soweit sie bei den Neichstcigswahlen vom Februar und März 1867 unterlegen ist, möchten wir andrerseits bitten, diese Niederlage nur nicht einzig und allein auf Rechnung der Wahlbecinflussungen zu setzen, sondern erstens Umschau und Selbstschau zu halten, ob sie nicht etwa in ihrer letzten parlamentarischen Periode strategische, tactische oder technische Fehler be¬ gangen habe, welche mitunter mehr schaden, als ein materielles Unrecht, zwei¬ tens aber, besser als dies bisher geschehen, das allgemeine gleiche und directe Wahlrecht zu studiren, und durchaus nicht zu glauben, daß man die Massen in ihren zahlreichen localen Centren und ihren zahllosen Unterabtheilungen durch ein Wahlcomitö in Berlin und durch Flugschriften leiten könne, welche beide Mittel zwar gut sind, aber ohne persönliches Einwirken. das sich auf jedes Dorf, jeden Hos und jedes Gut zu erstrecken hat, in der Regel erfolglos bleiben. Ein Polnischer Prophet des fünfzehnten Jahrhunderts. Der Sturz der Hohenstaufen bezeichnet in mehr als einer Richtung einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte des deutschen Reichs. Mit Kaiser Friedrich dem Zweiten sank nicht allein der letzte gewaltige Repräsentant jener alten großen Auffassung von dem Berufe des römischen Kaiserthums deutscher Nation zur Führung der ganzen Christenheit,' nicht allein die Gedankenwelt hinab, weicht die Trägerin der ersten und glanzvollsten Periode des deutschen Mittel- altere war; — unter Friedrich dem Zweiten hat sich auch das Auseinander¬ gehen des Einheitsstaates Deutschland in einen zusammengesetzten Staatskörper

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/466>, abgerufen am 30.09.2024.