Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Vergangenheit hinter sich liegen und die Blüthe des Mannesalters bereits über¬ Vergangenheit hinter sich liegen und die Blüthe des Mannesalters bereits über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190267"/> <p xml:id="ID_325" prev="#ID_324" next="#ID_326"> Vergangenheit hinter sich liegen und die Blüthe des Mannesalters bereits über¬<lb/> schritten, denn er zählte genau fünfzig Jahre; aber er brachte eine reiche Be¬<lb/> rufserfahrung mit. Seine Aeltern scheinen grade nicht in ärmlichen Verhältnissen<lb/> gelebt zu haben, da Orbilius schon a!s Knabe mit großer Lust den Wissen¬<lb/> schaften oblag; vielleicht trieb sein Vater ein einträgliches Handwerk. Aber eine<lb/> entsetzliche Katastrophe vernichtete plötzlich des Knaben Jugendglück. Seine<lb/> beiden Aeltern wurden, wie Sueton in seinen kurzen Biographien berühmter<lb/> Grammatiker erzählt, an einem und demselben Tage ermordet. Da dies nicht<lb/> bei einem räuberischen Ueberfalle geschah, sondern „durch die Arglist ihrer Feinde",<lb/> so ist es leicht möglich, daß politische Motive zu Grunde lagen und daß der<lb/> Vorfall mit den erbitterten Parteikämpfen vor dem Auslnuchc des Bnndes-<lb/> genossenkriegcs in Zusammenhang stand. Ob die Familie zufällig schon den<lb/> Beinamen Pupillus, d. h. „Waise", „Mündel", führte, oder ob der junge Or¬<lb/> bilius infolge seiner Verwaisung von seinen Landsleuten so genannt wurde,<lb/> wissen wir nicht. Jener Schlag beraubte ihn wahrscheinlich aller Existenzmittel;<lb/> denn er sah sich gezwungen, auf irgendeine Weise sein Brod zu verdienen, und<lb/> da er kein Handwerk gelernt hatte, so übernahm er ein subalternes Amt im<lb/> Dienste der städtischen Behörden, entweder als Lictor mit dem Stecken vor den<lb/> hochvermögcnden Zweimänuern oder den Aedilen Bencvents heischreitend, oder<lb/> als beflügelter Amtsbvtc deren Befehle verkündend, oder — und dies ist wohl<lb/> das Wahrscheinlichste — als Schreiber oder Rechnungsführer in der Kanzlei<lb/> beschäftigt. In allen diesen Fällen w.ir der Lohn ebenso gering als das An¬<lb/> sehen des Standes vor der Welt, und wenn sich in Rom nur Leute niederer<lb/> Herkunft zu solchen Anstellungen drängten, so war es natürlich in einer Pro-<lb/> vinzialstadt nicht anders. Nur wenige Jahre kann Orbilius diesen friedlichen<lb/> Dienst bekleidet haben, als er, vielleicht um das Jahr 90 v. Chr. zur militä¬<lb/> rischen Carriere überging. Ob dies aus freiem Entschlüsse geschehen sei odcr<lb/> ob ein Aushcbungscommissär ihn ausfindig gemacht habe, bleibt dunkel; beinahe<lb/> möchte man sich aber für das Zweite entscheiden, weil seit Marius die Con-<lb/> scription in ganz Italien stattfand, weil sein kleines Amt ihm nicht Dienstfrei¬<lb/> heit verschafft haben mag und weil zum Dienstcrlaß jeder Zeit eine reiche Geld¬<lb/> spende für die mit der Aushebung betrauten Offiziere unerläßlich war. Als<lb/> Vaterlandsvertheidiger diente der künftige Schulmonarch nach Sueton in Ma¬<lb/> kedonien. Zu dieser Provinz gehörte aber auch Thessalien und es ist mehr als<lb/> wahrscheinlich, daß er dort den zwischen 87 und 85 sich abspielenden Krieg<lb/> gegen den Pontischen Mithridates mitmachte. Er brachte es sogar hier bald<lb/> zum Adjutanten des Legionsobersten, vielleicht weniger durch seine Tapferkeit<lb/> als durch seine Feoergcwandtheit, da nun die Kanzlei des Commandirenden zu<lb/> seinem Ressort gehörte. Sein Posten stand aber immer noch einen Grad unter<lb/> dem Hauptmann, wenn er auch im Avancement vom Gemeinen an die zehnte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
Vergangenheit hinter sich liegen und die Blüthe des Mannesalters bereits über¬
schritten, denn er zählte genau fünfzig Jahre; aber er brachte eine reiche Be¬
rufserfahrung mit. Seine Aeltern scheinen grade nicht in ärmlichen Verhältnissen
gelebt zu haben, da Orbilius schon a!s Knabe mit großer Lust den Wissen¬
schaften oblag; vielleicht trieb sein Vater ein einträgliches Handwerk. Aber eine
entsetzliche Katastrophe vernichtete plötzlich des Knaben Jugendglück. Seine
beiden Aeltern wurden, wie Sueton in seinen kurzen Biographien berühmter
Grammatiker erzählt, an einem und demselben Tage ermordet. Da dies nicht
bei einem räuberischen Ueberfalle geschah, sondern „durch die Arglist ihrer Feinde",
so ist es leicht möglich, daß politische Motive zu Grunde lagen und daß der
Vorfall mit den erbitterten Parteikämpfen vor dem Auslnuchc des Bnndes-
genossenkriegcs in Zusammenhang stand. Ob die Familie zufällig schon den
Beinamen Pupillus, d. h. „Waise", „Mündel", führte, oder ob der junge Or¬
bilius infolge seiner Verwaisung von seinen Landsleuten so genannt wurde,
wissen wir nicht. Jener Schlag beraubte ihn wahrscheinlich aller Existenzmittel;
denn er sah sich gezwungen, auf irgendeine Weise sein Brod zu verdienen, und
da er kein Handwerk gelernt hatte, so übernahm er ein subalternes Amt im
Dienste der städtischen Behörden, entweder als Lictor mit dem Stecken vor den
hochvermögcnden Zweimänuern oder den Aedilen Bencvents heischreitend, oder
als beflügelter Amtsbvtc deren Befehle verkündend, oder — und dies ist wohl
das Wahrscheinlichste — als Schreiber oder Rechnungsführer in der Kanzlei
beschäftigt. In allen diesen Fällen w.ir der Lohn ebenso gering als das An¬
sehen des Standes vor der Welt, und wenn sich in Rom nur Leute niederer
Herkunft zu solchen Anstellungen drängten, so war es natürlich in einer Pro-
vinzialstadt nicht anders. Nur wenige Jahre kann Orbilius diesen friedlichen
Dienst bekleidet haben, als er, vielleicht um das Jahr 90 v. Chr. zur militä¬
rischen Carriere überging. Ob dies aus freiem Entschlüsse geschehen sei odcr
ob ein Aushcbungscommissär ihn ausfindig gemacht habe, bleibt dunkel; beinahe
möchte man sich aber für das Zweite entscheiden, weil seit Marius die Con-
scription in ganz Italien stattfand, weil sein kleines Amt ihm nicht Dienstfrei¬
heit verschafft haben mag und weil zum Dienstcrlaß jeder Zeit eine reiche Geld¬
spende für die mit der Aushebung betrauten Offiziere unerläßlich war. Als
Vaterlandsvertheidiger diente der künftige Schulmonarch nach Sueton in Ma¬
kedonien. Zu dieser Provinz gehörte aber auch Thessalien und es ist mehr als
wahrscheinlich, daß er dort den zwischen 87 und 85 sich abspielenden Krieg
gegen den Pontischen Mithridates mitmachte. Er brachte es sogar hier bald
zum Adjutanten des Legionsobersten, vielleicht weniger durch seine Tapferkeit
als durch seine Feoergcwandtheit, da nun die Kanzlei des Commandirenden zu
seinem Ressort gehörte. Sein Posten stand aber immer noch einen Grad unter
dem Hauptmann, wenn er auch im Avancement vom Gemeinen an die zehnte
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