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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Friedrich Karl nur die Sachsen und einige Cavalerie stehen, so konnte der
Kronprinz sich nur dadurch retten, daß er sich auf Friedrich Karl zurück zog
und Schlesien zum größten Theil preisgab. Ein moralischer Schlag, der für
Preußen mit seiner jungen Armee und in seiner gewagten Unternehmung gegen
ganz Deutschland von der höchsten Bedeutung war. und der das Schicksal des
Krieges drehen konnte, obgleich die preußische Armee sich so viel besser ergab
als die östreichische. Die schlesischen Zeitungen athmeten denn auch vor Beginn
des Krieges eine wohlbegründete Sorge vor dem Einfall der östreichischen
Truppen. -- Daß Benedei" den ihm durch die Lage gebotenen Vortheil nicht
nutzte, sondern sich Vom Feinde bestimmen ließ, war ein großer strategischer
Fehler. Die inzwischen bekannt gewordenen Verhandlungen zwischen Bayern
und Oestreich beweisen aber, daß letzteres sich verpflichtet hatte, den Angriff
abzuwarten, daß Benedek also nicht angreifen durfte. Wie eine Regierung
solchen Pakt, der dem Gegner vorweg ein moralisches Uebergewicht giebt, An¬
gesichts eines großen Krieges eingehen kann, ist nur dann erklärlich, wenn man
annimmt. Oestreich habe selbst da noch nicht an den Krieg geglaubt, als es
Preußen durch den Bundcsbeschluß vom 14. Juni terrorisirte. Der Kaiser Franz
Joseph, wie die ganze östreichische Armee unterschätzten ihren Gegner vollkommen,
wie ja alle wiener Zeitungen, und noch mehr die von Benedek für die Regie¬
rung des feindlichen Landes schon vorräthig gedruckten und von den Preußen
später gefundenen Proklamationen und Instruktionen beweisen. An die Echt¬
heit des von den Zeitungen publicirten bcnedekschen Armeebefehls vor Beginn
des Krieges kann man nicht glauben, er verriethe zu viel Unkenntniß und Ueber¬
hebung.

Benedek überließ also seinen Gegnern die erste Bestimmung des Operations¬
terrains. Da er es that, mußte er nach den preußischen Aufstellungen, die er
doch mehr oder minder genau kennen konnte, ja, die er kannte, wie später
aufgefangene Briefe u. s. w. beweisen, die Hauptkräfte gegen den Prinzen
Friedrich Karl disponiren. Wenn Benedek seine Armee, statt sie zu theilen,
vereinigte und in der Gegend von Pardubitz aufstellte, so wurde der preußischen
Armee die Vereinigung auf böhmischen Boden fast unmöglich, der Kronprinz
konnte im Angesicht der ganzen östreichischen Armee nicht die schlesischen Ge¬
birge Passiren. Schon Friedrich der Große hatte die Richtigkeit dieser Behaup¬
tung erfahren. Er hatte wiederholt versucht, auf denselben Wegen, die später
der Kronprinz einschlug, in Böhmen einzudringen, während eine andere Armee
von Sachsen her demonstrirte, aber vergebens. Die Anlage der beiden Festungen
Josephstadt und Königsgrätz allein weisen auf die strategische Bedeutung hin,
die man jener Gegend seit den Ersahrungen der schlesischen Kriege beilegte. --
Benedek muß geglaubt haben, daß die Preußen durch Oberschlesien, wohin diese
demonstrirten, gegen Mähren und Wien vordringen wollten, aber auch dafür


Friedrich Karl nur die Sachsen und einige Cavalerie stehen, so konnte der
Kronprinz sich nur dadurch retten, daß er sich auf Friedrich Karl zurück zog
und Schlesien zum größten Theil preisgab. Ein moralischer Schlag, der für
Preußen mit seiner jungen Armee und in seiner gewagten Unternehmung gegen
ganz Deutschland von der höchsten Bedeutung war. und der das Schicksal des
Krieges drehen konnte, obgleich die preußische Armee sich so viel besser ergab
als die östreichische. Die schlesischen Zeitungen athmeten denn auch vor Beginn
des Krieges eine wohlbegründete Sorge vor dem Einfall der östreichischen
Truppen. — Daß Benedei" den ihm durch die Lage gebotenen Vortheil nicht
nutzte, sondern sich Vom Feinde bestimmen ließ, war ein großer strategischer
Fehler. Die inzwischen bekannt gewordenen Verhandlungen zwischen Bayern
und Oestreich beweisen aber, daß letzteres sich verpflichtet hatte, den Angriff
abzuwarten, daß Benedek also nicht angreifen durfte. Wie eine Regierung
solchen Pakt, der dem Gegner vorweg ein moralisches Uebergewicht giebt, An¬
gesichts eines großen Krieges eingehen kann, ist nur dann erklärlich, wenn man
annimmt. Oestreich habe selbst da noch nicht an den Krieg geglaubt, als es
Preußen durch den Bundcsbeschluß vom 14. Juni terrorisirte. Der Kaiser Franz
Joseph, wie die ganze östreichische Armee unterschätzten ihren Gegner vollkommen,
wie ja alle wiener Zeitungen, und noch mehr die von Benedek für die Regie¬
rung des feindlichen Landes schon vorräthig gedruckten und von den Preußen
später gefundenen Proklamationen und Instruktionen beweisen. An die Echt¬
heit des von den Zeitungen publicirten bcnedekschen Armeebefehls vor Beginn
des Krieges kann man nicht glauben, er verriethe zu viel Unkenntniß und Ueber¬
hebung.

Benedek überließ also seinen Gegnern die erste Bestimmung des Operations¬
terrains. Da er es that, mußte er nach den preußischen Aufstellungen, die er
doch mehr oder minder genau kennen konnte, ja, die er kannte, wie später
aufgefangene Briefe u. s. w. beweisen, die Hauptkräfte gegen den Prinzen
Friedrich Karl disponiren. Wenn Benedek seine Armee, statt sie zu theilen,
vereinigte und in der Gegend von Pardubitz aufstellte, so wurde der preußischen
Armee die Vereinigung auf böhmischen Boden fast unmöglich, der Kronprinz
konnte im Angesicht der ganzen östreichischen Armee nicht die schlesischen Ge¬
birge Passiren. Schon Friedrich der Große hatte die Richtigkeit dieser Behaup¬
tung erfahren. Er hatte wiederholt versucht, auf denselben Wegen, die später
der Kronprinz einschlug, in Böhmen einzudringen, während eine andere Armee
von Sachsen her demonstrirte, aber vergebens. Die Anlage der beiden Festungen
Josephstadt und Königsgrätz allein weisen auf die strategische Bedeutung hin,
die man jener Gegend seit den Ersahrungen der schlesischen Kriege beilegte. —
Benedek muß geglaubt haben, daß die Preußen durch Oberschlesien, wohin diese
demonstrirten, gegen Mähren und Wien vordringen wollten, aber auch dafür


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[0264] Friedrich Karl nur die Sachsen und einige Cavalerie stehen, so konnte der Kronprinz sich nur dadurch retten, daß er sich auf Friedrich Karl zurück zog und Schlesien zum größten Theil preisgab. Ein moralischer Schlag, der für Preußen mit seiner jungen Armee und in seiner gewagten Unternehmung gegen ganz Deutschland von der höchsten Bedeutung war. und der das Schicksal des Krieges drehen konnte, obgleich die preußische Armee sich so viel besser ergab als die östreichische. Die schlesischen Zeitungen athmeten denn auch vor Beginn des Krieges eine wohlbegründete Sorge vor dem Einfall der östreichischen Truppen. — Daß Benedei" den ihm durch die Lage gebotenen Vortheil nicht nutzte, sondern sich Vom Feinde bestimmen ließ, war ein großer strategischer Fehler. Die inzwischen bekannt gewordenen Verhandlungen zwischen Bayern und Oestreich beweisen aber, daß letzteres sich verpflichtet hatte, den Angriff abzuwarten, daß Benedek also nicht angreifen durfte. Wie eine Regierung solchen Pakt, der dem Gegner vorweg ein moralisches Uebergewicht giebt, An¬ gesichts eines großen Krieges eingehen kann, ist nur dann erklärlich, wenn man annimmt. Oestreich habe selbst da noch nicht an den Krieg geglaubt, als es Preußen durch den Bundcsbeschluß vom 14. Juni terrorisirte. Der Kaiser Franz Joseph, wie die ganze östreichische Armee unterschätzten ihren Gegner vollkommen, wie ja alle wiener Zeitungen, und noch mehr die von Benedek für die Regie¬ rung des feindlichen Landes schon vorräthig gedruckten und von den Preußen später gefundenen Proklamationen und Instruktionen beweisen. An die Echt¬ heit des von den Zeitungen publicirten bcnedekschen Armeebefehls vor Beginn des Krieges kann man nicht glauben, er verriethe zu viel Unkenntniß und Ueber¬ hebung. Benedek überließ also seinen Gegnern die erste Bestimmung des Operations¬ terrains. Da er es that, mußte er nach den preußischen Aufstellungen, die er doch mehr oder minder genau kennen konnte, ja, die er kannte, wie später aufgefangene Briefe u. s. w. beweisen, die Hauptkräfte gegen den Prinzen Friedrich Karl disponiren. Wenn Benedek seine Armee, statt sie zu theilen, vereinigte und in der Gegend von Pardubitz aufstellte, so wurde der preußischen Armee die Vereinigung auf böhmischen Boden fast unmöglich, der Kronprinz konnte im Angesicht der ganzen östreichischen Armee nicht die schlesischen Ge¬ birge Passiren. Schon Friedrich der Große hatte die Richtigkeit dieser Behaup¬ tung erfahren. Er hatte wiederholt versucht, auf denselben Wegen, die später der Kronprinz einschlug, in Böhmen einzudringen, während eine andere Armee von Sachsen her demonstrirte, aber vergebens. Die Anlage der beiden Festungen Josephstadt und Königsgrätz allein weisen auf die strategische Bedeutung hin, die man jener Gegend seit den Ersahrungen der schlesischen Kriege beilegte. — Benedek muß geglaubt haben, daß die Preußen durch Oberschlesien, wohin diese demonstrirten, gegen Mähren und Wien vordringen wollten, aber auch dafür

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/264>, abgerufen am 04.07.2024.