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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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in höherem Grade treibendes Element gewesen zu sein als militärische An¬
schauungen. Das Borgehen war von kurzer Dauer, er rückte dem Feind nicht
kühn auf den Leib und faßte ihn an seiner schwächsten Stelle, sondern ging
nur 1^/2 Meilen vor, verschanzte sich in einer un sich guten, in strategischer
Beziehung jedoch schlechten Position und erwartete den Gegner. So verband
er die befohlene Offensive mit der durch die Verhältnisse gebotenen Defensive
und dies erklärt seinen Untergang.

Schon am 1. Juli rückte Benedek mit einem großen Theil seines Heeres
wieder über die Elbe, nahm Stellung hinter der Bistritz, die Straße von Königs-
grätz über Sadova nach Horziz, die Front senkrecht durchschneidend, und benutzte
den 2. Juli, um sich nach Kräften zu verschanzen. Da dies alles in der Sphäre
der Truppen des Prinzen Friedrich Karl statthatte, so konnte es nicht unbemerkt
bleiben. Die Nachrichten hierüber häuften sich im preußischen Hauptquartier
immer mehr und dadurch wurde diesem das Handeln geboten. Anfangs scheint
man geglaubt zu haben, nur Theile der östreichischen Armee vor sich zu sehen,
nach und nach aber erkannte man die Wahrheit und im königlichen Haupt¬
quartier schwankte man dann nicht, die dargebotene Entscheidungsschlacht anzu¬
nehmen.

Wie verschieden das moralische Element auf beiden Seiten war, zeigt sich
aus den Dispositionen dicht vor der Schlacht. Die Oestreichs concentriren
alle ihre Kräfte in einen großen Haufen hinter der Höhe von China, schieben
fast ihre gesammte Artillerie in die vordere Linie und verschanzen sie nach Mög¬
lichkeit. Punz Friedrich Karl bricht schon in der Nacht auf, um jedenfalls um
.Feinde anzukommen, ehe er seinen Rückzug angetreten haben wird. Der Kron¬
prinz gar hatte für den Z.Juli dem einen seiner Corps, dem sechsten, ausge¬
geben, von der Seite der benedekschen Stellung her eine Demonstration gegen
Josephstadt zu machen, weil er es für möglich hielt, diese Festung einfach durch
Drohung in die Hand zu bekommen. Der König aber richtete seinen Angriff
von vorn herein der Art ein, daß er den Gegner vollständig umfaßte; Prinz
Friedrich Karl sollte in der Front festhalten, während der Kronprinz und General
v. Herwarth gegen die Flanken und die feindlichen Rückzugslünen vordrangen.
Wir lesen nirgends, daß über eine specielle Reserve disponirt worden wäre, um
bei diesen, von Seiten der Flügelarmeen den eigenen Rückzug preisgebenden
Bewegungen stützend oder helfend eingreifen zu können.

Die Oestreicher hatten also an die Ufer der Bistritz von Nechanitz bis
Benatek und von hier über Horonowcs nach Racitz an die Ufer der Trotina
bis zu deren Einmündung in die Elbe beim Ort gleichen Namens in einem
großen Halbkreis, dessen Krümmung an der Trotina schärfer wurde, ihre Vor-
truppen aufgestellt. Von diesen Wässern steigt das Terrain auf durchschnittlich
zweitausend Schritt langen Abhängen sanft an; auf der Höhe der Abhänge


in höherem Grade treibendes Element gewesen zu sein als militärische An¬
schauungen. Das Borgehen war von kurzer Dauer, er rückte dem Feind nicht
kühn auf den Leib und faßte ihn an seiner schwächsten Stelle, sondern ging
nur 1^/2 Meilen vor, verschanzte sich in einer un sich guten, in strategischer
Beziehung jedoch schlechten Position und erwartete den Gegner. So verband
er die befohlene Offensive mit der durch die Verhältnisse gebotenen Defensive
und dies erklärt seinen Untergang.

Schon am 1. Juli rückte Benedek mit einem großen Theil seines Heeres
wieder über die Elbe, nahm Stellung hinter der Bistritz, die Straße von Königs-
grätz über Sadova nach Horziz, die Front senkrecht durchschneidend, und benutzte
den 2. Juli, um sich nach Kräften zu verschanzen. Da dies alles in der Sphäre
der Truppen des Prinzen Friedrich Karl statthatte, so konnte es nicht unbemerkt
bleiben. Die Nachrichten hierüber häuften sich im preußischen Hauptquartier
immer mehr und dadurch wurde diesem das Handeln geboten. Anfangs scheint
man geglaubt zu haben, nur Theile der östreichischen Armee vor sich zu sehen,
nach und nach aber erkannte man die Wahrheit und im königlichen Haupt¬
quartier schwankte man dann nicht, die dargebotene Entscheidungsschlacht anzu¬
nehmen.

Wie verschieden das moralische Element auf beiden Seiten war, zeigt sich
aus den Dispositionen dicht vor der Schlacht. Die Oestreichs concentriren
alle ihre Kräfte in einen großen Haufen hinter der Höhe von China, schieben
fast ihre gesammte Artillerie in die vordere Linie und verschanzen sie nach Mög¬
lichkeit. Punz Friedrich Karl bricht schon in der Nacht auf, um jedenfalls um
.Feinde anzukommen, ehe er seinen Rückzug angetreten haben wird. Der Kron¬
prinz gar hatte für den Z.Juli dem einen seiner Corps, dem sechsten, ausge¬
geben, von der Seite der benedekschen Stellung her eine Demonstration gegen
Josephstadt zu machen, weil er es für möglich hielt, diese Festung einfach durch
Drohung in die Hand zu bekommen. Der König aber richtete seinen Angriff
von vorn herein der Art ein, daß er den Gegner vollständig umfaßte; Prinz
Friedrich Karl sollte in der Front festhalten, während der Kronprinz und General
v. Herwarth gegen die Flanken und die feindlichen Rückzugslünen vordrangen.
Wir lesen nirgends, daß über eine specielle Reserve disponirt worden wäre, um
bei diesen, von Seiten der Flügelarmeen den eigenen Rückzug preisgebenden
Bewegungen stützend oder helfend eingreifen zu können.

Die Oestreicher hatten also an die Ufer der Bistritz von Nechanitz bis
Benatek und von hier über Horonowcs nach Racitz an die Ufer der Trotina
bis zu deren Einmündung in die Elbe beim Ort gleichen Namens in einem
großen Halbkreis, dessen Krümmung an der Trotina schärfer wurde, ihre Vor-
truppen aufgestellt. Von diesen Wässern steigt das Terrain auf durchschnittlich
zweitausend Schritt langen Abhängen sanft an; auf der Höhe der Abhänge


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[0364] in höherem Grade treibendes Element gewesen zu sein als militärische An¬ schauungen. Das Borgehen war von kurzer Dauer, er rückte dem Feind nicht kühn auf den Leib und faßte ihn an seiner schwächsten Stelle, sondern ging nur 1^/2 Meilen vor, verschanzte sich in einer un sich guten, in strategischer Beziehung jedoch schlechten Position und erwartete den Gegner. So verband er die befohlene Offensive mit der durch die Verhältnisse gebotenen Defensive und dies erklärt seinen Untergang. Schon am 1. Juli rückte Benedek mit einem großen Theil seines Heeres wieder über die Elbe, nahm Stellung hinter der Bistritz, die Straße von Königs- grätz über Sadova nach Horziz, die Front senkrecht durchschneidend, und benutzte den 2. Juli, um sich nach Kräften zu verschanzen. Da dies alles in der Sphäre der Truppen des Prinzen Friedrich Karl statthatte, so konnte es nicht unbemerkt bleiben. Die Nachrichten hierüber häuften sich im preußischen Hauptquartier immer mehr und dadurch wurde diesem das Handeln geboten. Anfangs scheint man geglaubt zu haben, nur Theile der östreichischen Armee vor sich zu sehen, nach und nach aber erkannte man die Wahrheit und im königlichen Haupt¬ quartier schwankte man dann nicht, die dargebotene Entscheidungsschlacht anzu¬ nehmen. Wie verschieden das moralische Element auf beiden Seiten war, zeigt sich aus den Dispositionen dicht vor der Schlacht. Die Oestreichs concentriren alle ihre Kräfte in einen großen Haufen hinter der Höhe von China, schieben fast ihre gesammte Artillerie in die vordere Linie und verschanzen sie nach Mög¬ lichkeit. Punz Friedrich Karl bricht schon in der Nacht auf, um jedenfalls um .Feinde anzukommen, ehe er seinen Rückzug angetreten haben wird. Der Kron¬ prinz gar hatte für den Z.Juli dem einen seiner Corps, dem sechsten, ausge¬ geben, von der Seite der benedekschen Stellung her eine Demonstration gegen Josephstadt zu machen, weil er es für möglich hielt, diese Festung einfach durch Drohung in die Hand zu bekommen. Der König aber richtete seinen Angriff von vorn herein der Art ein, daß er den Gegner vollständig umfaßte; Prinz Friedrich Karl sollte in der Front festhalten, während der Kronprinz und General v. Herwarth gegen die Flanken und die feindlichen Rückzugslünen vordrangen. Wir lesen nirgends, daß über eine specielle Reserve disponirt worden wäre, um bei diesen, von Seiten der Flügelarmeen den eigenen Rückzug preisgebenden Bewegungen stützend oder helfend eingreifen zu können. Die Oestreicher hatten also an die Ufer der Bistritz von Nechanitz bis Benatek und von hier über Horonowcs nach Racitz an die Ufer der Trotina bis zu deren Einmündung in die Elbe beim Ort gleichen Namens in einem großen Halbkreis, dessen Krümmung an der Trotina schärfer wurde, ihre Vor- truppen aufgestellt. Von diesen Wässern steigt das Terrain auf durchschnittlich zweitausend Schritt langen Abhängen sanft an; auf der Höhe der Abhänge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/364>, abgerufen am 04.07.2024.