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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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spricht sich zwar entschieden zu Gunsten des freien privatrechtlichen Verfügungs¬
rechtes der Hofeigenthümer aus, ist aber doch für Beibehaltung des Grund¬
satzes der Hofvercrbung auf einen Erben (das Anerbenrecht) als gesetzliche
Erbfolge.

Endlich noch ein Wort über die Gesetzgebung betreffs Ablösung der Grund¬
lasten. Auch hier ist namhafte Differenz zu constatiren. Das Ablösungscapital
beträgt in Hannover das 26 fache der Jahresleistung, in Preußen dagegen das
18fache resp. 20fache, wenn nämlich der Verpflichtete die Ablösung durch Schuld¬
verschreibungen der Rentenbank verlangt. Dort also erhält der Berechtigte für
den Jahresbeitrag von 4 Thaler eine Baarzahlung von 100, hier entweder
72 Thaler oder einen 4proccntigen von seiner Seite unkündbaren Schuldschein
über 80 Thaler. Dies Fünftel, welches der Berechtigte in Preußen weniger
erhält, wird bei Ablösung mittels Ncntenbnefen zur allmäligen Tilgung der
Schuld des Pflichtigen verwendet. Amortisationsverfahren und Einkassirung
der Jahresbeträge, die ganze überaus fördernde Stellung des Staats zur
Rentenbank in Preußen u. s. w. würde den Verpflichteten in Hannover, wenn
sie hier eingeführt würde, zwar außerordentliche Vortheile bringen; die entsprechen¬
den Einrichtungen der hannoverischen Landescreditanstalt jedoch haben den Werth
noch größerer Gerechtigkeit, da die Capitalisirung mit 4 für Hundert dem Be¬
rechtigten eben gemalt die gebührende Entschädigung giebt, wenigstens so lange
4 Procent der normale Zinsfuß bleibt.

In Summa: die Institutionen, für deren Beibehaltung im Obigen ge¬
sprochen wird, sind kostspieliger als die preußischen, die sonst statt ihrer einzu¬
führen wären. Erscheint das unbillig, so darf nicht vergessen werden, daß Han¬
nover mit größerem Einkommen in die Verbindung eintritt. Das Plus resultirt
namentlich aus der Rente der Staatseisenbahnen, der Domänen und Forsten,
aus der Grundsteuer, der nachhaltigen persönlichen Stcuerkraft der Einwohner
und der höchst mäßigen Staatsschuld. -- Trauern die Gemüthspatrioten über
den großen Unterschied zwischen den 48er Idolen mit ihrem Kaiser und Neichs-
gepränge und dem, was sich heute'als Entschädigung dafür mehr aufgedrängt
als angeboten hat, so muß immer wieder daran erinnert werden, was dieses
neuen Wesens Kern ist: Macht, staatenbildende Kraft, ein echtes Königthum,
ein deutsches Heer, wie noch keines gewesen, und Siege, deren moralische Wir¬
kung die gefürchtet" Scheidelinie inmitten Deutschlands, deren Beseitigung den
heutigen Gcsinnungsncbcl in Hannover völlig zerstreuen müßte, mit jedem Tage
unschädlicher machen.

Die Bilanz obiger von sachkundiger Hand ohne Scheu und Vorurtheil ge¬
zogenen Parallele zeigt klar, daß die Verschmelzung Hannovers mit Preußen
bezüglich der Staatsverfassung im weitesten Umfange keine Unmöglichkeit, noch
viel weniger ein Unglück für die Hannoveraner ist. Sie wird zum Heile ge"


spricht sich zwar entschieden zu Gunsten des freien privatrechtlichen Verfügungs¬
rechtes der Hofeigenthümer aus, ist aber doch für Beibehaltung des Grund¬
satzes der Hofvercrbung auf einen Erben (das Anerbenrecht) als gesetzliche
Erbfolge.

Endlich noch ein Wort über die Gesetzgebung betreffs Ablösung der Grund¬
lasten. Auch hier ist namhafte Differenz zu constatiren. Das Ablösungscapital
beträgt in Hannover das 26 fache der Jahresleistung, in Preußen dagegen das
18fache resp. 20fache, wenn nämlich der Verpflichtete die Ablösung durch Schuld¬
verschreibungen der Rentenbank verlangt. Dort also erhält der Berechtigte für
den Jahresbeitrag von 4 Thaler eine Baarzahlung von 100, hier entweder
72 Thaler oder einen 4proccntigen von seiner Seite unkündbaren Schuldschein
über 80 Thaler. Dies Fünftel, welches der Berechtigte in Preußen weniger
erhält, wird bei Ablösung mittels Ncntenbnefen zur allmäligen Tilgung der
Schuld des Pflichtigen verwendet. Amortisationsverfahren und Einkassirung
der Jahresbeträge, die ganze überaus fördernde Stellung des Staats zur
Rentenbank in Preußen u. s. w. würde den Verpflichteten in Hannover, wenn
sie hier eingeführt würde, zwar außerordentliche Vortheile bringen; die entsprechen¬
den Einrichtungen der hannoverischen Landescreditanstalt jedoch haben den Werth
noch größerer Gerechtigkeit, da die Capitalisirung mit 4 für Hundert dem Be¬
rechtigten eben gemalt die gebührende Entschädigung giebt, wenigstens so lange
4 Procent der normale Zinsfuß bleibt.

In Summa: die Institutionen, für deren Beibehaltung im Obigen ge¬
sprochen wird, sind kostspieliger als die preußischen, die sonst statt ihrer einzu¬
führen wären. Erscheint das unbillig, so darf nicht vergessen werden, daß Han¬
nover mit größerem Einkommen in die Verbindung eintritt. Das Plus resultirt
namentlich aus der Rente der Staatseisenbahnen, der Domänen und Forsten,
aus der Grundsteuer, der nachhaltigen persönlichen Stcuerkraft der Einwohner
und der höchst mäßigen Staatsschuld. — Trauern die Gemüthspatrioten über
den großen Unterschied zwischen den 48er Idolen mit ihrem Kaiser und Neichs-
gepränge und dem, was sich heute'als Entschädigung dafür mehr aufgedrängt
als angeboten hat, so muß immer wieder daran erinnert werden, was dieses
neuen Wesens Kern ist: Macht, staatenbildende Kraft, ein echtes Königthum,
ein deutsches Heer, wie noch keines gewesen, und Siege, deren moralische Wir¬
kung die gefürchtet« Scheidelinie inmitten Deutschlands, deren Beseitigung den
heutigen Gcsinnungsncbcl in Hannover völlig zerstreuen müßte, mit jedem Tage
unschädlicher machen.

Die Bilanz obiger von sachkundiger Hand ohne Scheu und Vorurtheil ge¬
zogenen Parallele zeigt klar, daß die Verschmelzung Hannovers mit Preußen
bezüglich der Staatsverfassung im weitesten Umfange keine Unmöglichkeit, noch
viel weniger ein Unglück für die Hannoveraner ist. Sie wird zum Heile ge«


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[0301] spricht sich zwar entschieden zu Gunsten des freien privatrechtlichen Verfügungs¬ rechtes der Hofeigenthümer aus, ist aber doch für Beibehaltung des Grund¬ satzes der Hofvercrbung auf einen Erben (das Anerbenrecht) als gesetzliche Erbfolge. Endlich noch ein Wort über die Gesetzgebung betreffs Ablösung der Grund¬ lasten. Auch hier ist namhafte Differenz zu constatiren. Das Ablösungscapital beträgt in Hannover das 26 fache der Jahresleistung, in Preußen dagegen das 18fache resp. 20fache, wenn nämlich der Verpflichtete die Ablösung durch Schuld¬ verschreibungen der Rentenbank verlangt. Dort also erhält der Berechtigte für den Jahresbeitrag von 4 Thaler eine Baarzahlung von 100, hier entweder 72 Thaler oder einen 4proccntigen von seiner Seite unkündbaren Schuldschein über 80 Thaler. Dies Fünftel, welches der Berechtigte in Preußen weniger erhält, wird bei Ablösung mittels Ncntenbnefen zur allmäligen Tilgung der Schuld des Pflichtigen verwendet. Amortisationsverfahren und Einkassirung der Jahresbeträge, die ganze überaus fördernde Stellung des Staats zur Rentenbank in Preußen u. s. w. würde den Verpflichteten in Hannover, wenn sie hier eingeführt würde, zwar außerordentliche Vortheile bringen; die entsprechen¬ den Einrichtungen der hannoverischen Landescreditanstalt jedoch haben den Werth noch größerer Gerechtigkeit, da die Capitalisirung mit 4 für Hundert dem Be¬ rechtigten eben gemalt die gebührende Entschädigung giebt, wenigstens so lange 4 Procent der normale Zinsfuß bleibt. In Summa: die Institutionen, für deren Beibehaltung im Obigen ge¬ sprochen wird, sind kostspieliger als die preußischen, die sonst statt ihrer einzu¬ führen wären. Erscheint das unbillig, so darf nicht vergessen werden, daß Han¬ nover mit größerem Einkommen in die Verbindung eintritt. Das Plus resultirt namentlich aus der Rente der Staatseisenbahnen, der Domänen und Forsten, aus der Grundsteuer, der nachhaltigen persönlichen Stcuerkraft der Einwohner und der höchst mäßigen Staatsschuld. — Trauern die Gemüthspatrioten über den großen Unterschied zwischen den 48er Idolen mit ihrem Kaiser und Neichs- gepränge und dem, was sich heute'als Entschädigung dafür mehr aufgedrängt als angeboten hat, so muß immer wieder daran erinnert werden, was dieses neuen Wesens Kern ist: Macht, staatenbildende Kraft, ein echtes Königthum, ein deutsches Heer, wie noch keines gewesen, und Siege, deren moralische Wir¬ kung die gefürchtet« Scheidelinie inmitten Deutschlands, deren Beseitigung den heutigen Gcsinnungsncbcl in Hannover völlig zerstreuen müßte, mit jedem Tage unschädlicher machen. Die Bilanz obiger von sachkundiger Hand ohne Scheu und Vorurtheil ge¬ zogenen Parallele zeigt klar, daß die Verschmelzung Hannovers mit Preußen bezüglich der Staatsverfassung im weitesten Umfange keine Unmöglichkeit, noch viel weniger ein Unglück für die Hannoveraner ist. Sie wird zum Heile ge«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/301>, abgerufen am 04.07.2024.