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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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lungenen Leistungen in seiner Art zählen dürfen, dahin rechnen wir fast alle
die in den verschiedenen Bänden zerstreuten Monographien über Volkssitte,
hauptsächlich in den großen Epochen des naiven Volkslebens, Geburt, Hockzeit,
Tod; über Volksnahrung, wo mit Glück die Gefahr, allzusehr ins Genrchafte
zu gerathen, gewohnlich vermieden ist; über Wohnung und Bauart des Hauses
und der kleineren und größeren Ansiedelungen; über Volksmedicin und Volks¬
krankheiten, ein Capitel, das hier überhaupt zum ersten Mal für eine aus¬
gedehntere und dock zugleich wieder fcstbegrcnzte Sphäre in sein auteur- und
sittengeschichtliches Recht eingesetzt wird; über Volksbildung, d.h. die positiven,
durch die Schule oder anderweitigen eigentlichen Unterricht überlieferten Elemente
des Wissens und, wenn auch mit einigen Bedenken, die Schilderungen der Volks¬
tracht. Ueberall wird der auteur- und sittengeschichtliche Forscher ein reiches
und. wie wir wenigstens nach theilweiser eigener, auf Autopsie beruhenden Prü¬
fung hinzusetzen, zuverlässiges Material finden, das ihm, wenn ihm die Autopsie
fehlt, unbekannt bleiben müßte. Auch der gewöhnliche Leser mag sich daran
ebenso sehr erfreuen und belehren und vergißt vielleicht, wenn er gutmüthig und
bescheiden genug dazu ist, jene trostlosen Einöden der Landeskunde, durch die er
sich arbeiten mußte. Hier und da möchte man gewisse dvctrinäre Allgemein¬
heiten weggelassen wünschen, die den Leser über die wissenschaftliche Bedeutung
des Gegenstandes aufzuklären bestimmt sind, zumal da sie sich in jedem neuen
Bande bei demselben Gegenstande wiederholen, ja oft in demselben Bande bei
verwandten Materien nur mit etwas anderen Worten drei-, viermal Paradiren.
Auch hat Richts Einfluß auf Stil und Diction häusig nicht günstig gewirkt.
Da er selbst, wie bemerkt, jedes directe Eingreifen der Redaction ausdrücklich
in Abrede stellt, so ist diese nur so zu erklären, daß die Mitarbeiter unwillkür¬
lich nicht blos die Schablonen, sondern auch gewisse eigenthümliche Formeln
von dem Meister entlehnt haben. Nicht selbst streift darin oft hart an die
Manier, wird die Manier nachgeahmt, so muß Manierirthcit daraus werden,
die nicht geschmackvoll ist.

Bei der Rubrik "Volkstracht" können wir einige Bemerkungen nicht unter¬
drücken. Sie gehört ohneZweifel z" "des Volkes Eigcnwescn", um einen unzählige
Male hier begegnenden riehlschen Terminus zu gebrauchen. Daß sie so ausführlich,
wie es hier geschehen, behandelt werden konnte, ist ein Beweis für die Libera¬
lität des Redacteurs oder seiner besonderen Vorliebe für das Rococo, dem sie
meistens entstammt, wie er selbst uns zuerst gelehrt hat. Aber je ausführlicher,
desto weniger anschaulich werden die Schilderungen, wenigstens für jeden, der
nicht Schneider von Profession ist. Hier halten ein paar Dutzend saubere
Holzschnitte, wo möglich colorire, manche Konfusion und manchen Zweifel zer-
streun können, der uns und gewiß vielen andern Lesern über den Schnitt ver¬
schiedener Jacken und Juppen, über die Form mancher Hauben und Kopftücher.


lungenen Leistungen in seiner Art zählen dürfen, dahin rechnen wir fast alle
die in den verschiedenen Bänden zerstreuten Monographien über Volkssitte,
hauptsächlich in den großen Epochen des naiven Volkslebens, Geburt, Hockzeit,
Tod; über Volksnahrung, wo mit Glück die Gefahr, allzusehr ins Genrchafte
zu gerathen, gewohnlich vermieden ist; über Wohnung und Bauart des Hauses
und der kleineren und größeren Ansiedelungen; über Volksmedicin und Volks¬
krankheiten, ein Capitel, das hier überhaupt zum ersten Mal für eine aus¬
gedehntere und dock zugleich wieder fcstbegrcnzte Sphäre in sein auteur- und
sittengeschichtliches Recht eingesetzt wird; über Volksbildung, d.h. die positiven,
durch die Schule oder anderweitigen eigentlichen Unterricht überlieferten Elemente
des Wissens und, wenn auch mit einigen Bedenken, die Schilderungen der Volks¬
tracht. Ueberall wird der auteur- und sittengeschichtliche Forscher ein reiches
und. wie wir wenigstens nach theilweiser eigener, auf Autopsie beruhenden Prü¬
fung hinzusetzen, zuverlässiges Material finden, das ihm, wenn ihm die Autopsie
fehlt, unbekannt bleiben müßte. Auch der gewöhnliche Leser mag sich daran
ebenso sehr erfreuen und belehren und vergißt vielleicht, wenn er gutmüthig und
bescheiden genug dazu ist, jene trostlosen Einöden der Landeskunde, durch die er
sich arbeiten mußte. Hier und da möchte man gewisse dvctrinäre Allgemein¬
heiten weggelassen wünschen, die den Leser über die wissenschaftliche Bedeutung
des Gegenstandes aufzuklären bestimmt sind, zumal da sie sich in jedem neuen
Bande bei demselben Gegenstande wiederholen, ja oft in demselben Bande bei
verwandten Materien nur mit etwas anderen Worten drei-, viermal Paradiren.
Auch hat Richts Einfluß auf Stil und Diction häusig nicht günstig gewirkt.
Da er selbst, wie bemerkt, jedes directe Eingreifen der Redaction ausdrücklich
in Abrede stellt, so ist diese nur so zu erklären, daß die Mitarbeiter unwillkür¬
lich nicht blos die Schablonen, sondern auch gewisse eigenthümliche Formeln
von dem Meister entlehnt haben. Nicht selbst streift darin oft hart an die
Manier, wird die Manier nachgeahmt, so muß Manierirthcit daraus werden,
die nicht geschmackvoll ist.

Bei der Rubrik „Volkstracht" können wir einige Bemerkungen nicht unter¬
drücken. Sie gehört ohneZweifel z» „des Volkes Eigcnwescn", um einen unzählige
Male hier begegnenden riehlschen Terminus zu gebrauchen. Daß sie so ausführlich,
wie es hier geschehen, behandelt werden konnte, ist ein Beweis für die Libera¬
lität des Redacteurs oder seiner besonderen Vorliebe für das Rococo, dem sie
meistens entstammt, wie er selbst uns zuerst gelehrt hat. Aber je ausführlicher,
desto weniger anschaulich werden die Schilderungen, wenigstens für jeden, der
nicht Schneider von Profession ist. Hier halten ein paar Dutzend saubere
Holzschnitte, wo möglich colorire, manche Konfusion und manchen Zweifel zer-
streun können, der uns und gewiß vielen andern Lesern über den Schnitt ver¬
schiedener Jacken und Juppen, über die Form mancher Hauben und Kopftücher.


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[0151] lungenen Leistungen in seiner Art zählen dürfen, dahin rechnen wir fast alle die in den verschiedenen Bänden zerstreuten Monographien über Volkssitte, hauptsächlich in den großen Epochen des naiven Volkslebens, Geburt, Hockzeit, Tod; über Volksnahrung, wo mit Glück die Gefahr, allzusehr ins Genrchafte zu gerathen, gewohnlich vermieden ist; über Wohnung und Bauart des Hauses und der kleineren und größeren Ansiedelungen; über Volksmedicin und Volks¬ krankheiten, ein Capitel, das hier überhaupt zum ersten Mal für eine aus¬ gedehntere und dock zugleich wieder fcstbegrcnzte Sphäre in sein auteur- und sittengeschichtliches Recht eingesetzt wird; über Volksbildung, d.h. die positiven, durch die Schule oder anderweitigen eigentlichen Unterricht überlieferten Elemente des Wissens und, wenn auch mit einigen Bedenken, die Schilderungen der Volks¬ tracht. Ueberall wird der auteur- und sittengeschichtliche Forscher ein reiches und. wie wir wenigstens nach theilweiser eigener, auf Autopsie beruhenden Prü¬ fung hinzusetzen, zuverlässiges Material finden, das ihm, wenn ihm die Autopsie fehlt, unbekannt bleiben müßte. Auch der gewöhnliche Leser mag sich daran ebenso sehr erfreuen und belehren und vergißt vielleicht, wenn er gutmüthig und bescheiden genug dazu ist, jene trostlosen Einöden der Landeskunde, durch die er sich arbeiten mußte. Hier und da möchte man gewisse dvctrinäre Allgemein¬ heiten weggelassen wünschen, die den Leser über die wissenschaftliche Bedeutung des Gegenstandes aufzuklären bestimmt sind, zumal da sie sich in jedem neuen Bande bei demselben Gegenstande wiederholen, ja oft in demselben Bande bei verwandten Materien nur mit etwas anderen Worten drei-, viermal Paradiren. Auch hat Richts Einfluß auf Stil und Diction häusig nicht günstig gewirkt. Da er selbst, wie bemerkt, jedes directe Eingreifen der Redaction ausdrücklich in Abrede stellt, so ist diese nur so zu erklären, daß die Mitarbeiter unwillkür¬ lich nicht blos die Schablonen, sondern auch gewisse eigenthümliche Formeln von dem Meister entlehnt haben. Nicht selbst streift darin oft hart an die Manier, wird die Manier nachgeahmt, so muß Manierirthcit daraus werden, die nicht geschmackvoll ist. Bei der Rubrik „Volkstracht" können wir einige Bemerkungen nicht unter¬ drücken. Sie gehört ohneZweifel z» „des Volkes Eigcnwescn", um einen unzählige Male hier begegnenden riehlschen Terminus zu gebrauchen. Daß sie so ausführlich, wie es hier geschehen, behandelt werden konnte, ist ein Beweis für die Libera¬ lität des Redacteurs oder seiner besonderen Vorliebe für das Rococo, dem sie meistens entstammt, wie er selbst uns zuerst gelehrt hat. Aber je ausführlicher, desto weniger anschaulich werden die Schilderungen, wenigstens für jeden, der nicht Schneider von Profession ist. Hier halten ein paar Dutzend saubere Holzschnitte, wo möglich colorire, manche Konfusion und manchen Zweifel zer- streun können, der uns und gewiß vielen andern Lesern über den Schnitt ver¬ schiedener Jacken und Juppen, über die Form mancher Hauben und Kopftücher.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/151>, abgerufen am 26.07.2024.