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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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conccrte eine Hauptrolle zu spielen. Speciell in Oestreich erklären sie nicht blos
dieselben, sondern noch weit mehr Ansprüche machen zu dürfen, als selbst die
Magyaren, "denn," rufen die nationalen Organe mit Emphase aus, "die
czechische Nation ist in diesem Augenblicke für Oestreichs Geschicke die wichtigste
und wird in einem neuen Kampfe den Ausschlag geben."

Dabei bemüht man sich czechischerscits die Deutschen als "Abtrünnige" und
"Landesverräther" darzustellen, welche ihren Schwerpunkt "außerhalb des Reiches"
suchen und ruft jeden Augenblick nach der Polizei, sie möge doch ein wachsames
Auge auf diese deutschen Renegaten haben. Jüngst gab erst eine historische
Abhandlung, welche der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen ver¬
öffentlichte, betitelt "Die Brandenburger in Böhmen", den czcchischen Zeitungen
Veranlassung, ein Zetergeschrei über die Deutschen zu erheben, die "Eingewan¬
derten mit nichtswürdigen Zielen", welche Propaganda für Preußen machen
wollen und so oft irgendein Anlaß möglich, trachten die Czechen sich als öst¬
reichische Loyale exeLlloncL zu geberden.

Der immer schärfer sich zuspitzende Contrast zwischen Deutschen und Czechen
trat auch auf dem letzten Landtage, wiewohl derselbe nur äußerst kurz währte,
klar zum Vorschein und zwar ganz besonders gelegentlich der Debatte über die
an den Kaiser zu richtende Adresse. Während die von czechischer Seite vorge¬
legte Adresse die Zustimmung zu der Sistirungspolitik des gegenwärtigen Mi¬
nisteriums aussprach und nur dem Wunsche Ausdruck gab, es möge den "Län¬
dern der böhmischen Krone" vollständige Selbständigkeit gewahrt und diese durch
Krönung des Kaisers zum Könige von Böhmen dargethan werden,
hielt der deutsche Adreßentwurf dem Ministerium das ganze Sündenregister der
Sistirungspolitik vor, die Trostlosigkeit der allgemeinen Zustände, die Rück¬
schritte aus dem Gebiete des Justiz-, Finanz- und Unterrichtswesens und be¬
zeichnete schließlich als einziges Rettungsmittel die Rückkehr zu verfassungs¬
mäßigen Zustände". Die Rede, mit welcher Professor Herbst den deutschen
Adreßentwurf vertheidigte, war ein Meisterstück von Beredsamkeit. Wir er¬
innern nur an jenen Passus, welcher sich auf die Ausschließung Böhmens aus
dem deutschen Bunde bezieht:

" Ein geehrter Redner," so lauten Herbsts Worte, "hat angeführt, daß
grade diese Ausschließung aus dem deutschen Bunde eine der günstigsten Folgen
sei, die wir im letzten Jahre erlebt haben; sie sei das glücklichste Product
unserer unheilvollen Zeit. Nach der Aufnahme, welche diese Worte gefunden
haben, muß ich annehmen, daß seine Ansicht in diesem hohen Hause nicht ver¬
einzelt sei. Ich will nun nicht davon sprechen, was es heißt, wenn eine bald
tausend Jahre alte Verbindung, wenn mannigfache, auch materielle Beziehungen
plötzlich eine Unterbrechung leiden, aber auf etwas, wozu jene Bemerkung An¬
laß giebt, sei mir erlaubt näher einzugehen.... Es ist an sich etwas Ent-


conccrte eine Hauptrolle zu spielen. Speciell in Oestreich erklären sie nicht blos
dieselben, sondern noch weit mehr Ansprüche machen zu dürfen, als selbst die
Magyaren, „denn," rufen die nationalen Organe mit Emphase aus, „die
czechische Nation ist in diesem Augenblicke für Oestreichs Geschicke die wichtigste
und wird in einem neuen Kampfe den Ausschlag geben."

Dabei bemüht man sich czechischerscits die Deutschen als „Abtrünnige" und
„Landesverräther" darzustellen, welche ihren Schwerpunkt „außerhalb des Reiches"
suchen und ruft jeden Augenblick nach der Polizei, sie möge doch ein wachsames
Auge auf diese deutschen Renegaten haben. Jüngst gab erst eine historische
Abhandlung, welche der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen ver¬
öffentlichte, betitelt „Die Brandenburger in Böhmen", den czcchischen Zeitungen
Veranlassung, ein Zetergeschrei über die Deutschen zu erheben, die „Eingewan¬
derten mit nichtswürdigen Zielen", welche Propaganda für Preußen machen
wollen und so oft irgendein Anlaß möglich, trachten die Czechen sich als öst¬
reichische Loyale exeLlloncL zu geberden.

Der immer schärfer sich zuspitzende Contrast zwischen Deutschen und Czechen
trat auch auf dem letzten Landtage, wiewohl derselbe nur äußerst kurz währte,
klar zum Vorschein und zwar ganz besonders gelegentlich der Debatte über die
an den Kaiser zu richtende Adresse. Während die von czechischer Seite vorge¬
legte Adresse die Zustimmung zu der Sistirungspolitik des gegenwärtigen Mi¬
nisteriums aussprach und nur dem Wunsche Ausdruck gab, es möge den „Län¬
dern der böhmischen Krone" vollständige Selbständigkeit gewahrt und diese durch
Krönung des Kaisers zum Könige von Böhmen dargethan werden,
hielt der deutsche Adreßentwurf dem Ministerium das ganze Sündenregister der
Sistirungspolitik vor, die Trostlosigkeit der allgemeinen Zustände, die Rück¬
schritte aus dem Gebiete des Justiz-, Finanz- und Unterrichtswesens und be¬
zeichnete schließlich als einziges Rettungsmittel die Rückkehr zu verfassungs¬
mäßigen Zustände». Die Rede, mit welcher Professor Herbst den deutschen
Adreßentwurf vertheidigte, war ein Meisterstück von Beredsamkeit. Wir er¬
innern nur an jenen Passus, welcher sich auf die Ausschließung Böhmens aus
dem deutschen Bunde bezieht:

„ Ein geehrter Redner," so lauten Herbsts Worte, „hat angeführt, daß
grade diese Ausschließung aus dem deutschen Bunde eine der günstigsten Folgen
sei, die wir im letzten Jahre erlebt haben; sie sei das glücklichste Product
unserer unheilvollen Zeit. Nach der Aufnahme, welche diese Worte gefunden
haben, muß ich annehmen, daß seine Ansicht in diesem hohen Hause nicht ver¬
einzelt sei. Ich will nun nicht davon sprechen, was es heißt, wenn eine bald
tausend Jahre alte Verbindung, wenn mannigfache, auch materielle Beziehungen
plötzlich eine Unterbrechung leiden, aber auf etwas, wozu jene Bemerkung An¬
laß giebt, sei mir erlaubt näher einzugehen.... Es ist an sich etwas Ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/162>, abgerufen am 22.12.2024.