Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"und schon recht hübsch für eine Villa an der Mosel; warum immer gleich nach
dem Höchsten greifen?

4) Die Bezeichnung Imperator durfte auch nicht fehlen. Die Interpreten
der nenniger Inschriften erklären sie als errichtet vom Cäsar Traianus, ehe er
Kaiser war; sie hätten besser gethan, dies schwierige Gebiet nicht zu betreten.
Bis jetzt kennen wir von Trajan als Cäsar weder echte Inschriften noch echte
Münzen; solche aus Nennig zu erhalten, ist, um nicht mehr zu sagen, beinahe
zu schön, um glaublich zu sein.

6) Daß die drei auf den fünf nenniger Inschriften vorkommenden Personen¬
namen, als Leculläinius Leeurus, LeeunäiniuL ^.ventinus, 1^. Vaceius Noae"
sens sämmtlich auf dem einen Monument von Igel wiederkehren, das vielleicht
das bekannteste des ganzen Rheinlandes ist und an dem der Weg von Trier nach
Nennig vorbeiführt, zeigt allein schon, daß die neuen Inschriften über jene
allbekannten gefälscht sind. Der Ausdehnung des Quellenstudiums, die sich
hier offenbart, ist es angemessen, daß der Verfertiger der Steine, indem er aus
dem Genitiv Leounämi des igeler Steins seinen Dativ LeeuruZmo bildete,
gleich dem seligen Lersch es übersah, daß Lscunclmi hier nicht von Leeulläiuus,
sondern von Leermämius herkommt, also im Dativ Lecimäivio lauten müßte.
Auch das Decliniren hat auf den Inschriften seine Haken.

6) Ueber das, was die Inschriften eigentlich besagen sollen, bin ich den
trierer Herren dankbar, mich belehrt zu haben; wie es denn für den Fern¬
stehenden immer schwierig ist. sich in den confusen Jdeenkreis eines solchen
Fälschers vollständig hineinzudenken. Gewiß sollen die Inschriften sagen,
erstlich, daß Kaiser Traian dem Bürgermeister von Trier ein Haus -- nach
der zweiten verbesserten und (etwa infolge der inzwischen aufgedeckten Bad¬
trümmer?) vermehrten Auflage auf Stein, auch noch ein Bad -- geschenkt habe;
zweitens, daß unter Trajan das trierer Amphitheater gebaut worden ist und daß
der Besitzer der Villa die Ehre und das Vergnügen gehabt hat, in demselben in
Gegenwart des Kaisers die erste Thierhetze zu geben. Alles das ist ja recht
wünschenswerth zu erfahren und stimmt auch wiederum beinahe zu gut zu dem
Mosaik der Villa mit den Amphitheaterscenen; aber daß das Tertianervorstellungen
sind, aus einem Kopfe entsprungen, der von römischem Municipalwesen und
allem, was hierher gehört, gar keine Anschauung hat, ist evident"

7) Das Klosterlatein avoua erexit, kuväatum et eoväituw, in xrae"
seutia, og-esaris ist von der Art, daß Paul van Merle sich im Grabe um¬
drehen wird, wenn er erfährt, wie tief sein Geschäft zur Zeit herabge¬
kommen ist. Was "stammelndes Provinziallatein" ist. weiß ich auch; dies mit
seinen abscheulichen Germanismen ist es nicht, sondern der reine unverfälschte
Franziskaner.

Nun, lieber Freund, wenn Ihre Geduld noch- aushalten sollte, die meinige


«und schon recht hübsch für eine Villa an der Mosel; warum immer gleich nach
dem Höchsten greifen?

4) Die Bezeichnung Imperator durfte auch nicht fehlen. Die Interpreten
der nenniger Inschriften erklären sie als errichtet vom Cäsar Traianus, ehe er
Kaiser war; sie hätten besser gethan, dies schwierige Gebiet nicht zu betreten.
Bis jetzt kennen wir von Trajan als Cäsar weder echte Inschriften noch echte
Münzen; solche aus Nennig zu erhalten, ist, um nicht mehr zu sagen, beinahe
zu schön, um glaublich zu sein.

6) Daß die drei auf den fünf nenniger Inschriften vorkommenden Personen¬
namen, als Leculläinius Leeurus, LeeunäiniuL ^.ventinus, 1^. Vaceius Noae»
sens sämmtlich auf dem einen Monument von Igel wiederkehren, das vielleicht
das bekannteste des ganzen Rheinlandes ist und an dem der Weg von Trier nach
Nennig vorbeiführt, zeigt allein schon, daß die neuen Inschriften über jene
allbekannten gefälscht sind. Der Ausdehnung des Quellenstudiums, die sich
hier offenbart, ist es angemessen, daß der Verfertiger der Steine, indem er aus
dem Genitiv Leounämi des igeler Steins seinen Dativ LeeuruZmo bildete,
gleich dem seligen Lersch es übersah, daß Lscunclmi hier nicht von Leeulläiuus,
sondern von Leermämius herkommt, also im Dativ Lecimäivio lauten müßte.
Auch das Decliniren hat auf den Inschriften seine Haken.

6) Ueber das, was die Inschriften eigentlich besagen sollen, bin ich den
trierer Herren dankbar, mich belehrt zu haben; wie es denn für den Fern¬
stehenden immer schwierig ist. sich in den confusen Jdeenkreis eines solchen
Fälschers vollständig hineinzudenken. Gewiß sollen die Inschriften sagen,
erstlich, daß Kaiser Traian dem Bürgermeister von Trier ein Haus — nach
der zweiten verbesserten und (etwa infolge der inzwischen aufgedeckten Bad¬
trümmer?) vermehrten Auflage auf Stein, auch noch ein Bad — geschenkt habe;
zweitens, daß unter Trajan das trierer Amphitheater gebaut worden ist und daß
der Besitzer der Villa die Ehre und das Vergnügen gehabt hat, in demselben in
Gegenwart des Kaisers die erste Thierhetze zu geben. Alles das ist ja recht
wünschenswerth zu erfahren und stimmt auch wiederum beinahe zu gut zu dem
Mosaik der Villa mit den Amphitheaterscenen; aber daß das Tertianervorstellungen
sind, aus einem Kopfe entsprungen, der von römischem Municipalwesen und
allem, was hierher gehört, gar keine Anschauung hat, ist evident»

7) Das Klosterlatein avoua erexit, kuväatum et eoväituw, in xrae»
seutia, og-esaris ist von der Art, daß Paul van Merle sich im Grabe um¬
drehen wird, wenn er erfährt, wie tief sein Geschäft zur Zeit herabge¬
kommen ist. Was „stammelndes Provinziallatein" ist. weiß ich auch; dies mit
seinen abscheulichen Germanismen ist es nicht, sondern der reine unverfälschte
Franziskaner.

Nun, lieber Freund, wenn Ihre Geduld noch- aushalten sollte, die meinige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286590"/>
          <p xml:id="ID_1306" prev="#ID_1305"> «und schon recht hübsch für eine Villa an der Mosel; warum immer gleich nach<lb/>
dem Höchsten greifen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1307"> 4) Die Bezeichnung Imperator durfte auch nicht fehlen. Die Interpreten<lb/>
der nenniger Inschriften erklären sie als errichtet vom Cäsar Traianus, ehe er<lb/>
Kaiser war; sie hätten besser gethan, dies schwierige Gebiet nicht zu betreten.<lb/>
Bis jetzt kennen wir von Trajan als Cäsar weder echte Inschriften noch echte<lb/>
Münzen; solche aus Nennig zu erhalten, ist, um nicht mehr zu sagen, beinahe<lb/>
zu schön, um glaublich zu sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1308"> 6) Daß die drei auf den fünf nenniger Inschriften vorkommenden Personen¬<lb/>
namen, als Leculläinius Leeurus, LeeunäiniuL ^.ventinus, 1^. Vaceius Noae»<lb/>
sens sämmtlich auf dem einen Monument von Igel wiederkehren, das vielleicht<lb/>
das bekannteste des ganzen Rheinlandes ist und an dem der Weg von Trier nach<lb/>
Nennig vorbeiführt, zeigt allein schon, daß die neuen Inschriften über jene<lb/>
allbekannten gefälscht sind. Der Ausdehnung des Quellenstudiums, die sich<lb/>
hier offenbart, ist es angemessen, daß der Verfertiger der Steine, indem er aus<lb/>
dem Genitiv Leounämi des igeler Steins seinen Dativ LeeuruZmo bildete,<lb/>
gleich dem seligen Lersch es übersah, daß Lscunclmi hier nicht von Leeulläiuus,<lb/>
sondern von Leermämius herkommt, also im Dativ Lecimäivio lauten müßte.<lb/>
Auch das Decliniren hat auf den Inschriften seine Haken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1309"> 6) Ueber das, was die Inschriften eigentlich besagen sollen, bin ich den<lb/>
trierer Herren dankbar, mich belehrt zu haben; wie es denn für den Fern¬<lb/>
stehenden immer schwierig ist. sich in den confusen Jdeenkreis eines solchen<lb/>
Fälschers vollständig hineinzudenken. Gewiß sollen die Inschriften sagen,<lb/>
erstlich, daß Kaiser Traian dem Bürgermeister von Trier ein Haus &#x2014; nach<lb/>
der zweiten verbesserten und (etwa infolge der inzwischen aufgedeckten Bad¬<lb/>
trümmer?) vermehrten Auflage auf Stein, auch noch ein Bad &#x2014; geschenkt habe;<lb/>
zweitens, daß unter Trajan das trierer Amphitheater gebaut worden ist und daß<lb/>
der Besitzer der Villa die Ehre und das Vergnügen gehabt hat, in demselben in<lb/>
Gegenwart des Kaisers die erste Thierhetze zu geben. Alles das ist ja recht<lb/>
wünschenswerth zu erfahren und stimmt auch wiederum beinahe zu gut zu dem<lb/>
Mosaik der Villa mit den Amphitheaterscenen; aber daß das Tertianervorstellungen<lb/>
sind, aus einem Kopfe entsprungen, der von römischem Municipalwesen und<lb/>
allem, was hierher gehört, gar keine Anschauung hat, ist evident»</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1310"> 7) Das Klosterlatein avoua erexit, kuväatum et eoväituw, in xrae»<lb/>
seutia, og-esaris ist von der Art, daß Paul van Merle sich im Grabe um¬<lb/>
drehen wird, wenn er erfährt, wie tief sein Geschäft zur Zeit herabge¬<lb/>
kommen ist. Was &#x201E;stammelndes Provinziallatein" ist. weiß ich auch; dies mit<lb/>
seinen abscheulichen Germanismen ist es nicht, sondern der reine unverfälschte<lb/>
Franziskaner.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1311" next="#ID_1312"> Nun, lieber Freund, wenn Ihre Geduld noch- aushalten sollte, die meinige</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0442] «und schon recht hübsch für eine Villa an der Mosel; warum immer gleich nach dem Höchsten greifen? 4) Die Bezeichnung Imperator durfte auch nicht fehlen. Die Interpreten der nenniger Inschriften erklären sie als errichtet vom Cäsar Traianus, ehe er Kaiser war; sie hätten besser gethan, dies schwierige Gebiet nicht zu betreten. Bis jetzt kennen wir von Trajan als Cäsar weder echte Inschriften noch echte Münzen; solche aus Nennig zu erhalten, ist, um nicht mehr zu sagen, beinahe zu schön, um glaublich zu sein. 6) Daß die drei auf den fünf nenniger Inschriften vorkommenden Personen¬ namen, als Leculläinius Leeurus, LeeunäiniuL ^.ventinus, 1^. Vaceius Noae» sens sämmtlich auf dem einen Monument von Igel wiederkehren, das vielleicht das bekannteste des ganzen Rheinlandes ist und an dem der Weg von Trier nach Nennig vorbeiführt, zeigt allein schon, daß die neuen Inschriften über jene allbekannten gefälscht sind. Der Ausdehnung des Quellenstudiums, die sich hier offenbart, ist es angemessen, daß der Verfertiger der Steine, indem er aus dem Genitiv Leounämi des igeler Steins seinen Dativ LeeuruZmo bildete, gleich dem seligen Lersch es übersah, daß Lscunclmi hier nicht von Leeulläiuus, sondern von Leermämius herkommt, also im Dativ Lecimäivio lauten müßte. Auch das Decliniren hat auf den Inschriften seine Haken. 6) Ueber das, was die Inschriften eigentlich besagen sollen, bin ich den trierer Herren dankbar, mich belehrt zu haben; wie es denn für den Fern¬ stehenden immer schwierig ist. sich in den confusen Jdeenkreis eines solchen Fälschers vollständig hineinzudenken. Gewiß sollen die Inschriften sagen, erstlich, daß Kaiser Traian dem Bürgermeister von Trier ein Haus — nach der zweiten verbesserten und (etwa infolge der inzwischen aufgedeckten Bad¬ trümmer?) vermehrten Auflage auf Stein, auch noch ein Bad — geschenkt habe; zweitens, daß unter Trajan das trierer Amphitheater gebaut worden ist und daß der Besitzer der Villa die Ehre und das Vergnügen gehabt hat, in demselben in Gegenwart des Kaisers die erste Thierhetze zu geben. Alles das ist ja recht wünschenswerth zu erfahren und stimmt auch wiederum beinahe zu gut zu dem Mosaik der Villa mit den Amphitheaterscenen; aber daß das Tertianervorstellungen sind, aus einem Kopfe entsprungen, der von römischem Municipalwesen und allem, was hierher gehört, gar keine Anschauung hat, ist evident» 7) Das Klosterlatein avoua erexit, kuväatum et eoväituw, in xrae» seutia, og-esaris ist von der Art, daß Paul van Merle sich im Grabe um¬ drehen wird, wenn er erfährt, wie tief sein Geschäft zur Zeit herabge¬ kommen ist. Was „stammelndes Provinziallatein" ist. weiß ich auch; dies mit seinen abscheulichen Germanismen ist es nicht, sondern der reine unverfälschte Franziskaner. Nun, lieber Freund, wenn Ihre Geduld noch- aushalten sollte, die meinige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/442
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/442>, abgerufen am 04.07.2024.