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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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ist ein kluger Mann mit Einfällen und gewandtem Stil, wie Herr v. Beust,
die äußerste Concession an den Zeitgeist. Allerdings hat man seiner Zeit die
Bach, Brück, Schmerling betitelt, benutzt und verbraucht, aber sie galten sämmt¬
lich, auch als sie im Lande als vielvermögend verehrt und angefeindet wurden,
an maßgebender Stelle für Nothbehelfe, als Seelen von untergeordneter Art,
deren Pfiffigkeit und Popularität man, so lange es nöthig war. mit innerer
Kälte ertrug. Wirklichen Einfluß im Großen haben sie niemals gehabt. Denn
man ist bei uns so vornehm, daß die ganze Auffassung von dem Werth der
Menschen und von den Pflichten und Rechten der Völker eine total andre ist.
als in dem Volke.

Wenn wir Deutschöstreicher jetzt unzufrieden murren, so gilt das zur
Zeit unserer Regierung noch so viel, als ob die schwarzen Vögel auf dem
Stephansthurm schreien. Wir sind nicht gefährlich, man nimmt an, daß das
höchste Interesse unseres Geldbeutels und unsere -- bei alledem noch -- be-
vorzugte Stellung im Staate uns unauflöslich mit dem Interesse der Dynastie
verbindet, und man behandelt uns jetzt wegwerfend, wie schwache Zugehörige,
die nicht mehr im Stande sind, die Fremden, an deren Beifall und Gehorsam
mehr gelegen ist, in Respect zu halten.

Wir aber zürnen und klagen und wissen keinen Rath. Und doch ist Oest¬
reich zwar arm an politischen Größen, aber es entbehrt nicht ganz der Charaktere,
welche das Zeug hätten, dem Staat aufzuhelfen. Männer wie Herbst und Giskra
wären an der Stelle des Grafen Belcredi für uns ein Trost, vielleicht unsere
Rettung.

Aber so lange unnütz ist, daran zu denken, ist auch unnütz, von einer
Wiederbelebung Oestreichs zu sprechen. Unterdeß arbeiten die Schneider an
neuen Uniformen und die Banknotenpresse verfertigt Banknoten ohne Maß,
wie uns versichert wird, zu größerer Bequemlichkeit der Controle fortan ohne
Nummern.




ist ein kluger Mann mit Einfällen und gewandtem Stil, wie Herr v. Beust,
die äußerste Concession an den Zeitgeist. Allerdings hat man seiner Zeit die
Bach, Brück, Schmerling betitelt, benutzt und verbraucht, aber sie galten sämmt¬
lich, auch als sie im Lande als vielvermögend verehrt und angefeindet wurden,
an maßgebender Stelle für Nothbehelfe, als Seelen von untergeordneter Art,
deren Pfiffigkeit und Popularität man, so lange es nöthig war. mit innerer
Kälte ertrug. Wirklichen Einfluß im Großen haben sie niemals gehabt. Denn
man ist bei uns so vornehm, daß die ganze Auffassung von dem Werth der
Menschen und von den Pflichten und Rechten der Völker eine total andre ist.
als in dem Volke.

Wenn wir Deutschöstreicher jetzt unzufrieden murren, so gilt das zur
Zeit unserer Regierung noch so viel, als ob die schwarzen Vögel auf dem
Stephansthurm schreien. Wir sind nicht gefährlich, man nimmt an, daß das
höchste Interesse unseres Geldbeutels und unsere — bei alledem noch — be-
vorzugte Stellung im Staate uns unauflöslich mit dem Interesse der Dynastie
verbindet, und man behandelt uns jetzt wegwerfend, wie schwache Zugehörige,
die nicht mehr im Stande sind, die Fremden, an deren Beifall und Gehorsam
mehr gelegen ist, in Respect zu halten.

Wir aber zürnen und klagen und wissen keinen Rath. Und doch ist Oest¬
reich zwar arm an politischen Größen, aber es entbehrt nicht ganz der Charaktere,
welche das Zeug hätten, dem Staat aufzuhelfen. Männer wie Herbst und Giskra
wären an der Stelle des Grafen Belcredi für uns ein Trost, vielleicht unsere
Rettung.

Aber so lange unnütz ist, daran zu denken, ist auch unnütz, von einer
Wiederbelebung Oestreichs zu sprechen. Unterdeß arbeiten die Schneider an
neuen Uniformen und die Banknotenpresse verfertigt Banknoten ohne Maß,
wie uns versichert wird, zu größerer Bequemlichkeit der Controle fortan ohne
Nummern.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/436>, abgerufen am 04.07.2024.