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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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führten der Erzbischof von Lemberg und der Wvyewode den Vorsitz. Hier
kamen noch Neben in russischer Sprache vor, zuweilen auch Versuche, die grie¬
chische Kirche zu schützen und ihr Parität zu sichern, die aber, Dank dem be¬
stimmenden Einfluß jener Machthaber, immer ohnmächtig verhallten. Grade auf
rothrussischcm Boden feierte die katholische Kirche einen ihrer classischen Triumphe,
in jener Union des Jahres 1596, welche die wcstrussischen Bekenner der grie¬
chisch-orthodoxen Kirche unter Wahrung gewisser äußerlicher Eigenthümlichkeiten
in den Nahmen des Katholicismus einfügte und zur Anerkennung der geistlichen
Obergewalt des Papstes zwang. Seitdem war es um den letzten Rest der
Selbständigkeit des byzantinischen Kirchenthums im westlichen Rußland geschehen.
Der Erzbischof und die Bischöfe von Przemysl, Luck, Brezc u. s. w. herrschten
in weltlichen und kirchlichen Dingen gleich unumschränkt und es war kein Wun¬
der, daß die im 16. Jahrhundert wie in allen Theilen Polens, so namentlich
in Nothrußland gemachten reformatorischen Anläufe*) niedergehalten und erstickt
wurden; den gleichen Ausgang halte" bereits im fünfzehnten Jahrhundert ver¬
schiedene russische Bauernaufstände gehabt.

Als die Oestreicher 1772 in das Land kamen, trug dasselbe einen so aus¬
gesprochenen polnisch-aristokratischen Charakter, daß es den alten Theilen der
Republik in jeder Beziehung gleich geachtet wurde. Bei der Indifferenz gegen
das nationale Moment, welche das Zeitalter der Aufklärung charakterisirt^), läßt
sich kaum annehmen, daß die nationale Verschiedenheit zwischen Herren und
Bauern, welche sich in der östlichen Hälfte des neugewonnenen Landes vorfand,
von der östreichischen Regierung besonders bemerkt und in Rechnung gezogen
wurde. Arider" Falls wäre die Verbindung der rothrussischen Länder (der
Woyewodschastcn Nothrußland und Halicz und der südwestlichen Theile von
Ludomericn und Podolien) mit Kleinpolen, welche bei Begründung des König¬
reichs Galizien geschah, unbegreiflich gewesen; waren doch selbst zu polnischer
Zeit jene Länder wenigstens als eigene Provinzen (mit gesonderten Provinzial-
conventen) angesehen worden. Ernster war die Aufmerksamkeit, welche die
östreichische Regierung namentlich unter Joseph dem Zweiten den bäuerlichen
Zuständen Galiziens zuwandte, um dieselbe" durch das bekannte Nobotpatent
gänzlich umzugestalten und wahrhaft zu reformiren: diese Verbesserungen kamen
dem westlichen, rein polnischen Theil des Landes übrigens in demselben Maße
zu Gute, wie dem russischen. -- Verständlicher als die nationalen waren den
östreichischen Aufklärern die confessionellen Unterschiede. Schon Maria Theresia
hatte die Gleichberechtigung des griechischen und katholischen Cultus decretirt,
Joseph gründete zu Lemberg ein griechisches Priesterseminar und begünstigte den




") Ein Zeitgenosse Luthers in Lemberg fertigte eine russische Bibelübersetzung.
-) Selbst das 1839 erschienene, sonst durch Gründlichkeit ausgezeichnete Buch von Fri-
drichs (die oben erwähnte "Darstellung Alt> "ut Neupolcns") behauptet noch, die .Nußnitcn"
wären wohl durch die Kleidung, nicht aber durch die Sprache von den Polen verschieden.
Grenzboten l. 18L7. 32

führten der Erzbischof von Lemberg und der Wvyewode den Vorsitz. Hier
kamen noch Neben in russischer Sprache vor, zuweilen auch Versuche, die grie¬
chische Kirche zu schützen und ihr Parität zu sichern, die aber, Dank dem be¬
stimmenden Einfluß jener Machthaber, immer ohnmächtig verhallten. Grade auf
rothrussischcm Boden feierte die katholische Kirche einen ihrer classischen Triumphe,
in jener Union des Jahres 1596, welche die wcstrussischen Bekenner der grie¬
chisch-orthodoxen Kirche unter Wahrung gewisser äußerlicher Eigenthümlichkeiten
in den Nahmen des Katholicismus einfügte und zur Anerkennung der geistlichen
Obergewalt des Papstes zwang. Seitdem war es um den letzten Rest der
Selbständigkeit des byzantinischen Kirchenthums im westlichen Rußland geschehen.
Der Erzbischof und die Bischöfe von Przemysl, Luck, Brezc u. s. w. herrschten
in weltlichen und kirchlichen Dingen gleich unumschränkt und es war kein Wun¬
der, daß die im 16. Jahrhundert wie in allen Theilen Polens, so namentlich
in Nothrußland gemachten reformatorischen Anläufe*) niedergehalten und erstickt
wurden; den gleichen Ausgang halte» bereits im fünfzehnten Jahrhundert ver¬
schiedene russische Bauernaufstände gehabt.

Als die Oestreicher 1772 in das Land kamen, trug dasselbe einen so aus¬
gesprochenen polnisch-aristokratischen Charakter, daß es den alten Theilen der
Republik in jeder Beziehung gleich geachtet wurde. Bei der Indifferenz gegen
das nationale Moment, welche das Zeitalter der Aufklärung charakterisirt^), läßt
sich kaum annehmen, daß die nationale Verschiedenheit zwischen Herren und
Bauern, welche sich in der östlichen Hälfte des neugewonnenen Landes vorfand,
von der östreichischen Regierung besonders bemerkt und in Rechnung gezogen
wurde. Arider» Falls wäre die Verbindung der rothrussischen Länder (der
Woyewodschastcn Nothrußland und Halicz und der südwestlichen Theile von
Ludomericn und Podolien) mit Kleinpolen, welche bei Begründung des König¬
reichs Galizien geschah, unbegreiflich gewesen; waren doch selbst zu polnischer
Zeit jene Länder wenigstens als eigene Provinzen (mit gesonderten Provinzial-
conventen) angesehen worden. Ernster war die Aufmerksamkeit, welche die
östreichische Regierung namentlich unter Joseph dem Zweiten den bäuerlichen
Zuständen Galiziens zuwandte, um dieselbe» durch das bekannte Nobotpatent
gänzlich umzugestalten und wahrhaft zu reformiren: diese Verbesserungen kamen
dem westlichen, rein polnischen Theil des Landes übrigens in demselben Maße
zu Gute, wie dem russischen. — Verständlicher als die nationalen waren den
östreichischen Aufklärern die confessionellen Unterschiede. Schon Maria Theresia
hatte die Gleichberechtigung des griechischen und katholischen Cultus decretirt,
Joseph gründete zu Lemberg ein griechisches Priesterseminar und begünstigte den




") Ein Zeitgenosse Luthers in Lemberg fertigte eine russische Bibelübersetzung.
-) Selbst das 1839 erschienene, sonst durch Gründlichkeit ausgezeichnete Buch von Fri-
drichs (die oben erwähnte „Darstellung Alt> »ut Neupolcns") behauptet noch, die .Nußnitcn"
wären wohl durch die Kleidung, nicht aber durch die Sprache von den Polen verschieden.
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[0259] führten der Erzbischof von Lemberg und der Wvyewode den Vorsitz. Hier kamen noch Neben in russischer Sprache vor, zuweilen auch Versuche, die grie¬ chische Kirche zu schützen und ihr Parität zu sichern, die aber, Dank dem be¬ stimmenden Einfluß jener Machthaber, immer ohnmächtig verhallten. Grade auf rothrussischcm Boden feierte die katholische Kirche einen ihrer classischen Triumphe, in jener Union des Jahres 1596, welche die wcstrussischen Bekenner der grie¬ chisch-orthodoxen Kirche unter Wahrung gewisser äußerlicher Eigenthümlichkeiten in den Nahmen des Katholicismus einfügte und zur Anerkennung der geistlichen Obergewalt des Papstes zwang. Seitdem war es um den letzten Rest der Selbständigkeit des byzantinischen Kirchenthums im westlichen Rußland geschehen. Der Erzbischof und die Bischöfe von Przemysl, Luck, Brezc u. s. w. herrschten in weltlichen und kirchlichen Dingen gleich unumschränkt und es war kein Wun¬ der, daß die im 16. Jahrhundert wie in allen Theilen Polens, so namentlich in Nothrußland gemachten reformatorischen Anläufe*) niedergehalten und erstickt wurden; den gleichen Ausgang halte» bereits im fünfzehnten Jahrhundert ver¬ schiedene russische Bauernaufstände gehabt. Als die Oestreicher 1772 in das Land kamen, trug dasselbe einen so aus¬ gesprochenen polnisch-aristokratischen Charakter, daß es den alten Theilen der Republik in jeder Beziehung gleich geachtet wurde. Bei der Indifferenz gegen das nationale Moment, welche das Zeitalter der Aufklärung charakterisirt^), läßt sich kaum annehmen, daß die nationale Verschiedenheit zwischen Herren und Bauern, welche sich in der östlichen Hälfte des neugewonnenen Landes vorfand, von der östreichischen Regierung besonders bemerkt und in Rechnung gezogen wurde. Arider» Falls wäre die Verbindung der rothrussischen Länder (der Woyewodschastcn Nothrußland und Halicz und der südwestlichen Theile von Ludomericn und Podolien) mit Kleinpolen, welche bei Begründung des König¬ reichs Galizien geschah, unbegreiflich gewesen; waren doch selbst zu polnischer Zeit jene Länder wenigstens als eigene Provinzen (mit gesonderten Provinzial- conventen) angesehen worden. Ernster war die Aufmerksamkeit, welche die östreichische Regierung namentlich unter Joseph dem Zweiten den bäuerlichen Zuständen Galiziens zuwandte, um dieselbe» durch das bekannte Nobotpatent gänzlich umzugestalten und wahrhaft zu reformiren: diese Verbesserungen kamen dem westlichen, rein polnischen Theil des Landes übrigens in demselben Maße zu Gute, wie dem russischen. — Verständlicher als die nationalen waren den östreichischen Aufklärern die confessionellen Unterschiede. Schon Maria Theresia hatte die Gleichberechtigung des griechischen und katholischen Cultus decretirt, Joseph gründete zu Lemberg ein griechisches Priesterseminar und begünstigte den ") Ein Zeitgenosse Luthers in Lemberg fertigte eine russische Bibelübersetzung. -) Selbst das 1839 erschienene, sonst durch Gründlichkeit ausgezeichnete Buch von Fri- drichs (die oben erwähnte „Darstellung Alt> »ut Neupolcns") behauptet noch, die .Nußnitcn" wären wohl durch die Kleidung, nicht aber durch die Sprache von den Polen verschieden. Grenzboten l. 18L7. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/259>, abgerufen am 22.12.2024.