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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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bis 1847 arbeitete die alte büreaukratische Maschine fort. Das Wasser rauschte,
das Rad drehte sich, die Mühle klapperte. Warum sollte nicht ein junger ge¬
schäftsunkundiger Fürst glauben, sie producire auch Mehl?

Plötzlich lieferte das Jahr 1848 den Beweis, daß es nicht gut gehe, daß
gar kein Getreide aufgeschüttet und das ganze Mühlwerk morsch war. Da ging
man an den Neubau. Ende 1849, als es mit der "Revolution" schon vorbei
war, vereinbarte eine liberal-conservative, dem Herzog Adolph aufrichtig ergebene
Kammer eine Verfassung mit ihm, welche auch den Domänenstreit erledigte. Der
Friede war geschlossen. Das Land hielt ihn. Der Herzog nicht.

Diese feierlich pactirte und publicirte Verfassung hob der Herzog Ende
1851 einseitig auf, angeblich wegen der darin enthaltenen Grundrechte, in
Wirklichkeit wohl, um die Staatsdomänen, deren publizistischer Charakter in
jener Verfassung außer Zweifel gestellt war, für fürstliches Privateigenthum zu
erklären. Die einzelnen Hergange von 18S1 bis 1866 haben wir in einer vom
4. Mai 1866 datirten Denkschrift*) erzählt. Sie war ein letzter, freilich mit
nur sehr geringer'Hoffnung auf Erfolg, und in der That auch ohne allen und
jeden Erfolg unternommener Versuch, noch in der elften Stunde Frieden zu
stiften zwischen dem Herzog und dem Lande. Er wurde vereitelt von jenen
Personen, welche sich auf Kosten beider vom Unfrieden ernährten.

Von 1840 bis 1847 Halle den Herzog nichts in seinem subjectiven Belieben
gestört. Sein Minister Herr v, Dungern fragte stets in erster Linie nach dem
wiener Urtheil, in zweiter nach Serenissimi souveränem Gutdünken. Der Landtag
fiel damals nicht lästig. Mit dem Jahr 1848 hatte das ein Ende. Der Land¬
tag war von nun an wachsam und auch das Ministerium Hergenhahn regierte
streng constitutionell, nicht blos dem Lande, sondern auch dem Fürsten gegen¬
über. Als der leßtere diese Bahn verließ, trat es ab.

Diese kurze Periode einer Verfassung und Gesetz heilig achtenden Verwal¬
tung betrachtete der Herzog dank seiner in Wien geholten absolutistisch-Iegitimi-
stischen Erziehung als eine ebenso ordnungswidrige als für ewig überwundene
Episode, auf welche er stets mit einem Gefühl der Demüthigung, des Grimms
und der Bitterkeit zurückblickte. Noch vierzehn Jahre später ließ er dies dem
Minister Hergenhahn fühlen, den er doch 1848 gar nicht genug mit Lobes¬
erhebungen überhäufen konnte. Das absolutistische Regiment von 1840 bis
1847 war ein naiv-Patriarchalisches, das von 1882 bis 1866 ein gereizt-
aggressives.

Die ganze Bevölkerung wurde in zwei Classen getheilt: in solche, welche
ihrer eigenen Meinung und Ueberzeugung folgten, und in solche, welche den



-) Ein Auszug der Denkschrift findet sich in den Grenzboten von 1866, Nummer 2!?
(vom 1. Juni).

bis 1847 arbeitete die alte büreaukratische Maschine fort. Das Wasser rauschte,
das Rad drehte sich, die Mühle klapperte. Warum sollte nicht ein junger ge¬
schäftsunkundiger Fürst glauben, sie producire auch Mehl?

Plötzlich lieferte das Jahr 1848 den Beweis, daß es nicht gut gehe, daß
gar kein Getreide aufgeschüttet und das ganze Mühlwerk morsch war. Da ging
man an den Neubau. Ende 1849, als es mit der „Revolution" schon vorbei
war, vereinbarte eine liberal-conservative, dem Herzog Adolph aufrichtig ergebene
Kammer eine Verfassung mit ihm, welche auch den Domänenstreit erledigte. Der
Friede war geschlossen. Das Land hielt ihn. Der Herzog nicht.

Diese feierlich pactirte und publicirte Verfassung hob der Herzog Ende
1851 einseitig auf, angeblich wegen der darin enthaltenen Grundrechte, in
Wirklichkeit wohl, um die Staatsdomänen, deren publizistischer Charakter in
jener Verfassung außer Zweifel gestellt war, für fürstliches Privateigenthum zu
erklären. Die einzelnen Hergange von 18S1 bis 1866 haben wir in einer vom
4. Mai 1866 datirten Denkschrift*) erzählt. Sie war ein letzter, freilich mit
nur sehr geringer'Hoffnung auf Erfolg, und in der That auch ohne allen und
jeden Erfolg unternommener Versuch, noch in der elften Stunde Frieden zu
stiften zwischen dem Herzog und dem Lande. Er wurde vereitelt von jenen
Personen, welche sich auf Kosten beider vom Unfrieden ernährten.

Von 1840 bis 1847 Halle den Herzog nichts in seinem subjectiven Belieben
gestört. Sein Minister Herr v, Dungern fragte stets in erster Linie nach dem
wiener Urtheil, in zweiter nach Serenissimi souveränem Gutdünken. Der Landtag
fiel damals nicht lästig. Mit dem Jahr 1848 hatte das ein Ende. Der Land¬
tag war von nun an wachsam und auch das Ministerium Hergenhahn regierte
streng constitutionell, nicht blos dem Lande, sondern auch dem Fürsten gegen¬
über. Als der leßtere diese Bahn verließ, trat es ab.

Diese kurze Periode einer Verfassung und Gesetz heilig achtenden Verwal¬
tung betrachtete der Herzog dank seiner in Wien geholten absolutistisch-Iegitimi-
stischen Erziehung als eine ebenso ordnungswidrige als für ewig überwundene
Episode, auf welche er stets mit einem Gefühl der Demüthigung, des Grimms
und der Bitterkeit zurückblickte. Noch vierzehn Jahre später ließ er dies dem
Minister Hergenhahn fühlen, den er doch 1848 gar nicht genug mit Lobes¬
erhebungen überhäufen konnte. Das absolutistische Regiment von 1840 bis
1847 war ein naiv-Patriarchalisches, das von 1882 bis 1866 ein gereizt-
aggressives.

Die ganze Bevölkerung wurde in zwei Classen getheilt: in solche, welche
ihrer eigenen Meinung und Ueberzeugung folgten, und in solche, welche den



-) Ein Auszug der Denkschrift findet sich in den Grenzboten von 1866, Nummer 2!?
(vom 1. Juni).
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[0401] bis 1847 arbeitete die alte büreaukratische Maschine fort. Das Wasser rauschte, das Rad drehte sich, die Mühle klapperte. Warum sollte nicht ein junger ge¬ schäftsunkundiger Fürst glauben, sie producire auch Mehl? Plötzlich lieferte das Jahr 1848 den Beweis, daß es nicht gut gehe, daß gar kein Getreide aufgeschüttet und das ganze Mühlwerk morsch war. Da ging man an den Neubau. Ende 1849, als es mit der „Revolution" schon vorbei war, vereinbarte eine liberal-conservative, dem Herzog Adolph aufrichtig ergebene Kammer eine Verfassung mit ihm, welche auch den Domänenstreit erledigte. Der Friede war geschlossen. Das Land hielt ihn. Der Herzog nicht. Diese feierlich pactirte und publicirte Verfassung hob der Herzog Ende 1851 einseitig auf, angeblich wegen der darin enthaltenen Grundrechte, in Wirklichkeit wohl, um die Staatsdomänen, deren publizistischer Charakter in jener Verfassung außer Zweifel gestellt war, für fürstliches Privateigenthum zu erklären. Die einzelnen Hergange von 18S1 bis 1866 haben wir in einer vom 4. Mai 1866 datirten Denkschrift*) erzählt. Sie war ein letzter, freilich mit nur sehr geringer'Hoffnung auf Erfolg, und in der That auch ohne allen und jeden Erfolg unternommener Versuch, noch in der elften Stunde Frieden zu stiften zwischen dem Herzog und dem Lande. Er wurde vereitelt von jenen Personen, welche sich auf Kosten beider vom Unfrieden ernährten. Von 1840 bis 1847 Halle den Herzog nichts in seinem subjectiven Belieben gestört. Sein Minister Herr v, Dungern fragte stets in erster Linie nach dem wiener Urtheil, in zweiter nach Serenissimi souveränem Gutdünken. Der Landtag fiel damals nicht lästig. Mit dem Jahr 1848 hatte das ein Ende. Der Land¬ tag war von nun an wachsam und auch das Ministerium Hergenhahn regierte streng constitutionell, nicht blos dem Lande, sondern auch dem Fürsten gegen¬ über. Als der leßtere diese Bahn verließ, trat es ab. Diese kurze Periode einer Verfassung und Gesetz heilig achtenden Verwal¬ tung betrachtete der Herzog dank seiner in Wien geholten absolutistisch-Iegitimi- stischen Erziehung als eine ebenso ordnungswidrige als für ewig überwundene Episode, auf welche er stets mit einem Gefühl der Demüthigung, des Grimms und der Bitterkeit zurückblickte. Noch vierzehn Jahre später ließ er dies dem Minister Hergenhahn fühlen, den er doch 1848 gar nicht genug mit Lobes¬ erhebungen überhäufen konnte. Das absolutistische Regiment von 1840 bis 1847 war ein naiv-Patriarchalisches, das von 1882 bis 1866 ein gereizt- aggressives. Die ganze Bevölkerung wurde in zwei Classen getheilt: in solche, welche ihrer eigenen Meinung und Ueberzeugung folgten, und in solche, welche den -) Ein Auszug der Denkschrift findet sich in den Grenzboten von 1866, Nummer 2!? (vom 1. Juni).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/401>, abgerufen am 26.06.2024.