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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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anderen Beziehungen zu schweigen, mit der Beobachtung des preußischen Ver¬
trages?

Schon Kasimir der Zweite hat ihn vielfach verletzt, wenn auch noch nicht
gebrochen. Besonders beschwerten sich die Preußen schon damals über Erhebung
Vertragswidriger Weichselzölle. Aber auch Versuche gegen die Selbständigkeit des
Landes wurden unter ihm gemacht und allmälig mit immer verstärkter Gewalt
wiederholt. Es waren vorzugsweise die polnischen Großen, welche das Ziel
planmäßig verfolgten. "Gute Worte, Drohungen, Gründe, dieses und noch
mehres," sagt Lengenich, "ward zur Erreichung des Zweckes angebracht: dem
die preußischen Stände die aufgerichteten Verträge, das alte Herkommen, die
beständige Gewohnheit, die geleisteten Eide und die ansgedungenen Vorrechte
entgegensetzten. Die Könige unterstützten zuweilen das Begehren der Reichs-
stände, zuweilen erklärten sie sich für die Preußen; indem sie diesen wegen Fest¬
haltung der Privilegien neue Versicherungen gaben, auch selbige bei Gelegenheit
mit einem Eide bestätigten. Sigismuudus der Erste machte sich anno 1310
denen polnischen Ständen anheischig. Fleiß anzuwenden, daß Preußen mit der
Krone auf eine genauere Art vereinigt würde, und beide Lande einerlei Bürden
tragen, auch sich einerlei Münze bedienen möchten: wiewol Hochgedachter König
außer dem Artikel von der Münze, das übrige in dem alten Stande gelassen,
die Erfüllung aber seines Versprechens dem Herrn Sohn aufgetragen und Ihn
dazu gleichsam verbindlich machen wollen." "Dieses war die Ursache, daß die
Polen unter der Regierung Sigismundi Augusti mehr als jemals auf die Be¬
werkstelligung der neuen Vereinigung drangen." "Man forderte die Stände
häusig auf die Reichstage; man setzte dem ermländischen Bisthum, mit dem zu¬
gleich das Landcspräsidium verknüpft ist, einen geborenen Polen vor, man suchte
die vornehmsten adeligen Familien durch die Execution eines gewissen Ltirwti
Königs Alexandri arm und die ansehnlichsten Städte durch ungewöhnliche Ovin-
wissiortös kleinmüthig zu machen." Als das alles nicht half, faßte man einen
anderen Plan. Weil die Preußen sich beständig auf ihre "Privilegien" beriefen,
worunter sie ihren Vertrag verstanden, so kam man polnischerseits auf den
schlauen Gedanken, sich hinter dieses Wort'zu verstecken und durch dessen Deu¬
tung den Schein des Rechts zur Beseitigung des Vertrages zu gewinnen. Man
that so, als wären diese sogenannten "Privilegien" nichts Anderes als solche,
welche der König einzelnen Privatpersonen oder Gemeinden ertheilte und über
deren Bedeutung im Falle von Streitigkeiten der König nach den Reichsgesetzen
die alleinige Entscheidung hatte. Um dem Könige Gelegenheit zu geben, von
diesem Rechte Gebrauch zu machen, singen die polnischen Senatoren und Stände
Streitigkeiten mit den Preußen über den Sinn der Privilegien an. Allein "die
Preußen merkten die schädlichen Absichten der Reichsstände, deswegen sie sorg¬
fältigst verhütet, sich mit ihnen wegen der Privilegien und deren Erklärung el"-


anderen Beziehungen zu schweigen, mit der Beobachtung des preußischen Ver¬
trages?

Schon Kasimir der Zweite hat ihn vielfach verletzt, wenn auch noch nicht
gebrochen. Besonders beschwerten sich die Preußen schon damals über Erhebung
Vertragswidriger Weichselzölle. Aber auch Versuche gegen die Selbständigkeit des
Landes wurden unter ihm gemacht und allmälig mit immer verstärkter Gewalt
wiederholt. Es waren vorzugsweise die polnischen Großen, welche das Ziel
planmäßig verfolgten. „Gute Worte, Drohungen, Gründe, dieses und noch
mehres," sagt Lengenich, „ward zur Erreichung des Zweckes angebracht: dem
die preußischen Stände die aufgerichteten Verträge, das alte Herkommen, die
beständige Gewohnheit, die geleisteten Eide und die ansgedungenen Vorrechte
entgegensetzten. Die Könige unterstützten zuweilen das Begehren der Reichs-
stände, zuweilen erklärten sie sich für die Preußen; indem sie diesen wegen Fest¬
haltung der Privilegien neue Versicherungen gaben, auch selbige bei Gelegenheit
mit einem Eide bestätigten. Sigismuudus der Erste machte sich anno 1310
denen polnischen Ständen anheischig. Fleiß anzuwenden, daß Preußen mit der
Krone auf eine genauere Art vereinigt würde, und beide Lande einerlei Bürden
tragen, auch sich einerlei Münze bedienen möchten: wiewol Hochgedachter König
außer dem Artikel von der Münze, das übrige in dem alten Stande gelassen,
die Erfüllung aber seines Versprechens dem Herrn Sohn aufgetragen und Ihn
dazu gleichsam verbindlich machen wollen." „Dieses war die Ursache, daß die
Polen unter der Regierung Sigismundi Augusti mehr als jemals auf die Be¬
werkstelligung der neuen Vereinigung drangen." „Man forderte die Stände
häusig auf die Reichstage; man setzte dem ermländischen Bisthum, mit dem zu¬
gleich das Landcspräsidium verknüpft ist, einen geborenen Polen vor, man suchte
die vornehmsten adeligen Familien durch die Execution eines gewissen Ltirwti
Königs Alexandri arm und die ansehnlichsten Städte durch ungewöhnliche Ovin-
wissiortös kleinmüthig zu machen." Als das alles nicht half, faßte man einen
anderen Plan. Weil die Preußen sich beständig auf ihre „Privilegien" beriefen,
worunter sie ihren Vertrag verstanden, so kam man polnischerseits auf den
schlauen Gedanken, sich hinter dieses Wort'zu verstecken und durch dessen Deu¬
tung den Schein des Rechts zur Beseitigung des Vertrages zu gewinnen. Man
that so, als wären diese sogenannten „Privilegien" nichts Anderes als solche,
welche der König einzelnen Privatpersonen oder Gemeinden ertheilte und über
deren Bedeutung im Falle von Streitigkeiten der König nach den Reichsgesetzen
die alleinige Entscheidung hatte. Um dem Könige Gelegenheit zu geben, von
diesem Rechte Gebrauch zu machen, singen die polnischen Senatoren und Stände
Streitigkeiten mit den Preußen über den Sinn der Privilegien an. Allein „die
Preußen merkten die schädlichen Absichten der Reichsstände, deswegen sie sorg¬
fältigst verhütet, sich mit ihnen wegen der Privilegien und deren Erklärung el»-


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[0427] anderen Beziehungen zu schweigen, mit der Beobachtung des preußischen Ver¬ trages? Schon Kasimir der Zweite hat ihn vielfach verletzt, wenn auch noch nicht gebrochen. Besonders beschwerten sich die Preußen schon damals über Erhebung Vertragswidriger Weichselzölle. Aber auch Versuche gegen die Selbständigkeit des Landes wurden unter ihm gemacht und allmälig mit immer verstärkter Gewalt wiederholt. Es waren vorzugsweise die polnischen Großen, welche das Ziel planmäßig verfolgten. „Gute Worte, Drohungen, Gründe, dieses und noch mehres," sagt Lengenich, „ward zur Erreichung des Zweckes angebracht: dem die preußischen Stände die aufgerichteten Verträge, das alte Herkommen, die beständige Gewohnheit, die geleisteten Eide und die ansgedungenen Vorrechte entgegensetzten. Die Könige unterstützten zuweilen das Begehren der Reichs- stände, zuweilen erklärten sie sich für die Preußen; indem sie diesen wegen Fest¬ haltung der Privilegien neue Versicherungen gaben, auch selbige bei Gelegenheit mit einem Eide bestätigten. Sigismuudus der Erste machte sich anno 1310 denen polnischen Ständen anheischig. Fleiß anzuwenden, daß Preußen mit der Krone auf eine genauere Art vereinigt würde, und beide Lande einerlei Bürden tragen, auch sich einerlei Münze bedienen möchten: wiewol Hochgedachter König außer dem Artikel von der Münze, das übrige in dem alten Stande gelassen, die Erfüllung aber seines Versprechens dem Herrn Sohn aufgetragen und Ihn dazu gleichsam verbindlich machen wollen." „Dieses war die Ursache, daß die Polen unter der Regierung Sigismundi Augusti mehr als jemals auf die Be¬ werkstelligung der neuen Vereinigung drangen." „Man forderte die Stände häusig auf die Reichstage; man setzte dem ermländischen Bisthum, mit dem zu¬ gleich das Landcspräsidium verknüpft ist, einen geborenen Polen vor, man suchte die vornehmsten adeligen Familien durch die Execution eines gewissen Ltirwti Königs Alexandri arm und die ansehnlichsten Städte durch ungewöhnliche Ovin- wissiortös kleinmüthig zu machen." Als das alles nicht half, faßte man einen anderen Plan. Weil die Preußen sich beständig auf ihre „Privilegien" beriefen, worunter sie ihren Vertrag verstanden, so kam man polnischerseits auf den schlauen Gedanken, sich hinter dieses Wort'zu verstecken und durch dessen Deu¬ tung den Schein des Rechts zur Beseitigung des Vertrages zu gewinnen. Man that so, als wären diese sogenannten „Privilegien" nichts Anderes als solche, welche der König einzelnen Privatpersonen oder Gemeinden ertheilte und über deren Bedeutung im Falle von Streitigkeiten der König nach den Reichsgesetzen die alleinige Entscheidung hatte. Um dem Könige Gelegenheit zu geben, von diesem Rechte Gebrauch zu machen, singen die polnischen Senatoren und Stände Streitigkeiten mit den Preußen über den Sinn der Privilegien an. Allein „die Preußen merkten die schädlichen Absichten der Reichsstände, deswegen sie sorg¬ fältigst verhütet, sich mit ihnen wegen der Privilegien und deren Erklärung el»-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/427>, abgerufen am 22.12.2024.