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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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ausschufimitgliedern. Dr. Görner. in seinem Aeußeren mit dem sorgfältig ge¬
pflegten Schnurr- und Knebelbarte lebhaft an einen Cavalier am Hofe Lud¬
wig des Vierzehnten mahnend, ist ein recht gewandter Redner "ut eine tüchtige
Arbeitskraft.

Eine sehr schätzenswerthe Acquisition hat die Linke während der letzten
Sessionen an dem Historiker Prof. Höfler gemacht. Dieser hat es sich zur
Aufgabe gestellt, im Landtage die von czeebischer Seite jeden Augenblick pomp¬
haft vorgeführte" historisch-politischen Deductionen auf ihren wahren geschichtlichen
Werth zurückzuführen und besonders die Myihe von der ethischen Wenzels¬
krone aufzuklären. Das Centrum geräih vor Wuth außer sich, wenn Höfler
die Beziehungen Böhmens zu Deutschland erwähnt und Palazky, der die Ge¬
schichtsforschung von Böhmen als sein Monopol betrachtet, ist nicht wenig er¬
bost über den deutschen Historiker, der bei den Czechen dcshglh auch in nicht
geringem Grade verhaßt ist. Die Deutschen besitzen in ihm einen der hervor¬
ragendsten Vertreter ihrer Interessen, wiewohl bedauerlich ist, daß er zu stark
nach dem rothen Käppchen des Cardinal-Erzbischofs hinüberblinzelt.

Das' Bild des verständigen und wackern deutschen Kaufmannes, der für
die Interessen der Industrie einsteht, dabei aber seine Nationalist mit Muth
und Energie vertheidigt, bietet der bekannte Fabrikant Abgeordneter Wolfrnm,
eine behäbige Gestalt mit gntmütkigem Gesichte. Wolfruin ist als Redner des¬
halb sehr schätzenswerth, weil er den flunkernden Tiraden, in denen sich unsere
Czechen gefallen, stets die nüchternen Anschauungen des Kaufmanns entgegen¬
stellt, der nicht auf eine verschollene Vergangenheit zurückgreifen will, sondern
als Weltkind von heute urtheilt.

Auch zwei trafen setzen als Vertreter deutscher Städte auf der Linken:
Edmund Hartig und M. Zedtwitz. Graf Hartig ist einer der eifrigsten Ver¬
theidiger der Februarverfassnng. AIs Vertreter des Großgrundbesitzes legte er
nach dem Sturze Schmerlings und der Inauguration des Sistirungsministcriums
sein Mandat als Abgeordneter des böhmischen Landtages zugleich mit dem
Fürsten Karlos Auersperg nieder, ließ sich aber später von einem deutschen
Städtebezirke wieder wählen. Seine Reden sind nicht besonders hervorragend,
obgleich sie immer staatsmännisches Verständniß und klare Beurtheilung der
Verhältnisse beüinden.

Ein eifriger Wortführer auf deutscher Seite ist nun auch der frühere Finanz-
winisier Pierer, dessen Persönlichkeit wohl hinlänglich bekannt ist und der nnn
als Vertreter der Handelskammer von Eger Gelegenheit nimmt, die Februar-
^ifassnng und nebenbei auch seine eigene Finanzwirthschaft zu vertheidigen.
Welche natürlich den Czechen Handhabe genug zu, persönlichen Angriffen gegen
'du bietet.

Auch manche junge Kraft kündigt sich an und im Ganzen und Großen


ausschufimitgliedern. Dr. Görner. in seinem Aeußeren mit dem sorgfältig ge¬
pflegten Schnurr- und Knebelbarte lebhaft an einen Cavalier am Hofe Lud¬
wig des Vierzehnten mahnend, ist ein recht gewandter Redner »ut eine tüchtige
Arbeitskraft.

Eine sehr schätzenswerthe Acquisition hat die Linke während der letzten
Sessionen an dem Historiker Prof. Höfler gemacht. Dieser hat es sich zur
Aufgabe gestellt, im Landtage die von czeebischer Seite jeden Augenblick pomp¬
haft vorgeführte» historisch-politischen Deductionen auf ihren wahren geschichtlichen
Werth zurückzuführen und besonders die Myihe von der ethischen Wenzels¬
krone aufzuklären. Das Centrum geräih vor Wuth außer sich, wenn Höfler
die Beziehungen Böhmens zu Deutschland erwähnt und Palazky, der die Ge¬
schichtsforschung von Böhmen als sein Monopol betrachtet, ist nicht wenig er¬
bost über den deutschen Historiker, der bei den Czechen dcshglh auch in nicht
geringem Grade verhaßt ist. Die Deutschen besitzen in ihm einen der hervor¬
ragendsten Vertreter ihrer Interessen, wiewohl bedauerlich ist, daß er zu stark
nach dem rothen Käppchen des Cardinal-Erzbischofs hinüberblinzelt.

Das' Bild des verständigen und wackern deutschen Kaufmannes, der für
die Interessen der Industrie einsteht, dabei aber seine Nationalist mit Muth
und Energie vertheidigt, bietet der bekannte Fabrikant Abgeordneter Wolfrnm,
eine behäbige Gestalt mit gntmütkigem Gesichte. Wolfruin ist als Redner des¬
halb sehr schätzenswerth, weil er den flunkernden Tiraden, in denen sich unsere
Czechen gefallen, stets die nüchternen Anschauungen des Kaufmanns entgegen¬
stellt, der nicht auf eine verschollene Vergangenheit zurückgreifen will, sondern
als Weltkind von heute urtheilt.

Auch zwei trafen setzen als Vertreter deutscher Städte auf der Linken:
Edmund Hartig und M. Zedtwitz. Graf Hartig ist einer der eifrigsten Ver¬
theidiger der Februarverfassnng. AIs Vertreter des Großgrundbesitzes legte er
nach dem Sturze Schmerlings und der Inauguration des Sistirungsministcriums
sein Mandat als Abgeordneter des böhmischen Landtages zugleich mit dem
Fürsten Karlos Auersperg nieder, ließ sich aber später von einem deutschen
Städtebezirke wieder wählen. Seine Reden sind nicht besonders hervorragend,
obgleich sie immer staatsmännisches Verständniß und klare Beurtheilung der
Verhältnisse beüinden.

Ein eifriger Wortführer auf deutscher Seite ist nun auch der frühere Finanz-
winisier Pierer, dessen Persönlichkeit wohl hinlänglich bekannt ist und der nnn
als Vertreter der Handelskammer von Eger Gelegenheit nimmt, die Februar-
^ifassnng und nebenbei auch seine eigene Finanzwirthschaft zu vertheidigen.
Welche natürlich den Czechen Handhabe genug zu, persönlichen Angriffen gegen
'du bietet.

Auch manche junge Kraft kündigt sich an und im Ganzen und Großen


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[0443] ausschufimitgliedern. Dr. Görner. in seinem Aeußeren mit dem sorgfältig ge¬ pflegten Schnurr- und Knebelbarte lebhaft an einen Cavalier am Hofe Lud¬ wig des Vierzehnten mahnend, ist ein recht gewandter Redner »ut eine tüchtige Arbeitskraft. Eine sehr schätzenswerthe Acquisition hat die Linke während der letzten Sessionen an dem Historiker Prof. Höfler gemacht. Dieser hat es sich zur Aufgabe gestellt, im Landtage die von czeebischer Seite jeden Augenblick pomp¬ haft vorgeführte» historisch-politischen Deductionen auf ihren wahren geschichtlichen Werth zurückzuführen und besonders die Myihe von der ethischen Wenzels¬ krone aufzuklären. Das Centrum geräih vor Wuth außer sich, wenn Höfler die Beziehungen Böhmens zu Deutschland erwähnt und Palazky, der die Ge¬ schichtsforschung von Böhmen als sein Monopol betrachtet, ist nicht wenig er¬ bost über den deutschen Historiker, der bei den Czechen dcshglh auch in nicht geringem Grade verhaßt ist. Die Deutschen besitzen in ihm einen der hervor¬ ragendsten Vertreter ihrer Interessen, wiewohl bedauerlich ist, daß er zu stark nach dem rothen Käppchen des Cardinal-Erzbischofs hinüberblinzelt. Das' Bild des verständigen und wackern deutschen Kaufmannes, der für die Interessen der Industrie einsteht, dabei aber seine Nationalist mit Muth und Energie vertheidigt, bietet der bekannte Fabrikant Abgeordneter Wolfrnm, eine behäbige Gestalt mit gntmütkigem Gesichte. Wolfruin ist als Redner des¬ halb sehr schätzenswerth, weil er den flunkernden Tiraden, in denen sich unsere Czechen gefallen, stets die nüchternen Anschauungen des Kaufmanns entgegen¬ stellt, der nicht auf eine verschollene Vergangenheit zurückgreifen will, sondern als Weltkind von heute urtheilt. Auch zwei trafen setzen als Vertreter deutscher Städte auf der Linken: Edmund Hartig und M. Zedtwitz. Graf Hartig ist einer der eifrigsten Ver¬ theidiger der Februarverfassnng. AIs Vertreter des Großgrundbesitzes legte er nach dem Sturze Schmerlings und der Inauguration des Sistirungsministcriums sein Mandat als Abgeordneter des böhmischen Landtages zugleich mit dem Fürsten Karlos Auersperg nieder, ließ sich aber später von einem deutschen Städtebezirke wieder wählen. Seine Reden sind nicht besonders hervorragend, obgleich sie immer staatsmännisches Verständniß und klare Beurtheilung der Verhältnisse beüinden. Ein eifriger Wortführer auf deutscher Seite ist nun auch der frühere Finanz- winisier Pierer, dessen Persönlichkeit wohl hinlänglich bekannt ist und der nnn als Vertreter der Handelskammer von Eger Gelegenheit nimmt, die Februar- ^ifassnng und nebenbei auch seine eigene Finanzwirthschaft zu vertheidigen. Welche natürlich den Czechen Handhabe genug zu, persönlichen Angriffen gegen 'du bietet. Auch manche junge Kraft kündigt sich an und im Ganzen und Großen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/443>, abgerufen am 28.09.2024.