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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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und Hausministers v. Marsch.it> ein ackerbautreibendes Land und konnte nicht
Anspruch machen auf Besserung der Verl'chrsanstalten. Man baute Landstraßen
über öde Berge, um die hungernde Bevölkerung zu beschäftigen oder um den
armen Dörfern Gelegenheit zu geben, aus der Leistung von Vvrspanndienstcn
etwas zu verdienen, was ihnen entgangen wäre, wenn man durch die Thäler
gebaut hätte; auf dem Rhein und Main hob man hohe Zölle und ließ die
Flüsse versanden.

. Doch auch hier kamen Zeiten, wo wenigstens vernünftige Entschlüsse gefaßt
wurden, wenngleich vernünftige Ausführungen immer erst nach einigen Proben
gelingen wollten. Im Jahre 1838 hat man angefangen bei Limburg ungefähr
in der Mitte der nassauischcn Lahnstrecke eine Schleuse zu bauen, um zwei hohe
Wehre zu umgehen, die oberhalb und unterhalb des Städtchens die Gewässer
zum Betriebe größerer Mühlen stauten. Das Schlcuseuwerk gelang auch in
soweit, daß kleine Schiffe die Fahrt bei günstigem Wasserstande aus den Eisen-
steinrevicrcn zwischen Weilburg und Rund'el nach Oberlahnstein und vies versa,
machen konnten, als aber die Vortheile der directen Fahrt el" Nachen be¬
nutzen wollte, der sonst nur auf der unteren Lahn und dem Rheine fuhr, da
blieb er in der Schleuse stecken -- sie war zu eng. Man hatte die Inter¬
essenten nicht gefragt, wie das in dem Lande überhaupt nicht Mode war, wo
Kenntnisse, Wille und Verstand als Regierungsmvnopol galten.

Man half sich mit der schlechten Schleuse und hatte eine Zeit lang in
eigner Erkenntniß, wie schwer solche Werte des Verkehrs seien, und im Verdruß
über die Spöttereien Sachverständiger, die dem hochstehenden Negierungsbau-
meister wiederholt eine ganze Reihe elastischer Stoffe als Baumaterial für neue
Schleusen vorschlugen, beschlossen, die Lahn laufen zu lassen, wie es Gott gefalle
und den Schiff rü zu überlassen, wie sie durchkamen. Natürlich vergaß man
aber nicht die Hebung von Zöllen und Schleusengeldern. Mittlermeile hatten
aber die anderen Regierungen, deren Länder die Lahn durchströmt, nämlich das
Königreich Preußen und das Großherzogthum Hessen, die nassauischc Negierung
zu gemeinsamen Arbeiten behufs Regulirung der Lahn auf der ganzen Strecke
von Gießen bis Oberlahnstein gedrängt. Es kam nach längerer Verhandlung
am 16. October 1844 zu Koblenz zu einem Vertrage zwischen den Bevollmäch¬
tigten der drei Regierungen. Danach sollte die Lahn auf jener ganzen Strecke
für Schiffe von 100 Fuß Länge, 16 Fuß Breite und 2 Fuß Tiefgang regel¬
mäßig zu Thal und zu Berg fahrbar gemacht werden, ein ganzes System von
Schleusen wurde dadurch geboten und diese sollten mindestens eine lichte
Weite von 17 Fuß erhalten.

Der herzoglich nasfauische Bevollmächtigte hatte sich alle Mühe gegeben,
das crlaubie Minimalmaß zwischen den Thorflügeln der Schleusen herabzudrücken,
und es war ihm gelungen, freilich zur Breite oder vielmehr Knappheit^der um-


und Hausministers v. Marsch.it> ein ackerbautreibendes Land und konnte nicht
Anspruch machen auf Besserung der Verl'chrsanstalten. Man baute Landstraßen
über öde Berge, um die hungernde Bevölkerung zu beschäftigen oder um den
armen Dörfern Gelegenheit zu geben, aus der Leistung von Vvrspanndienstcn
etwas zu verdienen, was ihnen entgangen wäre, wenn man durch die Thäler
gebaut hätte; auf dem Rhein und Main hob man hohe Zölle und ließ die
Flüsse versanden.

. Doch auch hier kamen Zeiten, wo wenigstens vernünftige Entschlüsse gefaßt
wurden, wenngleich vernünftige Ausführungen immer erst nach einigen Proben
gelingen wollten. Im Jahre 1838 hat man angefangen bei Limburg ungefähr
in der Mitte der nassauischcn Lahnstrecke eine Schleuse zu bauen, um zwei hohe
Wehre zu umgehen, die oberhalb und unterhalb des Städtchens die Gewässer
zum Betriebe größerer Mühlen stauten. Das Schlcuseuwerk gelang auch in
soweit, daß kleine Schiffe die Fahrt bei günstigem Wasserstande aus den Eisen-
steinrevicrcn zwischen Weilburg und Rund'el nach Oberlahnstein und vies versa,
machen konnten, als aber die Vortheile der directen Fahrt el» Nachen be¬
nutzen wollte, der sonst nur auf der unteren Lahn und dem Rheine fuhr, da
blieb er in der Schleuse stecken — sie war zu eng. Man hatte die Inter¬
essenten nicht gefragt, wie das in dem Lande überhaupt nicht Mode war, wo
Kenntnisse, Wille und Verstand als Regierungsmvnopol galten.

Man half sich mit der schlechten Schleuse und hatte eine Zeit lang in
eigner Erkenntniß, wie schwer solche Werte des Verkehrs seien, und im Verdruß
über die Spöttereien Sachverständiger, die dem hochstehenden Negierungsbau-
meister wiederholt eine ganze Reihe elastischer Stoffe als Baumaterial für neue
Schleusen vorschlugen, beschlossen, die Lahn laufen zu lassen, wie es Gott gefalle
und den Schiff rü zu überlassen, wie sie durchkamen. Natürlich vergaß man
aber nicht die Hebung von Zöllen und Schleusengeldern. Mittlermeile hatten
aber die anderen Regierungen, deren Länder die Lahn durchströmt, nämlich das
Königreich Preußen und das Großherzogthum Hessen, die nassauischc Negierung
zu gemeinsamen Arbeiten behufs Regulirung der Lahn auf der ganzen Strecke
von Gießen bis Oberlahnstein gedrängt. Es kam nach längerer Verhandlung
am 16. October 1844 zu Koblenz zu einem Vertrage zwischen den Bevollmäch¬
tigten der drei Regierungen. Danach sollte die Lahn auf jener ganzen Strecke
für Schiffe von 100 Fuß Länge, 16 Fuß Breite und 2 Fuß Tiefgang regel¬
mäßig zu Thal und zu Berg fahrbar gemacht werden, ein ganzes System von
Schleusen wurde dadurch geboten und diese sollten mindestens eine lichte
Weite von 17 Fuß erhalten.

Der herzoglich nasfauische Bevollmächtigte hatte sich alle Mühe gegeben,
das crlaubie Minimalmaß zwischen den Thorflügeln der Schleusen herabzudrücken,
und es war ihm gelungen, freilich zur Breite oder vielmehr Knappheit^der um-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/416>, abgerufen am 22.12.2024.