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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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daß das Capital wirthschaftlich sich nicht vollständig verzinse, so lange nicht die
ganze Wasserstraße gleichzeitig zu benutzen war und so ging es zehn volle Jahre.
Jedes Jahr hat der angestellte Wasserbaumeister ein Stückchen gemacht und die
Negierung hatte keine anderen Gründe zu drängen als den, daß sie nach Ueber-
einkunft mit Preußen stets nur auf den fertigen Strecken Zoll erheben dürfe,
und so klagte sie noch in der 1853er Session des Landtages, der allerdings nach
einem oetroyirten Wahlgesetze mit allen möglichen Hemmungen gewählt worden
war, daß sie jetzt erst 1"/z,2 Kreuzer pro Centner Heden dürfe, während, wenn
die ganze Strecke ausgebaut wäre, ihr ein Zoll von 2,4573 Kreuzer pro Centner
erlaubt sei. und die getreuen Stände klagten deshalb mit, und es ist nur ein
Einziger gewesen, Abgeordneter Dr. Karl Braun, der auch einen andern Ge¬
sichtspunkt hatte: "noch mehr liege die Schiffbarmachung der Lahn in dem
Interesse der Landeseinwohner".

Erst im Jahre 1857 forderte die Regierung die Bewilligung eines Credits,
um die angefangenen Arbeiten rasch zu Ende führen zu können und moiivirte
diese Anforderung, wie aus dem Berichte der Finanzcommission des Landtags
hervorgeht, mit den Worten: "die Absicht ist, sobald als möglich in den vollen
Bezug der Lahnschiffahrtsabgaben zu gelangen".

Die Stände genehmigten die Regierungsvorlagen, nicht ohne allerlei Aus¬
stellungen, die aber nur Details der Ausführung betrafen und an das
bereits bestehende Project des Baues einer Lahneisenbahn anknüpften. Aus¬
stellungen gegen die Art und Weise der Bauten und Beschwerden über Ver¬
letzungen Einzelner und ganzer Gemeinden, oft nur über die angebliche Nicht-
berücksichtigung derselben waren in den Kammern der Kleinstaaten überall, aber
besonders in Nassau an der Tagesordnung. Waren doch in den kleinen Wahl¬
bezirken (Aemtern) von 12--20,000 Einwohnern häusig die Chancen der Kan¬
didaten davon abhängig, welches Wcgprvject der eine oder der andere zur
Sprache gebracht hatte oder noch zu bringen versprach. Bei der Regulirung
der Bahn kamen öfters Anlagen zur Sprache, die allerdings für die Interessenten
von großer Wichtigkeit waren, die aber von einer einsichtsvollen Bauverwaltung
und Regierung vor allem mußten berücksichtigt werden. Es hat aber fast
überall nach Erschöpfung aller Instanzen der Beschwerde an die Stände, be¬
durft, um die Ansprüche gegen die Negierung durchzusetzen. Beispielsweise
hatten viele Gemeinden, die an der Lahn liegen, nutzbares Gemeinde- oder
Privatland auf der anderen Seite des Flusses. Zu dessen Bau und Nutzung
waren vielfach ungefährliche Durchfahrten hergestellt und seit unvordenklicher
Zeit benutzt worden. Eine Austiefung des Bettes zerstörte diese Fürther, und
der Staat war wohl verpflichtet für eine andere Anstalt des Trajcctes zu sor¬
gen. In dieser Richtung plaidirte jedes Mitglied der Stände für seinen Wahl¬
bezirk oder seinen Wohnort.


daß das Capital wirthschaftlich sich nicht vollständig verzinse, so lange nicht die
ganze Wasserstraße gleichzeitig zu benutzen war und so ging es zehn volle Jahre.
Jedes Jahr hat der angestellte Wasserbaumeister ein Stückchen gemacht und die
Negierung hatte keine anderen Gründe zu drängen als den, daß sie nach Ueber-
einkunft mit Preußen stets nur auf den fertigen Strecken Zoll erheben dürfe,
und so klagte sie noch in der 1853er Session des Landtages, der allerdings nach
einem oetroyirten Wahlgesetze mit allen möglichen Hemmungen gewählt worden
war, daß sie jetzt erst 1"/z,2 Kreuzer pro Centner Heden dürfe, während, wenn
die ganze Strecke ausgebaut wäre, ihr ein Zoll von 2,4573 Kreuzer pro Centner
erlaubt sei. und die getreuen Stände klagten deshalb mit, und es ist nur ein
Einziger gewesen, Abgeordneter Dr. Karl Braun, der auch einen andern Ge¬
sichtspunkt hatte: „noch mehr liege die Schiffbarmachung der Lahn in dem
Interesse der Landeseinwohner".

Erst im Jahre 1857 forderte die Regierung die Bewilligung eines Credits,
um die angefangenen Arbeiten rasch zu Ende führen zu können und moiivirte
diese Anforderung, wie aus dem Berichte der Finanzcommission des Landtags
hervorgeht, mit den Worten: „die Absicht ist, sobald als möglich in den vollen
Bezug der Lahnschiffahrtsabgaben zu gelangen".

Die Stände genehmigten die Regierungsvorlagen, nicht ohne allerlei Aus¬
stellungen, die aber nur Details der Ausführung betrafen und an das
bereits bestehende Project des Baues einer Lahneisenbahn anknüpften. Aus¬
stellungen gegen die Art und Weise der Bauten und Beschwerden über Ver¬
letzungen Einzelner und ganzer Gemeinden, oft nur über die angebliche Nicht-
berücksichtigung derselben waren in den Kammern der Kleinstaaten überall, aber
besonders in Nassau an der Tagesordnung. Waren doch in den kleinen Wahl¬
bezirken (Aemtern) von 12—20,000 Einwohnern häusig die Chancen der Kan¬
didaten davon abhängig, welches Wcgprvject der eine oder der andere zur
Sprache gebracht hatte oder noch zu bringen versprach. Bei der Regulirung
der Bahn kamen öfters Anlagen zur Sprache, die allerdings für die Interessenten
von großer Wichtigkeit waren, die aber von einer einsichtsvollen Bauverwaltung
und Regierung vor allem mußten berücksichtigt werden. Es hat aber fast
überall nach Erschöpfung aller Instanzen der Beschwerde an die Stände, be¬
durft, um die Ansprüche gegen die Negierung durchzusetzen. Beispielsweise
hatten viele Gemeinden, die an der Lahn liegen, nutzbares Gemeinde- oder
Privatland auf der anderen Seite des Flusses. Zu dessen Bau und Nutzung
waren vielfach ungefährliche Durchfahrten hergestellt und seit unvordenklicher
Zeit benutzt worden. Eine Austiefung des Bettes zerstörte diese Fürther, und
der Staat war wohl verpflichtet für eine andere Anstalt des Trajcctes zu sor¬
gen. In dieser Richtung plaidirte jedes Mitglied der Stände für seinen Wahl¬
bezirk oder seinen Wohnort.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/418>, abgerufen am 22.12.2024.