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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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diese nicht, wie es leider allen Anschein hat, auch den Dualismus für sich ver-
hängnißvoll gestalten.

Scheinbar stellen sich die Dinge noch ziemlich gut für die Deutschen an.
Die Magyaren, ihrem alten Ruf politischer Klugheit diesmal wenig entsprechend,
haben sich die günstigste Gelegenheit entschlüpfen lassen, ihre Ansprüche zur An¬
erkennung zu bringen. Im Juli würde die wiener Hofburg jede Bedingung
des endlichen Friedens mit dem mächtigsten Königreiche unterschrieben haben.
Deal, das magyarische Orakel, versteht aber nur Programme zu schreiben, sie
zu verkörpern besitzt er nicht den Muth oder nicht die Kraft; er ist der Re¬
gierung unbequem, aber nicht furchtbar, wie es ein volksthümlicher Agitator
nach der Schlacht bei Königsgrätz hätte werden können. Es galt, in Wien die
Angst vor einer magyarischen Jnsurrection zu nähren und zu steigern, auf der
andern Seite das Gewähren der bekannten Forderungen als ein untrügliches
Mittel zu schildern, welches die Loyalität aller Ungarn wecken muß. Bei dem
fanatischen Haß des Hofes gegen Preußen würde man schließlich nachgegeben
haben, um nur der preußischen Bundesgenossenschaft Klapkas ein Gegengewicht
zu bieten. Die Magyaren versäumten den rechten Zeitpunkt. Ihre Zeitungen
erörterten wohl breitspurig die staatsrechtliche Frage, ob die Preußen zum Be¬
treten des ungarischen Bodens berechtigt sind, ohne vorher dem ungarischen
Könige den Krieg anzukündigen, zu einem thatsächlichen Eingreifen konnten
sich ihre doctrinären Führer nicht verstehen. Nun ist der Friede abgeschlossen,
östreichische Soldaten wieder im Lande, die wiener Regierung im Besitze voller
Freiheit. Wenn nicht äußere Schwierigkeiten des Cabinets eine günstige Wen¬
dung der ungarischen Frage herbeiführen, dürfen die Magyaren nicht hoffen,
von der Regierung ihr volles Recht zu erlangen. Sie müssen sich um Verbün¬
dete umsehen, und das sind einzig und allein die Deutschöstreicher. Insofern
sind die letzteren besser gestellt. Gefahrlos ist aber der Dualismus für dieselben
noch keineswegs.

Der enge Anschluß an die Magyaren, die denn doch nur die bloße Per¬
sonalunion befriedigt, setzt sie nicht allein in einen feindseligen Gegensatz zu
jeder wiener Negierung, es sei denn, daß diese sich vollständig mit den Ungarn
identificirt. was schwer anzunehmen ist, sondern verpflichtet sie auch, diesseits
der Leitha das strengste Centralisationssystem zu empfehlen. Glauben sie denn
etwa, die viel zahlreicheren slavischen Stämme werden sich die deutsche Herrschaft
geduldig gefallen lassen, nachdem ihnen wiener'Zeitungen täglich predigen, die
Deutschen seien ein erbärmliches Volk, die norddeutschen Sieger eine brutale
Race, die süddeutschen Besiegten ein verkommenes Geschlecht, das sich unter dem
tyrannischen Drucke Preußens nicht einmal zu krümmen wagt? Sind die
Deutschen außerhalb Oestreichs so schlecht, wie sie die wiener Presse schildert,
so sind es die Deutschen in Oestreich nicht minder und eben auch nur werth,


diese nicht, wie es leider allen Anschein hat, auch den Dualismus für sich ver-
hängnißvoll gestalten.

Scheinbar stellen sich die Dinge noch ziemlich gut für die Deutschen an.
Die Magyaren, ihrem alten Ruf politischer Klugheit diesmal wenig entsprechend,
haben sich die günstigste Gelegenheit entschlüpfen lassen, ihre Ansprüche zur An¬
erkennung zu bringen. Im Juli würde die wiener Hofburg jede Bedingung
des endlichen Friedens mit dem mächtigsten Königreiche unterschrieben haben.
Deal, das magyarische Orakel, versteht aber nur Programme zu schreiben, sie
zu verkörpern besitzt er nicht den Muth oder nicht die Kraft; er ist der Re¬
gierung unbequem, aber nicht furchtbar, wie es ein volksthümlicher Agitator
nach der Schlacht bei Königsgrätz hätte werden können. Es galt, in Wien die
Angst vor einer magyarischen Jnsurrection zu nähren und zu steigern, auf der
andern Seite das Gewähren der bekannten Forderungen als ein untrügliches
Mittel zu schildern, welches die Loyalität aller Ungarn wecken muß. Bei dem
fanatischen Haß des Hofes gegen Preußen würde man schließlich nachgegeben
haben, um nur der preußischen Bundesgenossenschaft Klapkas ein Gegengewicht
zu bieten. Die Magyaren versäumten den rechten Zeitpunkt. Ihre Zeitungen
erörterten wohl breitspurig die staatsrechtliche Frage, ob die Preußen zum Be¬
treten des ungarischen Bodens berechtigt sind, ohne vorher dem ungarischen
Könige den Krieg anzukündigen, zu einem thatsächlichen Eingreifen konnten
sich ihre doctrinären Führer nicht verstehen. Nun ist der Friede abgeschlossen,
östreichische Soldaten wieder im Lande, die wiener Regierung im Besitze voller
Freiheit. Wenn nicht äußere Schwierigkeiten des Cabinets eine günstige Wen¬
dung der ungarischen Frage herbeiführen, dürfen die Magyaren nicht hoffen,
von der Regierung ihr volles Recht zu erlangen. Sie müssen sich um Verbün¬
dete umsehen, und das sind einzig und allein die Deutschöstreicher. Insofern
sind die letzteren besser gestellt. Gefahrlos ist aber der Dualismus für dieselben
noch keineswegs.

Der enge Anschluß an die Magyaren, die denn doch nur die bloße Per¬
sonalunion befriedigt, setzt sie nicht allein in einen feindseligen Gegensatz zu
jeder wiener Negierung, es sei denn, daß diese sich vollständig mit den Ungarn
identificirt. was schwer anzunehmen ist, sondern verpflichtet sie auch, diesseits
der Leitha das strengste Centralisationssystem zu empfehlen. Glauben sie denn
etwa, die viel zahlreicheren slavischen Stämme werden sich die deutsche Herrschaft
geduldig gefallen lassen, nachdem ihnen wiener'Zeitungen täglich predigen, die
Deutschen seien ein erbärmliches Volk, die norddeutschen Sieger eine brutale
Race, die süddeutschen Besiegten ein verkommenes Geschlecht, das sich unter dem
tyrannischen Drucke Preußens nicht einmal zu krümmen wagt? Sind die
Deutschen außerhalb Oestreichs so schlecht, wie sie die wiener Presse schildert,
so sind es die Deutschen in Oestreich nicht minder und eben auch nur werth,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/107>, abgerufen am 02.07.2024.