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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Literatur über den Orient. Man kann die Schriftsteller über Konstantinopel
und die Türkei in drei Classen theilen; die eine", in dem Wunsche, dem
Publikum daheim recht Interessantes zu bieten, geheimnissen hinein, was nicht
vorhanden ist; Chorführer dieser Schaar ist Jos, v. Hammer in seinem zwei¬
bändigen Werk über Konstantinopel und den Bosporus. Ihm ist die Mehrzahl
gedankenlos gefolgt, besonders diejenigen, die so flüchtig reisen, daß sie nicht
Zeit haben, ihre mitgebrachten Borstellungen abzuschütteln und zu corrigiren,
und so ihre Reiseerinnerungen immer wieder aus der trüben Quelle dieser Lite¬
ratur zu ergänzen genöthigt sind. Sie bilden dann die zweite Classe und dahinein
gehören die Feuillctvntouiisten, wie die Hab"-H.es", Neisewih u. a. in., ja
auch Hackländer und Wachcnhuscn, welche neben mancherlei Richtigen dennoch
des Schiefer und Falschen viel mehr bieten. Die Dritten trete" mit dichterischem
Sinn Hera", nicht aber so, daß sie sich damit begnüge", das Schöne in Natur
und Meiischenlebe", was ja allerdings mit geweihten Augen angeschaut sein
will, von dem Staube der Gewöhnlichkeit befreit in objectiver Weise wahr¬
heitsgemäß als reines Bild der Wirklichkeit zu reproduciren, sondern sie legen
ihre eigene subjectiv gefärbte und präoccupirtc Stimmung hinein, und verfallen
auf diese Weise, ohne es zu wollen, allen den Sünden, welche andere zum
Theil bewußt ausüben; dahin gehört der treffliche, aber überschwängliche Schu¬
bert, dahin die "reiste" der französischen Dichter, wie Lamantine und Chateau¬
briand.

Uns ist außer den höchst bedeutenden, nur grade über die Stadt Kvnstan-
tittvpel selbst zu karg gehaltenen Briefen unsres berühmte" Generals v. Moltke
"Ueber Zustände und Begebenheiten in der Türkei"*) kein deutsches Buch be¬
kannt, welches nicht ein Zerrbild gäbe. Treu, nur in ungenießbarer Form
schildert die Türken und ihre Hauptstadt der Engländer White in seinem Buch
"Drei Jahre in Konstanttnopel"; das Beste aber. waS über den Gegenstand
geschrieben ist. sind die vortrefflichen "I^ttrvL sur 1a '1'uiguis^ vo" Ubicini,
nur daß sie sich allein mit der Schilderung der inneren Zustände der Türkei
beschäftigen, nicht zugleich auch ein Bild deS wunderbaten äußeren Treibens der
Weltstadt am Boepvrus mit ihrem wundervollen landschaftlichen Zauber geben.

Die nachfolgenden Mittheilungen, denen in den Jahren 1855--1857 an
Ort und Stelle gemachte Bcobachtunge" und Erfahrungen zu Grunde liegen,
werden ebenfalls nur das innere Treiben der Stadt und des Staates behandeln.
Da aber an dieser Stelle Vollständigkeit oder Erschöpfung deS Stoffes nicht



"> Anonym erschiene". Berlin bei Mittler 1811, ">it einem empfehlende" Voiwort von
Carl Ritter. Die Briefe rühren aus den Jahren 18!ZS--L9 her, in welcher Zeit Moltke
als preußischer Offizier in Konstciutinopcl und der Türkei verweilte. Jenem Aufenthalt ver¬
danken wir auch die trefflichen "och immer nicht übertroffenen Kartenwerke über Konstcintinopcl
und den Bosporus (im Auftrage Sultan Mahmuds des Zweiten aufgenommen und heraus¬
gegeben im Verlag von Simon Schropp in Berlin 1S42 und 181V).

Literatur über den Orient. Man kann die Schriftsteller über Konstantinopel
und die Türkei in drei Classen theilen; die eine», in dem Wunsche, dem
Publikum daheim recht Interessantes zu bieten, geheimnissen hinein, was nicht
vorhanden ist; Chorführer dieser Schaar ist Jos, v. Hammer in seinem zwei¬
bändigen Werk über Konstantinopel und den Bosporus. Ihm ist die Mehrzahl
gedankenlos gefolgt, besonders diejenigen, die so flüchtig reisen, daß sie nicht
Zeit haben, ihre mitgebrachten Borstellungen abzuschütteln und zu corrigiren,
und so ihre Reiseerinnerungen immer wieder aus der trüben Quelle dieser Lite¬
ratur zu ergänzen genöthigt sind. Sie bilden dann die zweite Classe und dahinein
gehören die Feuillctvntouiisten, wie die Hab»-H.es», Neisewih u. a. in., ja
auch Hackländer und Wachcnhuscn, welche neben mancherlei Richtigen dennoch
des Schiefer und Falschen viel mehr bieten. Die Dritten trete» mit dichterischem
Sinn Hera», nicht aber so, daß sie sich damit begnüge», das Schöne in Natur
und Meiischenlebe», was ja allerdings mit geweihten Augen angeschaut sein
will, von dem Staube der Gewöhnlichkeit befreit in objectiver Weise wahr¬
heitsgemäß als reines Bild der Wirklichkeit zu reproduciren, sondern sie legen
ihre eigene subjectiv gefärbte und präoccupirtc Stimmung hinein, und verfallen
auf diese Weise, ohne es zu wollen, allen den Sünden, welche andere zum
Theil bewußt ausüben; dahin gehört der treffliche, aber überschwängliche Schu¬
bert, dahin die »reiste» der französischen Dichter, wie Lamantine und Chateau¬
briand.

Uns ist außer den höchst bedeutenden, nur grade über die Stadt Kvnstan-
tittvpel selbst zu karg gehaltenen Briefen unsres berühmte» Generals v. Moltke
„Ueber Zustände und Begebenheiten in der Türkei"*) kein deutsches Buch be¬
kannt, welches nicht ein Zerrbild gäbe. Treu, nur in ungenießbarer Form
schildert die Türken und ihre Hauptstadt der Engländer White in seinem Buch
„Drei Jahre in Konstanttnopel"; das Beste aber. waS über den Gegenstand
geschrieben ist. sind die vortrefflichen „I^ttrvL sur 1a '1'uiguis^ vo» Ubicini,
nur daß sie sich allein mit der Schilderung der inneren Zustände der Türkei
beschäftigen, nicht zugleich auch ein Bild deS wunderbaten äußeren Treibens der
Weltstadt am Boepvrus mit ihrem wundervollen landschaftlichen Zauber geben.

Die nachfolgenden Mittheilungen, denen in den Jahren 1855—1857 an
Ort und Stelle gemachte Bcobachtunge» und Erfahrungen zu Grunde liegen,
werden ebenfalls nur das innere Treiben der Stadt und des Staates behandeln.
Da aber an dieser Stelle Vollständigkeit oder Erschöpfung deS Stoffes nicht



"> Anonym erschiene«. Berlin bei Mittler 1811, »>it einem empfehlende» Voiwort von
Carl Ritter. Die Briefe rühren aus den Jahren 18!ZS—L9 her, in welcher Zeit Moltke
als preußischer Offizier in Konstciutinopcl und der Türkei verweilte. Jenem Aufenthalt ver¬
danken wir auch die trefflichen »och immer nicht übertroffenen Kartenwerke über Konstcintinopcl
und den Bosporus (im Auftrage Sultan Mahmuds des Zweiten aufgenommen und heraus¬
gegeben im Verlag von Simon Schropp in Berlin 1S42 und 181V).
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[0266] Literatur über den Orient. Man kann die Schriftsteller über Konstantinopel und die Türkei in drei Classen theilen; die eine», in dem Wunsche, dem Publikum daheim recht Interessantes zu bieten, geheimnissen hinein, was nicht vorhanden ist; Chorführer dieser Schaar ist Jos, v. Hammer in seinem zwei¬ bändigen Werk über Konstantinopel und den Bosporus. Ihm ist die Mehrzahl gedankenlos gefolgt, besonders diejenigen, die so flüchtig reisen, daß sie nicht Zeit haben, ihre mitgebrachten Borstellungen abzuschütteln und zu corrigiren, und so ihre Reiseerinnerungen immer wieder aus der trüben Quelle dieser Lite¬ ratur zu ergänzen genöthigt sind. Sie bilden dann die zweite Classe und dahinein gehören die Feuillctvntouiisten, wie die Hab»-H.es», Neisewih u. a. in., ja auch Hackländer und Wachcnhuscn, welche neben mancherlei Richtigen dennoch des Schiefer und Falschen viel mehr bieten. Die Dritten trete» mit dichterischem Sinn Hera», nicht aber so, daß sie sich damit begnüge», das Schöne in Natur und Meiischenlebe», was ja allerdings mit geweihten Augen angeschaut sein will, von dem Staube der Gewöhnlichkeit befreit in objectiver Weise wahr¬ heitsgemäß als reines Bild der Wirklichkeit zu reproduciren, sondern sie legen ihre eigene subjectiv gefärbte und präoccupirtc Stimmung hinein, und verfallen auf diese Weise, ohne es zu wollen, allen den Sünden, welche andere zum Theil bewußt ausüben; dahin gehört der treffliche, aber überschwängliche Schu¬ bert, dahin die »reiste» der französischen Dichter, wie Lamantine und Chateau¬ briand. Uns ist außer den höchst bedeutenden, nur grade über die Stadt Kvnstan- tittvpel selbst zu karg gehaltenen Briefen unsres berühmte» Generals v. Moltke „Ueber Zustände und Begebenheiten in der Türkei"*) kein deutsches Buch be¬ kannt, welches nicht ein Zerrbild gäbe. Treu, nur in ungenießbarer Form schildert die Türken und ihre Hauptstadt der Engländer White in seinem Buch „Drei Jahre in Konstanttnopel"; das Beste aber. waS über den Gegenstand geschrieben ist. sind die vortrefflichen „I^ttrvL sur 1a '1'uiguis^ vo» Ubicini, nur daß sie sich allein mit der Schilderung der inneren Zustände der Türkei beschäftigen, nicht zugleich auch ein Bild deS wunderbaten äußeren Treibens der Weltstadt am Boepvrus mit ihrem wundervollen landschaftlichen Zauber geben. Die nachfolgenden Mittheilungen, denen in den Jahren 1855—1857 an Ort und Stelle gemachte Bcobachtunge» und Erfahrungen zu Grunde liegen, werden ebenfalls nur das innere Treiben der Stadt und des Staates behandeln. Da aber an dieser Stelle Vollständigkeit oder Erschöpfung deS Stoffes nicht "> Anonym erschiene«. Berlin bei Mittler 1811, »>it einem empfehlende» Voiwort von Carl Ritter. Die Briefe rühren aus den Jahren 18!ZS—L9 her, in welcher Zeit Moltke als preußischer Offizier in Konstciutinopcl und der Türkei verweilte. Jenem Aufenthalt ver¬ danken wir auch die trefflichen »och immer nicht übertroffenen Kartenwerke über Konstcintinopcl und den Bosporus (im Auftrage Sultan Mahmuds des Zweiten aufgenommen und heraus¬ gegeben im Verlag von Simon Schropp in Berlin 1S42 und 181V).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/266>, abgerufen am 22.12.2024.