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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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"Den Papst nehmen wir nicht an, sondern blos Christum: dies ist uns genug,
da kein andrer Name unter dem Himmel ist, durch den ein Mensch leben kann,
als der des wahren Christus."

Als wir eines Morgens aus dem Ort hinaus gegangen waren, hörten
wir von innerhalb - desselben eine laute Stimme. Wir trafen auf einen Pa¬
pisten mit einem Rosenkranz, i'n der Hand und fragten ihn, was das für eine
Stimme wäre. Er gab uns keine Antwort, und als wir ihn noch einmal
fragten, schalt er uns und sprach: "merkt ihr denn nicht, daß ich bete." Wir
sagten: "wir wußten nicht, daß Dein Pensum noch nicht vollendet wäre; geh
und vollende es." So ging er fort mit den Lippen flüsternd und in der Hand
den Rosenkranz umwendend. Wir kehrten darauf nach Mosul zurück.

In einer Sonnabendsnacht kamen wir im Hause des Mr. William zu¬
sammen um zu singen, und sahen daselbst einen Jezidi, einen Teufelsanbeter*).
Wenn die Jezidis hören, daß irgend jemand den Namen des Satans anwen¬
det, so wollen sie ihn tödten. Man muß ihnen gegenüber den Satan Taus
Makel nennen. Da wir dies nicht wußten, so sagten wir einem Knaben:
"Sage, verlangst Du nach dem Satan?" Als der Jezidi den Namen des
Satans hörte, schrie er vor Grimm auf. Er hatte einen Chandschar (krummen
Säbel) um; mit dem wollte er sich lieber durch den Pascha den Kopf ab¬
schneiden lassen, als daß der Name seines Herrn, des Satans, ausgesprochen
Würde. Dies ist ein schönes Beispiel für die Cuuslen: wenn er bereit war,
sich den Kopf um des Satans willen abschneiden zu lassen, wie viel mehr
ziemt es sich für Christen, sich den Kopf um Christi willen abschneiden zu
lassen.





-) Der Syrer theilt begreiflicherweise das Vorurtheil der dortigen Muslime und Chnsten
über diese alte Seele, die unzweifelhaft ihre Hauptwurzcl in der altpersischen Lichtreligion hat.
Genauere und zugleich authentische Nachrichten über sie gab zuerst Lnyard.

„Den Papst nehmen wir nicht an, sondern blos Christum: dies ist uns genug,
da kein andrer Name unter dem Himmel ist, durch den ein Mensch leben kann,
als der des wahren Christus."

Als wir eines Morgens aus dem Ort hinaus gegangen waren, hörten
wir von innerhalb - desselben eine laute Stimme. Wir trafen auf einen Pa¬
pisten mit einem Rosenkranz, i'n der Hand und fragten ihn, was das für eine
Stimme wäre. Er gab uns keine Antwort, und als wir ihn noch einmal
fragten, schalt er uns und sprach: „merkt ihr denn nicht, daß ich bete." Wir
sagten: „wir wußten nicht, daß Dein Pensum noch nicht vollendet wäre; geh
und vollende es." So ging er fort mit den Lippen flüsternd und in der Hand
den Rosenkranz umwendend. Wir kehrten darauf nach Mosul zurück.

In einer Sonnabendsnacht kamen wir im Hause des Mr. William zu¬
sammen um zu singen, und sahen daselbst einen Jezidi, einen Teufelsanbeter*).
Wenn die Jezidis hören, daß irgend jemand den Namen des Satans anwen¬
det, so wollen sie ihn tödten. Man muß ihnen gegenüber den Satan Taus
Makel nennen. Da wir dies nicht wußten, so sagten wir einem Knaben:
„Sage, verlangst Du nach dem Satan?" Als der Jezidi den Namen des
Satans hörte, schrie er vor Grimm auf. Er hatte einen Chandschar (krummen
Säbel) um; mit dem wollte er sich lieber durch den Pascha den Kopf ab¬
schneiden lassen, als daß der Name seines Herrn, des Satans, ausgesprochen
Würde. Dies ist ein schönes Beispiel für die Cuuslen: wenn er bereit war,
sich den Kopf um des Satans willen abschneiden zu lassen, wie viel mehr
ziemt es sich für Christen, sich den Kopf um Christi willen abschneiden zu
lassen.





-) Der Syrer theilt begreiflicherweise das Vorurtheil der dortigen Muslime und Chnsten
über diese alte Seele, die unzweifelhaft ihre Hauptwurzcl in der altpersischen Lichtreligion hat.
Genauere und zugleich authentische Nachrichten über sie gab zuerst Lnyard.
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[0259] „Den Papst nehmen wir nicht an, sondern blos Christum: dies ist uns genug, da kein andrer Name unter dem Himmel ist, durch den ein Mensch leben kann, als der des wahren Christus." Als wir eines Morgens aus dem Ort hinaus gegangen waren, hörten wir von innerhalb - desselben eine laute Stimme. Wir trafen auf einen Pa¬ pisten mit einem Rosenkranz, i'n der Hand und fragten ihn, was das für eine Stimme wäre. Er gab uns keine Antwort, und als wir ihn noch einmal fragten, schalt er uns und sprach: „merkt ihr denn nicht, daß ich bete." Wir sagten: „wir wußten nicht, daß Dein Pensum noch nicht vollendet wäre; geh und vollende es." So ging er fort mit den Lippen flüsternd und in der Hand den Rosenkranz umwendend. Wir kehrten darauf nach Mosul zurück. In einer Sonnabendsnacht kamen wir im Hause des Mr. William zu¬ sammen um zu singen, und sahen daselbst einen Jezidi, einen Teufelsanbeter*). Wenn die Jezidis hören, daß irgend jemand den Namen des Satans anwen¬ det, so wollen sie ihn tödten. Man muß ihnen gegenüber den Satan Taus Makel nennen. Da wir dies nicht wußten, so sagten wir einem Knaben: „Sage, verlangst Du nach dem Satan?" Als der Jezidi den Namen des Satans hörte, schrie er vor Grimm auf. Er hatte einen Chandschar (krummen Säbel) um; mit dem wollte er sich lieber durch den Pascha den Kopf ab¬ schneiden lassen, als daß der Name seines Herrn, des Satans, ausgesprochen Würde. Dies ist ein schönes Beispiel für die Cuuslen: wenn er bereit war, sich den Kopf um des Satans willen abschneiden zu lassen, wie viel mehr ziemt es sich für Christen, sich den Kopf um Christi willen abschneiden zu lassen. -) Der Syrer theilt begreiflicherweise das Vorurtheil der dortigen Muslime und Chnsten über diese alte Seele, die unzweifelhaft ihre Hauptwurzcl in der altpersischen Lichtreligion hat. Genauere und zugleich authentische Nachrichten über sie gab zuerst Lnyard.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/259>, abgerufen am 04.07.2024.