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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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ihre Einwilligung gegeben, es blieb eben nach allen Mißgriffen der Negierung
nichts Anderes übrig. Außerdem hatte man ja scho" ein Stückchen auf Staats¬
kosten probeweise versucht und die Techniker des Regierungscollegiums hatten
einen College" gefunden, der auch Eisenbahnen bauen konnte. Das war aber
leider der Meister der limburger Lahnschleuse, die zu eng war, um das Erfor¬
derliche zu leisten. So ist denn auch die Eisenbahnstreckc längs der Lahn von
Oberlahnstein bis Ems ebenso oder ähnlich geworden und die Pläne zum
Weiterbau versprechen ein vollständig übereinstimmendes Resultat. Techniker
haben später unverhohlen zugestanden, daß einzelne im Plane bereits fest¬
gestellte Strecken mit Locomotiven absolut nicht zu befahren gewesen sein
würden.

Man mußte nun bei den Ständen die Bewilligung der erforderlichen Geld¬
mittel beantragen, und da mochte man sich wohl gescheut habe", ohne feste Pläne
und ohne Kosteuübcrschlag hervorzutreten, man hatte auch bereits Stimmen
vernommen über das Werk des berühmten Wasser-, Straßen- und Eisenbahn-
baumcisters, kurz man war einmal gezwungen, aus dem nassauischcn Schlen¬
drian hervorzutreten. Das nöthigte zum Engagement eine" Technikers, der be¬
reits tüchtige Proben abgelegt; er war Landeskind von Geburt, aber nicht
geläutert und erprobt in den Staatsprüfungen der Negierungsweisen, sondern
in der praktischen Schule des ersten deutschen Eisenbahntechnikcrs, des Ober¬
ingenieurs Denis, zuletzt in München. Nun ging es einmal wirklich rasch mit
dem Bau, die Nheiubahn wurde vollendet, die von dem Regiernugsbaumeister
zum Glück für das Land nicht weiter als von Lahnstein nach Nassau angelegte
Lahnbahn wurde ausgebaut und im Wesentlichen alles bis zum Jahre 1862
zu Ende geführt. Durch Staatsvertrag vom 8. Februar 1860 hatten sich die
herzoglich nassauische und königl. preuß. Regierung endlich über Fortführung
der Bahn von Obcrlahnstcin nach Koblenz geeinigt und gleichzeitig die Con¬
cessionen zum Bau der Bahn von Köln nach Gießen und von der nassauischen
Landesgrenze bis nach Wehlar gegeben. Damit war dieser Eisenbahnkricg er¬
ledigt, Nassau aber erhielt seine Eisenbahne" dadurch später und statt des di-
recten Wegs nach Köln einen Anschluß an Koblenz und statt des Baues durch
eine Privatgesellschaft gegen eine etwaige geringe Zinsgarantic eine Staats¬
bahn, die nicht viel mehr rentirte als die Hälfte des zur Verzinsung der Eisen¬
bahnschuld nöthigen Bedarfs.

Nun concurrirte längs der ganzen Lahn die Eisenbahn mit der Schiffahrt.
Die Eisenbahnvcrwaltung feste ihre Tarife niedrig, die Schiffer folgten, die
Direction ging weiter, die Schiffer mußten nach, und während so auf der
einen Seite der Staat als Eigenthümer und Verwalter der Staatsbahn den
Schiffern die Frachtsätze herabdrückte, belästigte er sie auch noch durch Schifs-
scchrtsabgaben; die Lahnschissahrt war bald beschränkt auf den Transport von


ihre Einwilligung gegeben, es blieb eben nach allen Mißgriffen der Negierung
nichts Anderes übrig. Außerdem hatte man ja scho» ein Stückchen auf Staats¬
kosten probeweise versucht und die Techniker des Regierungscollegiums hatten
einen College« gefunden, der auch Eisenbahnen bauen konnte. Das war aber
leider der Meister der limburger Lahnschleuse, die zu eng war, um das Erfor¬
derliche zu leisten. So ist denn auch die Eisenbahnstreckc längs der Lahn von
Oberlahnstein bis Ems ebenso oder ähnlich geworden und die Pläne zum
Weiterbau versprechen ein vollständig übereinstimmendes Resultat. Techniker
haben später unverhohlen zugestanden, daß einzelne im Plane bereits fest¬
gestellte Strecken mit Locomotiven absolut nicht zu befahren gewesen sein
würden.

Man mußte nun bei den Ständen die Bewilligung der erforderlichen Geld¬
mittel beantragen, und da mochte man sich wohl gescheut habe», ohne feste Pläne
und ohne Kosteuübcrschlag hervorzutreten, man hatte auch bereits Stimmen
vernommen über das Werk des berühmten Wasser-, Straßen- und Eisenbahn-
baumcisters, kurz man war einmal gezwungen, aus dem nassauischcn Schlen¬
drian hervorzutreten. Das nöthigte zum Engagement eine« Technikers, der be¬
reits tüchtige Proben abgelegt; er war Landeskind von Geburt, aber nicht
geläutert und erprobt in den Staatsprüfungen der Negierungsweisen, sondern
in der praktischen Schule des ersten deutschen Eisenbahntechnikcrs, des Ober¬
ingenieurs Denis, zuletzt in München. Nun ging es einmal wirklich rasch mit
dem Bau, die Nheiubahn wurde vollendet, die von dem Regiernugsbaumeister
zum Glück für das Land nicht weiter als von Lahnstein nach Nassau angelegte
Lahnbahn wurde ausgebaut und im Wesentlichen alles bis zum Jahre 1862
zu Ende geführt. Durch Staatsvertrag vom 8. Februar 1860 hatten sich die
herzoglich nassauische und königl. preuß. Regierung endlich über Fortführung
der Bahn von Obcrlahnstcin nach Koblenz geeinigt und gleichzeitig die Con¬
cessionen zum Bau der Bahn von Köln nach Gießen und von der nassauischen
Landesgrenze bis nach Wehlar gegeben. Damit war dieser Eisenbahnkricg er¬
ledigt, Nassau aber erhielt seine Eisenbahne» dadurch später und statt des di-
recten Wegs nach Köln einen Anschluß an Koblenz und statt des Baues durch
eine Privatgesellschaft gegen eine etwaige geringe Zinsgarantic eine Staats¬
bahn, die nicht viel mehr rentirte als die Hälfte des zur Verzinsung der Eisen¬
bahnschuld nöthigen Bedarfs.

Nun concurrirte längs der ganzen Lahn die Eisenbahn mit der Schiffahrt.
Die Eisenbahnvcrwaltung feste ihre Tarife niedrig, die Schiffer folgten, die
Direction ging weiter, die Schiffer mußten nach, und während so auf der
einen Seite der Staat als Eigenthümer und Verwalter der Staatsbahn den
Schiffern die Frachtsätze herabdrückte, belästigte er sie auch noch durch Schifs-
scchrtsabgaben; die Lahnschissahrt war bald beschränkt auf den Transport von


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[0421] ihre Einwilligung gegeben, es blieb eben nach allen Mißgriffen der Negierung nichts Anderes übrig. Außerdem hatte man ja scho» ein Stückchen auf Staats¬ kosten probeweise versucht und die Techniker des Regierungscollegiums hatten einen College« gefunden, der auch Eisenbahnen bauen konnte. Das war aber leider der Meister der limburger Lahnschleuse, die zu eng war, um das Erfor¬ derliche zu leisten. So ist denn auch die Eisenbahnstreckc längs der Lahn von Oberlahnstein bis Ems ebenso oder ähnlich geworden und die Pläne zum Weiterbau versprechen ein vollständig übereinstimmendes Resultat. Techniker haben später unverhohlen zugestanden, daß einzelne im Plane bereits fest¬ gestellte Strecken mit Locomotiven absolut nicht zu befahren gewesen sein würden. Man mußte nun bei den Ständen die Bewilligung der erforderlichen Geld¬ mittel beantragen, und da mochte man sich wohl gescheut habe», ohne feste Pläne und ohne Kosteuübcrschlag hervorzutreten, man hatte auch bereits Stimmen vernommen über das Werk des berühmten Wasser-, Straßen- und Eisenbahn- baumcisters, kurz man war einmal gezwungen, aus dem nassauischcn Schlen¬ drian hervorzutreten. Das nöthigte zum Engagement eine« Technikers, der be¬ reits tüchtige Proben abgelegt; er war Landeskind von Geburt, aber nicht geläutert und erprobt in den Staatsprüfungen der Negierungsweisen, sondern in der praktischen Schule des ersten deutschen Eisenbahntechnikcrs, des Ober¬ ingenieurs Denis, zuletzt in München. Nun ging es einmal wirklich rasch mit dem Bau, die Nheiubahn wurde vollendet, die von dem Regiernugsbaumeister zum Glück für das Land nicht weiter als von Lahnstein nach Nassau angelegte Lahnbahn wurde ausgebaut und im Wesentlichen alles bis zum Jahre 1862 zu Ende geführt. Durch Staatsvertrag vom 8. Februar 1860 hatten sich die herzoglich nassauische und königl. preuß. Regierung endlich über Fortführung der Bahn von Obcrlahnstcin nach Koblenz geeinigt und gleichzeitig die Con¬ cessionen zum Bau der Bahn von Köln nach Gießen und von der nassauischen Landesgrenze bis nach Wehlar gegeben. Damit war dieser Eisenbahnkricg er¬ ledigt, Nassau aber erhielt seine Eisenbahne» dadurch später und statt des di- recten Wegs nach Köln einen Anschluß an Koblenz und statt des Baues durch eine Privatgesellschaft gegen eine etwaige geringe Zinsgarantic eine Staats¬ bahn, die nicht viel mehr rentirte als die Hälfte des zur Verzinsung der Eisen¬ bahnschuld nöthigen Bedarfs. Nun concurrirte längs der ganzen Lahn die Eisenbahn mit der Schiffahrt. Die Eisenbahnvcrwaltung feste ihre Tarife niedrig, die Schiffer folgten, die Direction ging weiter, die Schiffer mußten nach, und während so auf der einen Seite der Staat als Eigenthümer und Verwalter der Staatsbahn den Schiffern die Frachtsätze herabdrückte, belästigte er sie auch noch durch Schifs- scchrtsabgaben; die Lahnschissahrt war bald beschränkt auf den Transport von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/421>, abgerufen am 22.12.2024.