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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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der Lahn gelegenen Theile der Gemarkung mit Vieh und Wagen gelangen zu
können. Es war kein Zweifel, daß die Gemeinde Anspruch auf Berücksichtigung
hatte, und es wurde Seitens der Regierung die Localverwallungsbehörde, das
herzogliche Amt zu Limburg, mit den einschlagenden Verhandlungen beauftragt.
Der Amtmann, der damals dort statthaltcrte, war nicht mehr jung, hatte sich
in die Gewohnheit einer maschinenmäßiger Arbeit eingelebt und konnte nicht
mehr heraus. Sollte von ihm eine Entscheidung ausgehen oder eine Auskunft
eingeholt werden, so setzte er sich mit der Fachbehörde oder mit seinen Unter¬
gebenen der Gemeindebeamten in Schriftwechsel/ und aus den einlaufenden
Schreiben und Berichten constmirte er sich seine Ansicht und sein Wissen. So
leicht wurde es ihm aber hier nicht. Er hatte Auftrag, zu vermitteln zwischen
der Wasserbaubehörde, die das Interesse der Schiffbarmachung der Lahn vertrat,
und der Gemeindebehörde, die das Interesse ihrer bäuerlichen Genossen verfocht;
er konnte daher weder den Wasserbaumeister ersuchen, ihm seine Ansichten von
der Sache mitzutheilen, noch den Bürgermeister von Staffel zum Bericht auf¬
fordern. Darum blieb die Sache liegen und so oft sie von der einen Seite
angeregt wurde, siel die Verhandlung wegen des Widerspruchs des andern Jnter-
essenten. Nach verschiedenen Monitorien und endlich dringenden Befehlen mußte
der Amtmann aber doch vorschreiten. Ohne Bericht und ohne Acten überhaupt
ließ sich jedoch nichts machen, und darum schrieb er in Ermangelung andeter
sachkundiger Personen officiell an den Pfarrer des Orts, um von diesem die
nöthige Information zu beziehen. Der Pfarrer scheint seine Thätigkeit in nütz¬
licher Richtung verwerthet zu haben, denn die Lahnvertiefung kam zu Stande
und die Gemeinde erhielt statt der Furth eine auf Staatskosten zu unterhaltende
Fähre.

Nicht immer mag es so gut gegangen sciti, Vieles ist unterblieben, weil der
Mann nicht zu finden war, der entschieden nach reiflicher Prüfung auf einem
Plane beharrte; mit dem Vonsichschieben hatte man die kleinste Arbeit und Ver¬
antwortlichkeit.

Die Lahn ist nunmehr bis auf ein kleines Stückchen im Großherzogthum
Hessen, das aber mit der Provinz Oberhessen auch zum norddeutschen Bunde
gehört, ein preußischer Fluß. Man wird nicht vergessen, demselben die einmal
nach langen harten Geduldsproben erzielte Schissbarkeit zu erhalten, und die
dem freien Verkehr huldigenden Gesetze des preußischen Staates, vor allem das
alle Hemmnisse feudaler Institutionen und siscalischer Bedrückung ausschließende
Bergrecht, werden die Production der Mineralien im Lahnthale in ungeahntem
Maße heben, und es wird die Zeit kommen, wo Eisenbahn und Schiffahrt ein¬
ander ergänzend dieMichthümer auch nassauischer Erde auf den Weltmarkt fördern.

So unfähig dieser rheinische Kleinstaat war, wirkliche Politik zu treiben,
ebenso unhaltbar war die Meinung, er könne statt dessen in der Verwaltung


Grenzboten I, 1867. S3

der Lahn gelegenen Theile der Gemarkung mit Vieh und Wagen gelangen zu
können. Es war kein Zweifel, daß die Gemeinde Anspruch auf Berücksichtigung
hatte, und es wurde Seitens der Regierung die Localverwallungsbehörde, das
herzogliche Amt zu Limburg, mit den einschlagenden Verhandlungen beauftragt.
Der Amtmann, der damals dort statthaltcrte, war nicht mehr jung, hatte sich
in die Gewohnheit einer maschinenmäßiger Arbeit eingelebt und konnte nicht
mehr heraus. Sollte von ihm eine Entscheidung ausgehen oder eine Auskunft
eingeholt werden, so setzte er sich mit der Fachbehörde oder mit seinen Unter¬
gebenen der Gemeindebeamten in Schriftwechsel/ und aus den einlaufenden
Schreiben und Berichten constmirte er sich seine Ansicht und sein Wissen. So
leicht wurde es ihm aber hier nicht. Er hatte Auftrag, zu vermitteln zwischen
der Wasserbaubehörde, die das Interesse der Schiffbarmachung der Lahn vertrat,
und der Gemeindebehörde, die das Interesse ihrer bäuerlichen Genossen verfocht;
er konnte daher weder den Wasserbaumeister ersuchen, ihm seine Ansichten von
der Sache mitzutheilen, noch den Bürgermeister von Staffel zum Bericht auf¬
fordern. Darum blieb die Sache liegen und so oft sie von der einen Seite
angeregt wurde, siel die Verhandlung wegen des Widerspruchs des andern Jnter-
essenten. Nach verschiedenen Monitorien und endlich dringenden Befehlen mußte
der Amtmann aber doch vorschreiten. Ohne Bericht und ohne Acten überhaupt
ließ sich jedoch nichts machen, und darum schrieb er in Ermangelung andeter
sachkundiger Personen officiell an den Pfarrer des Orts, um von diesem die
nöthige Information zu beziehen. Der Pfarrer scheint seine Thätigkeit in nütz¬
licher Richtung verwerthet zu haben, denn die Lahnvertiefung kam zu Stande
und die Gemeinde erhielt statt der Furth eine auf Staatskosten zu unterhaltende
Fähre.

Nicht immer mag es so gut gegangen sciti, Vieles ist unterblieben, weil der
Mann nicht zu finden war, der entschieden nach reiflicher Prüfung auf einem
Plane beharrte; mit dem Vonsichschieben hatte man die kleinste Arbeit und Ver¬
antwortlichkeit.

Die Lahn ist nunmehr bis auf ein kleines Stückchen im Großherzogthum
Hessen, das aber mit der Provinz Oberhessen auch zum norddeutschen Bunde
gehört, ein preußischer Fluß. Man wird nicht vergessen, demselben die einmal
nach langen harten Geduldsproben erzielte Schissbarkeit zu erhalten, und die
dem freien Verkehr huldigenden Gesetze des preußischen Staates, vor allem das
alle Hemmnisse feudaler Institutionen und siscalischer Bedrückung ausschließende
Bergrecht, werden die Production der Mineralien im Lahnthale in ungeahntem
Maße heben, und es wird die Zeit kommen, wo Eisenbahn und Schiffahrt ein¬
ander ergänzend dieMichthümer auch nassauischer Erde auf den Weltmarkt fördern.

So unfähig dieser rheinische Kleinstaat war, wirkliche Politik zu treiben,
ebenso unhaltbar war die Meinung, er könne statt dessen in der Verwaltung


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[0423] der Lahn gelegenen Theile der Gemarkung mit Vieh und Wagen gelangen zu können. Es war kein Zweifel, daß die Gemeinde Anspruch auf Berücksichtigung hatte, und es wurde Seitens der Regierung die Localverwallungsbehörde, das herzogliche Amt zu Limburg, mit den einschlagenden Verhandlungen beauftragt. Der Amtmann, der damals dort statthaltcrte, war nicht mehr jung, hatte sich in die Gewohnheit einer maschinenmäßiger Arbeit eingelebt und konnte nicht mehr heraus. Sollte von ihm eine Entscheidung ausgehen oder eine Auskunft eingeholt werden, so setzte er sich mit der Fachbehörde oder mit seinen Unter¬ gebenen der Gemeindebeamten in Schriftwechsel/ und aus den einlaufenden Schreiben und Berichten constmirte er sich seine Ansicht und sein Wissen. So leicht wurde es ihm aber hier nicht. Er hatte Auftrag, zu vermitteln zwischen der Wasserbaubehörde, die das Interesse der Schiffbarmachung der Lahn vertrat, und der Gemeindebehörde, die das Interesse ihrer bäuerlichen Genossen verfocht; er konnte daher weder den Wasserbaumeister ersuchen, ihm seine Ansichten von der Sache mitzutheilen, noch den Bürgermeister von Staffel zum Bericht auf¬ fordern. Darum blieb die Sache liegen und so oft sie von der einen Seite angeregt wurde, siel die Verhandlung wegen des Widerspruchs des andern Jnter- essenten. Nach verschiedenen Monitorien und endlich dringenden Befehlen mußte der Amtmann aber doch vorschreiten. Ohne Bericht und ohne Acten überhaupt ließ sich jedoch nichts machen, und darum schrieb er in Ermangelung andeter sachkundiger Personen officiell an den Pfarrer des Orts, um von diesem die nöthige Information zu beziehen. Der Pfarrer scheint seine Thätigkeit in nütz¬ licher Richtung verwerthet zu haben, denn die Lahnvertiefung kam zu Stande und die Gemeinde erhielt statt der Furth eine auf Staatskosten zu unterhaltende Fähre. Nicht immer mag es so gut gegangen sciti, Vieles ist unterblieben, weil der Mann nicht zu finden war, der entschieden nach reiflicher Prüfung auf einem Plane beharrte; mit dem Vonsichschieben hatte man die kleinste Arbeit und Ver¬ antwortlichkeit. Die Lahn ist nunmehr bis auf ein kleines Stückchen im Großherzogthum Hessen, das aber mit der Provinz Oberhessen auch zum norddeutschen Bunde gehört, ein preußischer Fluß. Man wird nicht vergessen, demselben die einmal nach langen harten Geduldsproben erzielte Schissbarkeit zu erhalten, und die dem freien Verkehr huldigenden Gesetze des preußischen Staates, vor allem das alle Hemmnisse feudaler Institutionen und siscalischer Bedrückung ausschließende Bergrecht, werden die Production der Mineralien im Lahnthale in ungeahntem Maße heben, und es wird die Zeit kommen, wo Eisenbahn und Schiffahrt ein¬ ander ergänzend dieMichthümer auch nassauischer Erde auf den Weltmarkt fördern. So unfähig dieser rheinische Kleinstaat war, wirkliche Politik zu treiben, ebenso unhaltbar war die Meinung, er könne statt dessen in der Verwaltung Grenzboten I, 1867. S3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/423>, abgerufen am 26.09.2024.