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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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^ Ist das notorische Heranziehen von unzähligen jungen Menschen von
einige",, aber nicht ausreichendem Talent zu einem Berufe, welcher, da sie ihn
nur ungenügend ausfüllen, dieselben bald unzufrieden und unglücklich macht, an
sich schon nachtheilig genug, so ist es vielleicht sür das nationale Wirthschafts-
leben noch schlimmer, daß diese Summe von bildenden Talente, die in der
Kuustindustne, also in der Ausbreitung und Nutzbarmachung jener großen künst¬
lerischen Conceptionen für das ganze "ivderne Leben außerordentlich nützlich
hätte mitten könne", dieser durch das Einschlage" der akademischen Carriöre
verloren geht. Dein, wer einmal eine solche Anstalt besuchte, in welcher allen
ohne Ausnahme der akademische Dünkel sich als unvertreibbare Krankheit er¬
zeugt, in denen überdies meist das einseitigste und unzweckmäßigste Unterrichts¬
system herrscht, das "ran sich denke" kann, der ist für jedweden andern Beruf
in der Regel gründlich verdorben, grade so wie der, welcher einmal die Univer¬
sität absolvirte und im Exame" durchfiel es selten mehr in einem bürgerlichen
Leiensberuf zu etwas Ordentlichem bringt.

Ohnehin ist durch die täglich wachsende Ausdehnung der Photographie das
Uebel der Nicherfüllung des Standes noch ausnehmend gesteigert worden, da
das Porträtmalen, sonst die Hanptressource junger wie alter Maler, zugleich mit
dem Kupferstich und der Lithographie fast ganz aufgehört hat, die Zeitumstände
aber mir ihrer höchst unsicheren Gestaltung sehr hemmend auf alle übrige Kunst-
prvduclivn noch für Jahre zurückwirken müsse", da das Bildcrkaufe" und Häuser¬
banen zu denjenigen mcnschuchen Schwächen gehört, welche bei der leisesten
Störung oder Bedrohung des Friedens allemal zuerst unterdrückt werden und
zuletzt wieder in Gang komme".

Will daher der Staat oder die Commun der Kmist wirklich nützen, so
haben sie nicht die Production, die schon selber für ihre Ausbildung sorgen
wird, sonder" die Konsumtion der Kunst zu fördern, sie habe" dieselbe als einen
berechtigte" hochwichtige" Factor der Cultur anzuerkennen, und sie also zuvör¬
derst bei allen ihren Bauten in Anspruch zu nehme", um dieselben nicht nur
monumental zu gestalte", so"der" auch durch Sculptur und Malerei würdig zu
verzieren? Diese Forderung galt in dem theoretisch so viel weniger gebildeten
Mittelalter un kleinsten'Städtchen als selbstverständlich und wurde gar nie,
unter keine" Umständen außer Auge" gesetzt, dafür hatte man freilich weder
Akademien noch Professoren, die alljährlich das aufzehrten, was für die Kunst-
probuctio" selbst verwendet werden sollte. -- Wie würde alle Welt schreien,
wen" man blos Thcaterschulen errichtete, aber nie spielen ließe, und doch thut
der Staat heutzutage der bildenden Kunst gegenüber genau dasselbe.

Ich habe es eben als einen besondern Nachtheil des dermaligen Systems
herausgehoben, daß durch dasselbe der Kunstindustrie eine so große Masse Kunst-
vermögens, welches dort reiche Zinsen gebracht hätte, entzogen werde. Wir


^ Ist das notorische Heranziehen von unzähligen jungen Menschen von
einige»,, aber nicht ausreichendem Talent zu einem Berufe, welcher, da sie ihn
nur ungenügend ausfüllen, dieselben bald unzufrieden und unglücklich macht, an
sich schon nachtheilig genug, so ist es vielleicht sür das nationale Wirthschafts-
leben noch schlimmer, daß diese Summe von bildenden Talente, die in der
Kuustindustne, also in der Ausbreitung und Nutzbarmachung jener großen künst¬
lerischen Conceptionen für das ganze »ivderne Leben außerordentlich nützlich
hätte mitten könne», dieser durch das Einschlage» der akademischen Carriöre
verloren geht. Dein, wer einmal eine solche Anstalt besuchte, in welcher allen
ohne Ausnahme der akademische Dünkel sich als unvertreibbare Krankheit er¬
zeugt, in denen überdies meist das einseitigste und unzweckmäßigste Unterrichts¬
system herrscht, das »ran sich denke» kann, der ist für jedweden andern Beruf
in der Regel gründlich verdorben, grade so wie der, welcher einmal die Univer¬
sität absolvirte und im Exame» durchfiel es selten mehr in einem bürgerlichen
Leiensberuf zu etwas Ordentlichem bringt.

Ohnehin ist durch die täglich wachsende Ausdehnung der Photographie das
Uebel der Nicherfüllung des Standes noch ausnehmend gesteigert worden, da
das Porträtmalen, sonst die Hanptressource junger wie alter Maler, zugleich mit
dem Kupferstich und der Lithographie fast ganz aufgehört hat, die Zeitumstände
aber mir ihrer höchst unsicheren Gestaltung sehr hemmend auf alle übrige Kunst-
prvduclivn noch für Jahre zurückwirken müsse», da das Bildcrkaufe» und Häuser¬
banen zu denjenigen mcnschuchen Schwächen gehört, welche bei der leisesten
Störung oder Bedrohung des Friedens allemal zuerst unterdrückt werden und
zuletzt wieder in Gang komme».

Will daher der Staat oder die Commun der Kmist wirklich nützen, so
haben sie nicht die Production, die schon selber für ihre Ausbildung sorgen
wird, sonder» die Konsumtion der Kunst zu fördern, sie habe» dieselbe als einen
berechtigte» hochwichtige» Factor der Cultur anzuerkennen, und sie also zuvör¬
derst bei allen ihren Bauten in Anspruch zu nehme», um dieselben nicht nur
monumental zu gestalte», so»der» auch durch Sculptur und Malerei würdig zu
verzieren? Diese Forderung galt in dem theoretisch so viel weniger gebildeten
Mittelalter un kleinsten'Städtchen als selbstverständlich und wurde gar nie,
unter keine» Umständen außer Auge» gesetzt, dafür hatte man freilich weder
Akademien noch Professoren, die alljährlich das aufzehrten, was für die Kunst-
probuctio» selbst verwendet werden sollte. — Wie würde alle Welt schreien,
wen» man blos Thcaterschulen errichtete, aber nie spielen ließe, und doch thut
der Staat heutzutage der bildenden Kunst gegenüber genau dasselbe.

Ich habe es eben als einen besondern Nachtheil des dermaligen Systems
herausgehoben, daß durch dasselbe der Kunstindustrie eine so große Masse Kunst-
vermögens, welches dort reiche Zinsen gebracht hätte, entzogen werde. Wir


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[0446] ^ Ist das notorische Heranziehen von unzähligen jungen Menschen von einige»,, aber nicht ausreichendem Talent zu einem Berufe, welcher, da sie ihn nur ungenügend ausfüllen, dieselben bald unzufrieden und unglücklich macht, an sich schon nachtheilig genug, so ist es vielleicht sür das nationale Wirthschafts- leben noch schlimmer, daß diese Summe von bildenden Talente, die in der Kuustindustne, also in der Ausbreitung und Nutzbarmachung jener großen künst¬ lerischen Conceptionen für das ganze »ivderne Leben außerordentlich nützlich hätte mitten könne», dieser durch das Einschlage» der akademischen Carriöre verloren geht. Dein, wer einmal eine solche Anstalt besuchte, in welcher allen ohne Ausnahme der akademische Dünkel sich als unvertreibbare Krankheit er¬ zeugt, in denen überdies meist das einseitigste und unzweckmäßigste Unterrichts¬ system herrscht, das »ran sich denke» kann, der ist für jedweden andern Beruf in der Regel gründlich verdorben, grade so wie der, welcher einmal die Univer¬ sität absolvirte und im Exame» durchfiel es selten mehr in einem bürgerlichen Leiensberuf zu etwas Ordentlichem bringt. Ohnehin ist durch die täglich wachsende Ausdehnung der Photographie das Uebel der Nicherfüllung des Standes noch ausnehmend gesteigert worden, da das Porträtmalen, sonst die Hanptressource junger wie alter Maler, zugleich mit dem Kupferstich und der Lithographie fast ganz aufgehört hat, die Zeitumstände aber mir ihrer höchst unsicheren Gestaltung sehr hemmend auf alle übrige Kunst- prvduclivn noch für Jahre zurückwirken müsse», da das Bildcrkaufe» und Häuser¬ banen zu denjenigen mcnschuchen Schwächen gehört, welche bei der leisesten Störung oder Bedrohung des Friedens allemal zuerst unterdrückt werden und zuletzt wieder in Gang komme». Will daher der Staat oder die Commun der Kmist wirklich nützen, so haben sie nicht die Production, die schon selber für ihre Ausbildung sorgen wird, sonder» die Konsumtion der Kunst zu fördern, sie habe» dieselbe als einen berechtigte» hochwichtige» Factor der Cultur anzuerkennen, und sie also zuvör¬ derst bei allen ihren Bauten in Anspruch zu nehme», um dieselben nicht nur monumental zu gestalte», so»der» auch durch Sculptur und Malerei würdig zu verzieren? Diese Forderung galt in dem theoretisch so viel weniger gebildeten Mittelalter un kleinsten'Städtchen als selbstverständlich und wurde gar nie, unter keine» Umständen außer Auge» gesetzt, dafür hatte man freilich weder Akademien noch Professoren, die alljährlich das aufzehrten, was für die Kunst- probuctio» selbst verwendet werden sollte. — Wie würde alle Welt schreien, wen» man blos Thcaterschulen errichtete, aber nie spielen ließe, und doch thut der Staat heutzutage der bildenden Kunst gegenüber genau dasselbe. Ich habe es eben als einen besondern Nachtheil des dermaligen Systems herausgehoben, daß durch dasselbe der Kunstindustrie eine so große Masse Kunst- vermögens, welches dort reiche Zinsen gebracht hätte, entzogen werde. Wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/446>, abgerufen am 28.09.2024.