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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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ten gesellten, zu den Lieblingsunterhaltungen des französischen Hofes und des
pariser Publikums. Einer Bühne, die so sehr unter fremdem Einfluß stand, daß
lange Jahre hindurch die nationale Entwickelung des Schauspiels wie der Poesie
überhaupt gradezu unmöglich gemacht war, konnte ein so origineller und an¬
ziehender Stoff nicht lange vorenthalten bleiben. Fast gleichzeitig führten Spa¬
nier und Italiener den Don Juan in Paris auf. Im Jahre 1659 ward
Molinas Burlador gegeben. Die Italiener waren dem aber zuvorgekommen,
denn schon 1657 agirten sie im Hotel du Bourgogne eine Farce Don Juan,
unter außerordentlichem Zulauf, der sich noch steigerte, als dieselbe 1673 und
1717 mit neuer und prächtigerer Ausstattung wiederholt wurde.

Die französischen Schauspieler, eifersüchtig auf den unerhörten Beifall, den
die Piöce bei ihren italienischen Nebenbuhlern fand, beeilten sich, den Stoff nun
auch für ihre Bühne zu gewinnen. Als Ludwig der Vierzehnte 1658 mit der
Prinzessin von Savoyen in Lyon zusammentraf, führte Dorimont eine Um¬
arbeitung des giliberiischen Stückes unter dem Titel: "I.o losem ä<z on
ve Ah erimiuLl" auf. Als er damit 1661 nach Paris kam, fand er, daß ihm
de Villers bereits zuvorgekommen war, der den Don Juan in französischer
Sprache schon seit 1659 gab. Bald gesellte sich zu diesen beiden Bearbeitungen
Molivres selbständige Dichtung: "von ^Sinn on lo alö pierre", die 1665
zuerst im Theater des Palais Royal dargestellt wurde. Dieses Werk, das von
dem heitern, phantastischen Charakter des Originals nur kaum erkennbare Spuren
übrig gelassen hatte, kam zu Lebzeiten des Dichters nur funfzehnmal zur Auf¬
führung. Erst als es Thom. Corneille in Verse umgedichtet hatte, erhielt es
sich (seit 1677) dauernd auf der Bühne, bis erst 1847 Moliöres Komödie wieder
in ihre Rechte eintrat.

Zu Anfang der siebziger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts wurden im
Theater du Marais zu Paris die glänzendsten Decorations- und Svcctakelstücke
und zwar gegen hohe Eintrittspreise gegeben. Wie konnte hier der Don Juan
übersehen werden, der so schöne Gelegenheit bot zu prächtigen Scenen und
brillantem Feuerwerk? 1669 führte man daher auch hier eine 'IiÄgi-causale:
,,vo tsstin ne ?i<Zi-l-L on, l'gMÄstc; touclroz^ ZM- liosimoircl" auf. Der Be¬
arbeiter halte die Vorsicht gebraucht, die Handlung in bie Zeiten des Heiden-
thums zurückzuvcrlegen, um ungestraft seinen Atheisten recht prahlen und poltern
lassen zu können.

Der Don Juan war nun auf dem besten Wege, seine Reise durch Europa
zu vollenden. 1676 wurde in London mit großem Erfolg das Stück: "videi'-
eins acht-ro^oÄ" von Th. Shadwell (1640--1692). vootÄ laureatus unter



*) Dieser Titel, der ""feinem Ucbcrsehungsfchlcr beruhte (Lonviww-vanviv) gab irr Deutsch¬
land zu dem unsinnigen und absurden Titel: "Das steinerne Gastmahl", die Veranlassung,
der i" früherer Zeit üblich war.

ten gesellten, zu den Lieblingsunterhaltungen des französischen Hofes und des
pariser Publikums. Einer Bühne, die so sehr unter fremdem Einfluß stand, daß
lange Jahre hindurch die nationale Entwickelung des Schauspiels wie der Poesie
überhaupt gradezu unmöglich gemacht war, konnte ein so origineller und an¬
ziehender Stoff nicht lange vorenthalten bleiben. Fast gleichzeitig führten Spa¬
nier und Italiener den Don Juan in Paris auf. Im Jahre 1659 ward
Molinas Burlador gegeben. Die Italiener waren dem aber zuvorgekommen,
denn schon 1657 agirten sie im Hotel du Bourgogne eine Farce Don Juan,
unter außerordentlichem Zulauf, der sich noch steigerte, als dieselbe 1673 und
1717 mit neuer und prächtigerer Ausstattung wiederholt wurde.

Die französischen Schauspieler, eifersüchtig auf den unerhörten Beifall, den
die Piöce bei ihren italienischen Nebenbuhlern fand, beeilten sich, den Stoff nun
auch für ihre Bühne zu gewinnen. Als Ludwig der Vierzehnte 1658 mit der
Prinzessin von Savoyen in Lyon zusammentraf, führte Dorimont eine Um¬
arbeitung des giliberiischen Stückes unter dem Titel: „I.o losem ä<z on
ve Ah erimiuLl" auf. Als er damit 1661 nach Paris kam, fand er, daß ihm
de Villers bereits zuvorgekommen war, der den Don Juan in französischer
Sprache schon seit 1659 gab. Bald gesellte sich zu diesen beiden Bearbeitungen
Molivres selbständige Dichtung: „von ^Sinn on lo alö pierre", die 1665
zuerst im Theater des Palais Royal dargestellt wurde. Dieses Werk, das von
dem heitern, phantastischen Charakter des Originals nur kaum erkennbare Spuren
übrig gelassen hatte, kam zu Lebzeiten des Dichters nur funfzehnmal zur Auf¬
führung. Erst als es Thom. Corneille in Verse umgedichtet hatte, erhielt es
sich (seit 1677) dauernd auf der Bühne, bis erst 1847 Moliöres Komödie wieder
in ihre Rechte eintrat.

Zu Anfang der siebziger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts wurden im
Theater du Marais zu Paris die glänzendsten Decorations- und Svcctakelstücke
und zwar gegen hohe Eintrittspreise gegeben. Wie konnte hier der Don Juan
übersehen werden, der so schöne Gelegenheit bot zu prächtigen Scenen und
brillantem Feuerwerk? 1669 führte man daher auch hier eine 'IiÄgi-causale:
,,vo tsstin ne ?i<Zi-l-L on, l'gMÄstc; touclroz^ ZM- liosimoircl" auf. Der Be¬
arbeiter halte die Vorsicht gebraucht, die Handlung in bie Zeiten des Heiden-
thums zurückzuvcrlegen, um ungestraft seinen Atheisten recht prahlen und poltern
lassen zu können.

Der Don Juan war nun auf dem besten Wege, seine Reise durch Europa
zu vollenden. 1676 wurde in London mit großem Erfolg das Stück: „videi'-
eins acht-ro^oÄ" von Th. Shadwell (1640—1692). vootÄ laureatus unter



*) Dieser Titel, der «»feinem Ucbcrsehungsfchlcr beruhte (Lonviww-vanviv) gab irr Deutsch¬
land zu dem unsinnigen und absurden Titel: „Das steinerne Gastmahl", die Veranlassung,
der i» früherer Zeit üblich war.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/190>, abgerufen am 23.07.2024.