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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Am Sonnabend gingen wir von Maelthaje nach Zacho ins Haus eines
papistischen Priesters.

Sonntag verließen wir Zacho. wo es keine Nestorianer giebt, und gingen
nach Naherwan, einem Ort mit Nestoricinern. um dort zu predigen. Wir
kehrten beim Reis Schimon ein. der uns sehr freudig aufnahm. Wir gingen
in die Kirche, beteten dort und predigten. Der Rtts brachte ein Brevier und
sprach: "ich bitte Euch, in diesem Buche zu lesen". Sofort begannen wir Vor¬
zulesen, wie der Herr den Lazarus aus dem Grabe auferweckt und die Sünder
ebenso im Grab der Sünde gefangen liegen, und sangen dann laut aus dem
Brevier. Der Hof stand voll von Männern und Frauen.

Am Abend kamen die Bewohner des Orts zum Hause des Reis zusam¬
men, etwa dreißig an der Zahl, vier Parteien angehörig, nämlich Nestorianer.
Armenier, (syrische) Jakobitcn und Apostaten, wie dort die Papisten genannt
werden, und sagten: "wir wünschen diese Diaconen aus diesem Buche singen
zu hören". Wir lasen zuerst die Stelle vom Reichen und Lazarus und sangen
dann, darauf erklärten wir den Sinn davon; das gefiel ihnen gar sehr. Am
Morgen darauf kochten sie uns umsonst Pillau und Kaffee.

Dienstag gingen wir von Naherwan nach der Stadt Gezira (Dscheziret
Ihr Omar), wo wir die beiden folgenden Tage blieben. ,

Am Donnerstag begaben wir uns von Gezira nach Mar Aehä ins Haus
des Diaconus Eschaja (Esaias).

Am Sonntag baten wir den Priester, das Abendmahl auszutheilen. Auch
wir gingen mit ihm' in die Kirche: Dreimal baten wir den Priester Goriel
(Gabriel) um Erlaubniß, zu predigen, aber er wollte es nicht. Wir redeten
Einiges, blieben aber mehre Tage da, ohne zu predigen, und wurden von ihm
durchaus nicht dazu eingeladen. Da faßten wir den Entschluß, doch am Abend
in der Kirche zu predigen, um zu sehen, ob der Priester oder die Laien das
nicht litten. Als das Gebet beendigt war, lasen wir zuerst aus dem Neuen
Testament Römer 1.0. Wir fingen dann an: "O ihr Bäter, wir sind gekom¬
men von Arenia und vom Hause des Patriarchen, zu dessen Gemeinde wir
gehören. Wir haben Bischöfe, Priester und Diaconen, wie Ihr. Unser Abend¬
mahl, unsre Taufe und alle unsre Sacramente sind vollständig. Wenn Ihr
gegen Andere giltige Vorwände habt, so habt Ihr doch keine gegen uns. Wenn
Ihr von uns ein einzig Wort gegen das Neue Testament gehört habt, so wollen
wir verflucht sein; dann sollt ihr uns steinigen, unser Blut soll Euch dann zu
vergießen erlaubt sein." Wir predigten darauf über Rom. 10, 14: "Wie sollen
sie aber anrufen, an den sie njcht glauben? Wie sollen sie aber glauben, von
dem sie nichts gehöret haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?"
Da erhob sich der Priester und sagte: "Ihr gehört nicht zu uns; Ihr seid Pro¬
testanten, Euer Glaube ist zerrissen". Somit ging er fort und einige andere


Am Sonnabend gingen wir von Maelthaje nach Zacho ins Haus eines
papistischen Priesters.

Sonntag verließen wir Zacho. wo es keine Nestorianer giebt, und gingen
nach Naherwan, einem Ort mit Nestoricinern. um dort zu predigen. Wir
kehrten beim Reis Schimon ein. der uns sehr freudig aufnahm. Wir gingen
in die Kirche, beteten dort und predigten. Der Rtts brachte ein Brevier und
sprach: „ich bitte Euch, in diesem Buche zu lesen". Sofort begannen wir Vor¬
zulesen, wie der Herr den Lazarus aus dem Grabe auferweckt und die Sünder
ebenso im Grab der Sünde gefangen liegen, und sangen dann laut aus dem
Brevier. Der Hof stand voll von Männern und Frauen.

Am Abend kamen die Bewohner des Orts zum Hause des Reis zusam¬
men, etwa dreißig an der Zahl, vier Parteien angehörig, nämlich Nestorianer.
Armenier, (syrische) Jakobitcn und Apostaten, wie dort die Papisten genannt
werden, und sagten: „wir wünschen diese Diaconen aus diesem Buche singen
zu hören". Wir lasen zuerst die Stelle vom Reichen und Lazarus und sangen
dann, darauf erklärten wir den Sinn davon; das gefiel ihnen gar sehr. Am
Morgen darauf kochten sie uns umsonst Pillau und Kaffee.

Dienstag gingen wir von Naherwan nach der Stadt Gezira (Dscheziret
Ihr Omar), wo wir die beiden folgenden Tage blieben. ,

Am Donnerstag begaben wir uns von Gezira nach Mar Aehä ins Haus
des Diaconus Eschaja (Esaias).

Am Sonntag baten wir den Priester, das Abendmahl auszutheilen. Auch
wir gingen mit ihm' in die Kirche: Dreimal baten wir den Priester Goriel
(Gabriel) um Erlaubniß, zu predigen, aber er wollte es nicht. Wir redeten
Einiges, blieben aber mehre Tage da, ohne zu predigen, und wurden von ihm
durchaus nicht dazu eingeladen. Da faßten wir den Entschluß, doch am Abend
in der Kirche zu predigen, um zu sehen, ob der Priester oder die Laien das
nicht litten. Als das Gebet beendigt war, lasen wir zuerst aus dem Neuen
Testament Römer 1.0. Wir fingen dann an: „O ihr Bäter, wir sind gekom¬
men von Arenia und vom Hause des Patriarchen, zu dessen Gemeinde wir
gehören. Wir haben Bischöfe, Priester und Diaconen, wie Ihr. Unser Abend¬
mahl, unsre Taufe und alle unsre Sacramente sind vollständig. Wenn Ihr
gegen Andere giltige Vorwände habt, so habt Ihr doch keine gegen uns. Wenn
Ihr von uns ein einzig Wort gegen das Neue Testament gehört habt, so wollen
wir verflucht sein; dann sollt ihr uns steinigen, unser Blut soll Euch dann zu
vergießen erlaubt sein." Wir predigten darauf über Rom. 10, 14: „Wie sollen
sie aber anrufen, an den sie njcht glauben? Wie sollen sie aber glauben, von
dem sie nichts gehöret haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?"
Da erhob sich der Priester und sagte: „Ihr gehört nicht zu uns; Ihr seid Pro¬
testanten, Euer Glaube ist zerrissen". Somit ging er fort und einige andere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/250>, abgerufen am 30.06.2024.