Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.unermeßliches Feld der Thätigkeit. Von Kiew und Byzanz. den Quellen ihres unermeßliches Feld der Thätigkeit. Von Kiew und Byzanz. den Quellen ihres <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190416"/> <p xml:id="ID_894" prev="#ID_893" next="#ID_895"> unermeßliches Feld der Thätigkeit. Von Kiew und Byzanz. den Quellen ihres<lb/> kirchlichen Lebens, durch Mongolen und andrängende Osmanen abgeschnitten,<lb/> schien die griechische Kirche Lithauens, Weih- und Rothrußlands dem Untergänge<lb/> geweiht zu sein und die römische Curie, die bereits im dreizehnten Jahrhundert<lb/> ein Auge ans die westrnssischen Fürsten geworfen hatte, ließ es an Winken<lb/> nicht fehlen, die von der fanatischen Geistlichkeit Polens nur allzu gut verstanden<lb/> wurden. Dem religiösen Eifer gesellten sich, namentlich was Lithauen anlangt,<lb/> politische Interessen zu: das Polen an Macht und Ausdehnung weit überlegene<lb/> lithauische Grvßfürsteuthnm mußte lechischcm Einfluß unterworfen werden, wenn<lb/> nicht das Gegentheil, eine Lithuanisirung Polens eintreten sollte. Ueberdies<lb/> mußte die Lahmlegung Rußlands durch die Mongolen benutzt werden, um die<lb/> vielfachen durch kirchliche und vcrwandschaftliche Bande geknüpften Beziehungen<lb/> zwischen Wilna und Moskau oder Kiew für immer zu zerreißen, denn mehr wie<lb/> einmal hatten russische Großfürsten die Hand nach den Niederungen an der<lb/> Wilja und dem Niemen ausgestreckt. War doch ein großer Theil des jagel-<lb/> lonischen Großfürstenthnms, Weiß- und Schwarzrußland von slawischen Stämmen<lb/> bewohnt, die meist die Fürsten von Kiew und Nowgorod als ihre Oberherren<lb/> anerkannt hatten. Schaarenweise zogen polnische Edelleute und Priester nach<lb/> Wilna und in die übrigen lithauischen Städte, um sich als Herren festzusetzen,<lb/> katholische Kirchen und Klöster zu bauen, Befestigungen anzulegen und vor allem<lb/> die Großen des Landes zu polonisiren. Jagello selbst war, Dank dem Einfluß<lb/> seiner schönen Gemahlin, Katholik und damit Pole geworden, seinem Beispiel<lb/> folgte die Mehrzahl derer, welche das Volk als seine Führer anerkannte; wieder¬<lb/> holt hielten die polnischen Könige zu Wilna Hof und immer waren sie von<lb/> einem glänzenden Gefolge von Magnaten und Bischöfen umgeben. Dem Glanz<lb/> und der Macht des polnischen Einflusses und der Cultur, deren Trägerin die<lb/> römische Kirche war, konnten sich die rohen, halb barbarischen lithauischen Großen<lb/> nicht entziehen und wenige Jahrhunderte reichten dazu hin, dem Adel des Landes<lb/> und dessen Gefolgschaft den polnisch-katholischen Stempel für immer aufzuprägen.<lb/> Man muß in einem von verschiedenen Stämmen bewohnten Lande gelebt haben,<lb/> um den energischen Einfluß, welchen ein auf höherer Cnlturstufc befindliches Volk<lb/> gegenüber seiner tiefer stehenden Umgebung ausübt, kennen und verstehen zu<lb/> lernen! Wo alle Bewohner einer Race angehören und dieselbe Sprache reden,<lb/> kann man sich keine Vorstellung davon machen, wie unwiderstehlich die An¬<lb/> ziehungskraft eines gebildeteren Idioms, einer schöpferischen Literatur, reiferer<lb/> und mannigfaltigerer Bildungsformen wirkt. — wie mächtig der Reiz ist, der<lb/> den außerhalb Stehenden dazu treibt, sich dem Kreise der maßgebenden Cultur<lb/> und ihrer Vertreter zu nähern, sich ihm anzuschließen. Die Herrschaft eines<lb/> Volks, das einem andern die Cultur bringt, ist keineswegs durch die politische<lb/> Uebermacht bedingt; auch das Jahrhundert der russischen Herrschaft in Lithauen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0257]
unermeßliches Feld der Thätigkeit. Von Kiew und Byzanz. den Quellen ihres
kirchlichen Lebens, durch Mongolen und andrängende Osmanen abgeschnitten,
schien die griechische Kirche Lithauens, Weih- und Rothrußlands dem Untergänge
geweiht zu sein und die römische Curie, die bereits im dreizehnten Jahrhundert
ein Auge ans die westrnssischen Fürsten geworfen hatte, ließ es an Winken
nicht fehlen, die von der fanatischen Geistlichkeit Polens nur allzu gut verstanden
wurden. Dem religiösen Eifer gesellten sich, namentlich was Lithauen anlangt,
politische Interessen zu: das Polen an Macht und Ausdehnung weit überlegene
lithauische Grvßfürsteuthnm mußte lechischcm Einfluß unterworfen werden, wenn
nicht das Gegentheil, eine Lithuanisirung Polens eintreten sollte. Ueberdies
mußte die Lahmlegung Rußlands durch die Mongolen benutzt werden, um die
vielfachen durch kirchliche und vcrwandschaftliche Bande geknüpften Beziehungen
zwischen Wilna und Moskau oder Kiew für immer zu zerreißen, denn mehr wie
einmal hatten russische Großfürsten die Hand nach den Niederungen an der
Wilja und dem Niemen ausgestreckt. War doch ein großer Theil des jagel-
lonischen Großfürstenthnms, Weiß- und Schwarzrußland von slawischen Stämmen
bewohnt, die meist die Fürsten von Kiew und Nowgorod als ihre Oberherren
anerkannt hatten. Schaarenweise zogen polnische Edelleute und Priester nach
Wilna und in die übrigen lithauischen Städte, um sich als Herren festzusetzen,
katholische Kirchen und Klöster zu bauen, Befestigungen anzulegen und vor allem
die Großen des Landes zu polonisiren. Jagello selbst war, Dank dem Einfluß
seiner schönen Gemahlin, Katholik und damit Pole geworden, seinem Beispiel
folgte die Mehrzahl derer, welche das Volk als seine Führer anerkannte; wieder¬
holt hielten die polnischen Könige zu Wilna Hof und immer waren sie von
einem glänzenden Gefolge von Magnaten und Bischöfen umgeben. Dem Glanz
und der Macht des polnischen Einflusses und der Cultur, deren Trägerin die
römische Kirche war, konnten sich die rohen, halb barbarischen lithauischen Großen
nicht entziehen und wenige Jahrhunderte reichten dazu hin, dem Adel des Landes
und dessen Gefolgschaft den polnisch-katholischen Stempel für immer aufzuprägen.
Man muß in einem von verschiedenen Stämmen bewohnten Lande gelebt haben,
um den energischen Einfluß, welchen ein auf höherer Cnlturstufc befindliches Volk
gegenüber seiner tiefer stehenden Umgebung ausübt, kennen und verstehen zu
lernen! Wo alle Bewohner einer Race angehören und dieselbe Sprache reden,
kann man sich keine Vorstellung davon machen, wie unwiderstehlich die An¬
ziehungskraft eines gebildeteren Idioms, einer schöpferischen Literatur, reiferer
und mannigfaltigerer Bildungsformen wirkt. — wie mächtig der Reiz ist, der
den außerhalb Stehenden dazu treibt, sich dem Kreise der maßgebenden Cultur
und ihrer Vertreter zu nähern, sich ihm anzuschließen. Die Herrschaft eines
Volks, das einem andern die Cultur bringt, ist keineswegs durch die politische
Uebermacht bedingt; auch das Jahrhundert der russischen Herrschaft in Lithauen
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