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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Türke, der es übernahm, dieselbe Schrift ins Türkische zu übersetzen. Seitdem
wird viel solche Contrebande im doppelten Sinn mit Glück unter die Leute
gebracht.

Jetzt hat der Missionär Schnüffler, der sich erst 18S6 von der Inter-
mission zur Türkcnmission wandte, noch sehr zaghaft, ob Erfolg zu erwarten
sei, den größten Theil der Bibel übersetzt und ist mit zwei übergetretenen Ali>
mas, deren einer Frcitagsredncr an der Aja Sophia gewesen war, der eifrigste
und glücklichste Verfechter des Protestantismus. In den Cas6s, in den Khans
wurde bis zur letzte" Katastrophe im Winter 1864/6S öffentlich gepredigt; man
zählt die Anhänger, wenn auch nicht die Uebergetretenen, schon nach Tausenden.
Und auch über Konstantinopel hinaus greift die Bewegung um sich. In Klein¬
asien trat schon im Jahre 1856 offen ein Pascha zum Protestantismus über,
bei Toxat hat sich eine protestantische Gemeinde aus den Türken heraus bilden
können und ist in stetem Wachsen begriffen. Die jüngsten Ereignisse im Winter
1864/63, die Verhaftung und Wiedercntlassung einzelner Missionäre, die Schlie¬
ßung und Wicdcröffnung der Läden, in welchen Bibeln feil gehalten wurden,
das Berbot, nicht mehr in den Khans und an öffentlichen Orten zu predigen,
die Erlaubniß, es sonst aber nach Belieben zu thun -- sind ebenso viele Zeichen
für den Succeß der Lehrbestrebungen in Konstantinopel wie für die Ohnmacht
der Regierung gegenüber dieser Agitation.

Wollte man die Lösung der orientalischen Frage, die Genesung des kranken
Mannes daher erwarten, -- so wäre das thöricht und das Resultat nicht ein¬
mal wünschenswerth. Haben die Türken für die verschiedenen Bote'crmcissen
Vorderasiens die politische Mission, sie äußerlich wenigstens zu einem Ganzen
zusammenzuschweißen, wozu kein anderes Element der Bevölkerung des osmani-
schen Reiches irgend gefehlet'der ist, so haben sie in noch höherem Grade den
andere" Beruf, als Hauptvertreter des Islam durch Läuterung und Reinigung
desselben sie der abendländischen Cultur näher zu führen. Keiner anderen nnter
den Nationen der Balkanhalbinsel wird dies zugemuthet werden dürfen, als den
Türken und nicht blos, weil die eigene Kraftlosigkeit des Occidents sie auf der
begehrenswcrlheslen Stelle Europas hat festen Fuß fassen lassen.

So lasse man ihnen denn anch noch, einige Jahrzehnde Zeit zu stetig und
organisch fortschreitender Regeneration. Man gönne ihnen, noch mehr als
b'sser die umbildende Macht der europäischen Bildung an sich zu erfahren;
lasse die Segnungen, die aus Handel und Verkehr mit den übrigen Nationen
>l)"er erwachsen, immer mehr noch Lockspeise n"d Nöthig"^ werden zu einer
freieren Bewegung. Vom praktischen Boden ans kann eine Wiedergeburt
des türkische" Reiches wohl gelinge". Eisenbahnen und Dampfschiffahrt müssen
es hineinziehen in das Getriebe des Weltverkehrs, müssen zurückwirkend Acker¬
bau und Gewerbe hebe", die nicht so sehr ans Trägheit als aus Bedürfniß-


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Türke, der es übernahm, dieselbe Schrift ins Türkische zu übersetzen. Seitdem
wird viel solche Contrebande im doppelten Sinn mit Glück unter die Leute
gebracht.

Jetzt hat der Missionär Schnüffler, der sich erst 18S6 von der Inter-
mission zur Türkcnmission wandte, noch sehr zaghaft, ob Erfolg zu erwarten
sei, den größten Theil der Bibel übersetzt und ist mit zwei übergetretenen Ali>
mas, deren einer Frcitagsredncr an der Aja Sophia gewesen war, der eifrigste
und glücklichste Verfechter des Protestantismus. In den Cas6s, in den Khans
wurde bis zur letzte» Katastrophe im Winter 1864/6S öffentlich gepredigt; man
zählt die Anhänger, wenn auch nicht die Uebergetretenen, schon nach Tausenden.
Und auch über Konstantinopel hinaus greift die Bewegung um sich. In Klein¬
asien trat schon im Jahre 1856 offen ein Pascha zum Protestantismus über,
bei Toxat hat sich eine protestantische Gemeinde aus den Türken heraus bilden
können und ist in stetem Wachsen begriffen. Die jüngsten Ereignisse im Winter
1864/63, die Verhaftung und Wiedercntlassung einzelner Missionäre, die Schlie¬
ßung und Wicdcröffnung der Läden, in welchen Bibeln feil gehalten wurden,
das Berbot, nicht mehr in den Khans und an öffentlichen Orten zu predigen,
die Erlaubniß, es sonst aber nach Belieben zu thun — sind ebenso viele Zeichen
für den Succeß der Lehrbestrebungen in Konstantinopel wie für die Ohnmacht
der Regierung gegenüber dieser Agitation.

Wollte man die Lösung der orientalischen Frage, die Genesung des kranken
Mannes daher erwarten, — so wäre das thöricht und das Resultat nicht ein¬
mal wünschenswerth. Haben die Türken für die verschiedenen Bote'crmcissen
Vorderasiens die politische Mission, sie äußerlich wenigstens zu einem Ganzen
zusammenzuschweißen, wozu kein anderes Element der Bevölkerung des osmani-
schen Reiches irgend gefehlet'der ist, so haben sie in noch höherem Grade den
andere» Beruf, als Hauptvertreter des Islam durch Läuterung und Reinigung
desselben sie der abendländischen Cultur näher zu führen. Keiner anderen nnter
den Nationen der Balkanhalbinsel wird dies zugemuthet werden dürfen, als den
Türken und nicht blos, weil die eigene Kraftlosigkeit des Occidents sie auf der
begehrenswcrlheslen Stelle Europas hat festen Fuß fassen lassen.

So lasse man ihnen denn anch noch, einige Jahrzehnde Zeit zu stetig und
organisch fortschreitender Regeneration. Man gönne ihnen, noch mehr als
b'sser die umbildende Macht der europäischen Bildung an sich zu erfahren;
lasse die Segnungen, die aus Handel und Verkehr mit den übrigen Nationen
>l)»er erwachsen, immer mehr noch Lockspeise n»d Nöthig»^ werden zu einer
freieren Bewegung. Vom praktischen Boden ans kann eine Wiedergeburt
des türkische» Reiches wohl gelinge». Eisenbahnen und Dampfschiffahrt müssen
es hineinziehen in das Getriebe des Weltverkehrs, müssen zurückwirkend Acker¬
bau und Gewerbe hebe», die nicht so sehr ans Trägheit als aus Bedürfniß-


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[0317] Türke, der es übernahm, dieselbe Schrift ins Türkische zu übersetzen. Seitdem wird viel solche Contrebande im doppelten Sinn mit Glück unter die Leute gebracht. Jetzt hat der Missionär Schnüffler, der sich erst 18S6 von der Inter- mission zur Türkcnmission wandte, noch sehr zaghaft, ob Erfolg zu erwarten sei, den größten Theil der Bibel übersetzt und ist mit zwei übergetretenen Ali> mas, deren einer Frcitagsredncr an der Aja Sophia gewesen war, der eifrigste und glücklichste Verfechter des Protestantismus. In den Cas6s, in den Khans wurde bis zur letzte» Katastrophe im Winter 1864/6S öffentlich gepredigt; man zählt die Anhänger, wenn auch nicht die Uebergetretenen, schon nach Tausenden. Und auch über Konstantinopel hinaus greift die Bewegung um sich. In Klein¬ asien trat schon im Jahre 1856 offen ein Pascha zum Protestantismus über, bei Toxat hat sich eine protestantische Gemeinde aus den Türken heraus bilden können und ist in stetem Wachsen begriffen. Die jüngsten Ereignisse im Winter 1864/63, die Verhaftung und Wiedercntlassung einzelner Missionäre, die Schlie¬ ßung und Wicdcröffnung der Läden, in welchen Bibeln feil gehalten wurden, das Berbot, nicht mehr in den Khans und an öffentlichen Orten zu predigen, die Erlaubniß, es sonst aber nach Belieben zu thun — sind ebenso viele Zeichen für den Succeß der Lehrbestrebungen in Konstantinopel wie für die Ohnmacht der Regierung gegenüber dieser Agitation. Wollte man die Lösung der orientalischen Frage, die Genesung des kranken Mannes daher erwarten, — so wäre das thöricht und das Resultat nicht ein¬ mal wünschenswerth. Haben die Türken für die verschiedenen Bote'crmcissen Vorderasiens die politische Mission, sie äußerlich wenigstens zu einem Ganzen zusammenzuschweißen, wozu kein anderes Element der Bevölkerung des osmani- schen Reiches irgend gefehlet'der ist, so haben sie in noch höherem Grade den andere» Beruf, als Hauptvertreter des Islam durch Läuterung und Reinigung desselben sie der abendländischen Cultur näher zu führen. Keiner anderen nnter den Nationen der Balkanhalbinsel wird dies zugemuthet werden dürfen, als den Türken und nicht blos, weil die eigene Kraftlosigkeit des Occidents sie auf der begehrenswcrlheslen Stelle Europas hat festen Fuß fassen lassen. So lasse man ihnen denn anch noch, einige Jahrzehnde Zeit zu stetig und organisch fortschreitender Regeneration. Man gönne ihnen, noch mehr als b'sser die umbildende Macht der europäischen Bildung an sich zu erfahren; lasse die Segnungen, die aus Handel und Verkehr mit den übrigen Nationen >l)»er erwachsen, immer mehr noch Lockspeise n»d Nöthig»^ werden zu einer freieren Bewegung. Vom praktischen Boden ans kann eine Wiedergeburt des türkische» Reiches wohl gelinge». Eisenbahnen und Dampfschiffahrt müssen es hineinziehen in das Getriebe des Weltverkehrs, müssen zurückwirkend Acker¬ bau und Gewerbe hebe», die nicht so sehr ans Trägheit als aus Bedürfniß- 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/317>, abgerufen am 22.12.2024.