Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Am Ende hätte es doch nur zu einer Zweitheilung der Verfassung geführt, zu Nachdem der Antrag des Landeshauptmanns auf Uebergang zur Tages¬ Am Ende hätte es doch nur zu einer Zweitheilung der Verfassung geführt, zu Nachdem der Antrag des Landeshauptmanns auf Uebergang zur Tages¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190511"/> <p xml:id="ID_1191" prev="#ID_1190"> Am Ende hätte es doch nur zu einer Zweitheilung der Verfassung geführt, zu<lb/> einer cisleithaniseben und einer transleithanischen. Es war eben der Weg, den<lb/> das Ministerium betreten hatte, jener Dualismus, von dem der hochwürdige<lb/> Herr meinte, es liege ihm ein Hintergedanke zu Grunde, den er nicht weiter<lb/> besprechen wolle, er habe den Zerfall Oestreichs zur Voraussetzung. Einen<lb/> schlimmeren Dienst konnte er dem Ministerium Belcrcdi wohl kaum erweisen.<lb/> Fast wie Satire klang es, als der Mann, der als Vertheidiger der September-<lb/> Politik aufgestanden war, sich mit den Worten wieder setzte: „Oestreich wird<lb/> nicht zerfallen; . . . erwacht erst in den Völkern Europas die Sehnsucht nach<lb/> dem Frieden wieder, der sich auf Religion und Recht gründet, dann wird und<lb/> kann es nur Oestreich sein, welches Europa den Oelzweig bringt. Der Weg<lb/> nach vorwärts konnte somit unmöglich betreten werden," fuhr er fort, „man<lb/> beschloß daher den Weg nach rückwärts einzuschlagen, das ist die große<lb/> That, die dem 20. September zu Grunde liegt." (Nun die Taube Belcredi ist<lb/> zwar der Arche Noah Europas ohne Wiederkehr entflogen, aber wenn der heu¬<lb/> tige Zustand des Reiches jenem Vordersatze' der bischöflichen Predigt entspricht,<lb/> so hat er oder haben wir uns geirrt.)</p><lb/> <p xml:id="ID_1192"> Nachdem der Antrag des Landeshauptmanns auf Uebergang zur Tages¬<lb/> ordnung am Widerstand der Ultramontanen gescheitert war. wurde die Exer¬<lb/> cierübung der Liberalen praktisch ausgeführt. Diesmal verließen 16 den Saal<lb/> — Dr. Pfretzschner hatte sich gleich anfangs zurückgehalten —; am Nachmittag<lb/> dasselbe Manöver. Dies veranlaßte den Landeshauptmann, auf den 20. früh<lb/> andere Gegenstände zur Verhandlung anzusetzen. Da aber dem Vernehmen nach<lb/> ein Antrag der Ultramontanen auf Fortsetzung der Adreßdebatte bevorstand,<lb/> überreichten die Liberalen noch vor Beginn der Sitzung eine Erklärung, daß<lb/> sie bei neuerlicher Anregung dieses Gegenstandes die Versammlung zum dritten<lb/> Male durch ihr Austreten beseblußunfäbig machen würden. Die wackern Hetzer<lb/> ließen sich dadurch nicht abschrecken, den» kaum war die Tagesordnung verlesen,<lb/> erhob sich Greuter und verlangte Namens seiner Genossen Fortsetzung der AdreH-<lb/> debatte selbst auf die Gefahr hin, „daß ihr verfassungsmäßiges Recht hier sistirt<lb/> werde". Der ganze ultraniontane Schweif stimmte ihm bei, worauf die Libe¬<lb/> ralen, diesmal neunzehn an der Zahl, ihren Protestation.sspaziergang wieder¬<lb/> holten. Da mit den 31. die als Rumpf zurückbliebc». keine Verhandlung mög¬<lb/> lich war, erklärte der Landeshauptmann die Sitzung und zugleich die Session<lb/> für geschlossen. Bestürzt durch die letzten Vorgänge verzichtete er auf den<lb/> Schlußvortrag und sprach nur den Wunsch aus, daß nach den fürchterlichen<lb/> Stürmen des letzten Jahres wieder Tage des Friedens und der Ruhe folgen<lb/> möchten. Auch dem gefühlvollen Fürstbischof von Brixen versagte die Stimme,<lb/> von tiefstem Kummer überwältigt sank er in den Stuhl zurück und saß daselbst<lb/> fast noch eine Stunde, nachdem sich alle übrigen lange schon entfernt hatten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
Am Ende hätte es doch nur zu einer Zweitheilung der Verfassung geführt, zu
einer cisleithaniseben und einer transleithanischen. Es war eben der Weg, den
das Ministerium betreten hatte, jener Dualismus, von dem der hochwürdige
Herr meinte, es liege ihm ein Hintergedanke zu Grunde, den er nicht weiter
besprechen wolle, er habe den Zerfall Oestreichs zur Voraussetzung. Einen
schlimmeren Dienst konnte er dem Ministerium Belcrcdi wohl kaum erweisen.
Fast wie Satire klang es, als der Mann, der als Vertheidiger der September-
Politik aufgestanden war, sich mit den Worten wieder setzte: „Oestreich wird
nicht zerfallen; . . . erwacht erst in den Völkern Europas die Sehnsucht nach
dem Frieden wieder, der sich auf Religion und Recht gründet, dann wird und
kann es nur Oestreich sein, welches Europa den Oelzweig bringt. Der Weg
nach vorwärts konnte somit unmöglich betreten werden," fuhr er fort, „man
beschloß daher den Weg nach rückwärts einzuschlagen, das ist die große
That, die dem 20. September zu Grunde liegt." (Nun die Taube Belcredi ist
zwar der Arche Noah Europas ohne Wiederkehr entflogen, aber wenn der heu¬
tige Zustand des Reiches jenem Vordersatze' der bischöflichen Predigt entspricht,
so hat er oder haben wir uns geirrt.)
Nachdem der Antrag des Landeshauptmanns auf Uebergang zur Tages¬
ordnung am Widerstand der Ultramontanen gescheitert war. wurde die Exer¬
cierübung der Liberalen praktisch ausgeführt. Diesmal verließen 16 den Saal
— Dr. Pfretzschner hatte sich gleich anfangs zurückgehalten —; am Nachmittag
dasselbe Manöver. Dies veranlaßte den Landeshauptmann, auf den 20. früh
andere Gegenstände zur Verhandlung anzusetzen. Da aber dem Vernehmen nach
ein Antrag der Ultramontanen auf Fortsetzung der Adreßdebatte bevorstand,
überreichten die Liberalen noch vor Beginn der Sitzung eine Erklärung, daß
sie bei neuerlicher Anregung dieses Gegenstandes die Versammlung zum dritten
Male durch ihr Austreten beseblußunfäbig machen würden. Die wackern Hetzer
ließen sich dadurch nicht abschrecken, den» kaum war die Tagesordnung verlesen,
erhob sich Greuter und verlangte Namens seiner Genossen Fortsetzung der AdreH-
debatte selbst auf die Gefahr hin, „daß ihr verfassungsmäßiges Recht hier sistirt
werde". Der ganze ultraniontane Schweif stimmte ihm bei, worauf die Libe¬
ralen, diesmal neunzehn an der Zahl, ihren Protestation.sspaziergang wieder¬
holten. Da mit den 31. die als Rumpf zurückbliebc». keine Verhandlung mög¬
lich war, erklärte der Landeshauptmann die Sitzung und zugleich die Session
für geschlossen. Bestürzt durch die letzten Vorgänge verzichtete er auf den
Schlußvortrag und sprach nur den Wunsch aus, daß nach den fürchterlichen
Stürmen des letzten Jahres wieder Tage des Friedens und der Ruhe folgen
möchten. Auch dem gefühlvollen Fürstbischof von Brixen versagte die Stimme,
von tiefstem Kummer überwältigt sank er in den Stuhl zurück und saß daselbst
fast noch eine Stunde, nachdem sich alle übrigen lange schon entfernt hatten.
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