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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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tungen hindurchzuarbeiten, wenn man nicht Fachmann ist. Noch dazu erfahren
wir hier so Mssg-ire, daß die bedeutendste Autorität des Faches. die Bayern
besitzt, die beruhigende Ansicht ausspricht, im ganzen Gebiete von Bayern
existirten noch gar keine wissenschaftlich brauchbaren meteorologischen Beobach¬
tungen. --

Noch einmal fragen wir: was hat dies mit der "Bavaria" zu schaffe"?
Ein volles Dritttheil jedes Bandes ist mit diesem Ballast angefüllt, macht für
das Ganze etwa 1,000 Seiten groß Octav. -- Ader wenn der gewöhnliche
Leser, d. h. derjenige, der im Besitz einer nach heutigem Maßstab sonst genügen¬
dem Durchschnittsbildung ist, aus der Bavaria gründliche Belehrung über das,
was sie verspricht, zu erlangen wünscht, gar nichts damit anfangen kann, so
dürfte doch vielleicht der Mann vom Fache, also der Geognost, der Meteorolog,
Botaniker :c,, sich für seinen Theil befriedigt fühlen? Es wäre eine Art von
Ersatz für das. was hier so ganz der vernünftig verstandenen Aufgabe zuwider
geschehen ist. Aber auch der Fachmann wird sich hier wenig Trost holen. Für
ihn ist alles> was dem andern ein populäres Verständniß eröffnen soll, trivial
und überflüssig und das Uebrige viel zu oberflächlich, eben weil es ja für ein
nicht fachgelehrtes Publikum bestimmt ist, das man doch unmöglich mit allem
Detail der Wissenschaft überschütten darf. Daher denn auch unaufhörlich Wen¬
dungen wie folgende: "Wir könne" nach dem Zwecke unserer Darstellung nur
das Allgemeinste, nur eine summarische Uebersicht geben", "wir müssen hier kurz
abbrechen, denn das Weitere würde langweilen", oder es erscheinen umgekehrt
wieder ganze Seilen voll lateinischer Namen von Steinen und Blumen, Käfern
und Schnecken, die im südlichen Bayern oder in Unterfranken vorkommen, zu¬
letzt mit einem etc. apokopirt, wodurch der einzige Nutzen, der aus einer solchen
statistischen Nomenclatur möglicherweise gezogen werden könnte, die Vollständig¬
keit der Uebersicht dem Gelehrten entgeht. So wird es höchstens auf ein paar
gelegentliche Notizen hinauslaufen, die in dem ungenießbaren Wüste vergraben
sind, aber eben deshalb wohl nicht zu leicht denen zu Gesicht kommen, die sie
brauchen könnten. --

Es bleibt unbegreiflich, nicht wie Fachgelehrte in dem besten Bestreben,
populär zu sein, solche Mißgriffe begehen konnte", sondern wie die Redaction
sich damit befriedigt fühlen mochte. Iltiehl selbst hat, wie man weiß, dem Be¬
griff einer Schilderung des Landes als natürlicher Basis des Bvlksdasems eine
ganz andere Lebensfülle zu geben verstanden und wenn er es auch nur als
Genremaler gethan hat. so durste man ihm doch zutrauen, daß er auch die For¬
derungen einer höheren Gattung wenigstens zu erkennen und zu würdigen,
wenn auch nicht selbst durchzuführen verstand. Hätte er doch ganz einfach die
betreffenden Abschnitte aus Walthers tvpischer Geographie von Bayern wieder¬
gegeben ober geben lassen, so wäre zwar nicht das eigentlich Beabsichtigte ge-


tungen hindurchzuarbeiten, wenn man nicht Fachmann ist. Noch dazu erfahren
wir hier so Mssg-ire, daß die bedeutendste Autorität des Faches. die Bayern
besitzt, die beruhigende Ansicht ausspricht, im ganzen Gebiete von Bayern
existirten noch gar keine wissenschaftlich brauchbaren meteorologischen Beobach¬
tungen. —

Noch einmal fragen wir: was hat dies mit der „Bavaria" zu schaffe»?
Ein volles Dritttheil jedes Bandes ist mit diesem Ballast angefüllt, macht für
das Ganze etwa 1,000 Seiten groß Octav. — Ader wenn der gewöhnliche
Leser, d. h. derjenige, der im Besitz einer nach heutigem Maßstab sonst genügen¬
dem Durchschnittsbildung ist, aus der Bavaria gründliche Belehrung über das,
was sie verspricht, zu erlangen wünscht, gar nichts damit anfangen kann, so
dürfte doch vielleicht der Mann vom Fache, also der Geognost, der Meteorolog,
Botaniker :c,, sich für seinen Theil befriedigt fühlen? Es wäre eine Art von
Ersatz für das. was hier so ganz der vernünftig verstandenen Aufgabe zuwider
geschehen ist. Aber auch der Fachmann wird sich hier wenig Trost holen. Für
ihn ist alles> was dem andern ein populäres Verständniß eröffnen soll, trivial
und überflüssig und das Uebrige viel zu oberflächlich, eben weil es ja für ein
nicht fachgelehrtes Publikum bestimmt ist, das man doch unmöglich mit allem
Detail der Wissenschaft überschütten darf. Daher denn auch unaufhörlich Wen¬
dungen wie folgende: „Wir könne» nach dem Zwecke unserer Darstellung nur
das Allgemeinste, nur eine summarische Uebersicht geben", „wir müssen hier kurz
abbrechen, denn das Weitere würde langweilen", oder es erscheinen umgekehrt
wieder ganze Seilen voll lateinischer Namen von Steinen und Blumen, Käfern
und Schnecken, die im südlichen Bayern oder in Unterfranken vorkommen, zu¬
letzt mit einem etc. apokopirt, wodurch der einzige Nutzen, der aus einer solchen
statistischen Nomenclatur möglicherweise gezogen werden könnte, die Vollständig¬
keit der Uebersicht dem Gelehrten entgeht. So wird es höchstens auf ein paar
gelegentliche Notizen hinauslaufen, die in dem ungenießbaren Wüste vergraben
sind, aber eben deshalb wohl nicht zu leicht denen zu Gesicht kommen, die sie
brauchen könnten. —

Es bleibt unbegreiflich, nicht wie Fachgelehrte in dem besten Bestreben,
populär zu sein, solche Mißgriffe begehen konnte», sondern wie die Redaction
sich damit befriedigt fühlen mochte. Iltiehl selbst hat, wie man weiß, dem Be¬
griff einer Schilderung des Landes als natürlicher Basis des Bvlksdasems eine
ganz andere Lebensfülle zu geben verstanden und wenn er es auch nur als
Genremaler gethan hat. so durste man ihm doch zutrauen, daß er auch die For¬
derungen einer höheren Gattung wenigstens zu erkennen und zu würdigen,
wenn auch nicht selbst durchzuführen verstand. Hätte er doch ganz einfach die
betreffenden Abschnitte aus Walthers tvpischer Geographie von Bayern wieder¬
gegeben ober geben lassen, so wäre zwar nicht das eigentlich Beabsichtigte ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/148>, abgerufen am 22.12.2024.