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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Hannoveranern die rettende Hand gereicht hat; letzteres deshalb nicht, weil, wie
die officielle "Bayerische Zeitung" versichert, man nicht wußte, wo die Hanno¬
veraner eigentlich steckten. Hier zu Lande wußte das zwar jeder aufmerksame
Zeitungsleser. Aber in dem bayerischen Hauptquartier scheint das anders ge¬
wesen zu sein.

Die gesammte Vundesarmee wird nominell commandirt durch den alten
Prinzen Karl von Bayern-, welchen die unter dem Namen "Bundestag" in
Frankfurt versammelten Herren Gesandten, deren Zahl auf eine Handvoll zu¬
sammengeschmolzen, zum "Bundesoberfeldherrn" ernannt haben. nack der
BuiideskricgSverfassung müßte nun dieser Feldherr alle " bundestreuen " Con-
tingente commandiren, -- mit inbegriffen die östreichische Armee. Letztere com¬
mandirt er nun offenbar nicht. Vielmehr wollte sogar Bcnedek das Ober-
commando über den Prinzen Karl haben. Darüber gab es denn einen Etikette¬
streit zwischen dem "königlichen Prinzen von Geblüt" und dem "bürgerlichen
Dvclorskind", bei welchem die Frage der Subordination unausgctragen blieb
und die Koordination und Covveration der östreichischen und bayerischen Armee
mindestens nicht befördert und erleichtert wurde.

Bon der letzteren erzählt man die sonderbarsten Dinge. Ich will sie nicht
alle hier wiedergeben, weil ich für deren Wahrheit nicht einstehen kann. Ich
beschränke mich deshalb darauf, zu notiren, was geachtete Organe der bayerischen
Presse, wie z. B. die von dem Abgeordneten Brater geleitete "Wochenschrift der
Fortschrittspartei in Bayern" (Erlangen, Jacob) erzählen. Ein bayerischer Offizier
wurde zu einem andern Bataillon versetzt. Er wußte nicht und man sagte ihm
nicht, wo dasselbe stand; er begab sich deshalb in das königlich bayerische
Hauptquartier, um dessen Standort zu erfragen. Man sagte ihm dort, das
wisse man selbst nicht; aber er möge sich doch einmal an das Depot seines Re¬
giments wenden, vielleicht werde man es dort besser wissen. -- Bon dem Ober¬
befehlshaber Prinzen Karl behauptet man, er empfange einen Offizier nur dann,
wenn er sich zuvor in Großgalla geworfen habe, was beim Felddienst zuweilen
seine Schwierigkeiten hat. Ende Juni wurde ein bayerisches Bataillon von
Schweinfurth und Kissingen auf Brückenau tingirt. Es fand dort alles über¬
füllt und konnte kein Unterkommen finden. Infolge dessen wurde es wieder
zurück commandirt und langte, nachdem es einen Tag lang schwer beladen in
schwüler Luft und strömendem Regen marschirt war, Abends todtmüde in der
Nähe des Ortes wieder an, von welchem es am Morgen früh ausmarschirt
war. "Der Soldat muß sich fühlen können", heißt es in Wallensteins Lager.

Die wiener Blätter und noch mehr die frankfurter, welche letztere alle Mal,
wenn man in Wien einen Purzelbaum macht, es für ihre Pflicht und Schuldig¬
keit halten, drei Räder zu schlagen, um nickt, wie es im Jargon der trabert-
schen Circueversammlung heißt, "des Verdachts von Feigheit und Verrath" ver-


Hannoveranern die rettende Hand gereicht hat; letzteres deshalb nicht, weil, wie
die officielle «Bayerische Zeitung" versichert, man nicht wußte, wo die Hanno¬
veraner eigentlich steckten. Hier zu Lande wußte das zwar jeder aufmerksame
Zeitungsleser. Aber in dem bayerischen Hauptquartier scheint das anders ge¬
wesen zu sein.

Die gesammte Vundesarmee wird nominell commandirt durch den alten
Prinzen Karl von Bayern-, welchen die unter dem Namen „Bundestag" in
Frankfurt versammelten Herren Gesandten, deren Zahl auf eine Handvoll zu¬
sammengeschmolzen, zum „Bundesoberfeldherrn" ernannt haben. nack der
BuiideskricgSverfassung müßte nun dieser Feldherr alle „ bundestreuen " Con-
tingente commandiren, — mit inbegriffen die östreichische Armee. Letztere com¬
mandirt er nun offenbar nicht. Vielmehr wollte sogar Bcnedek das Ober-
commando über den Prinzen Karl haben. Darüber gab es denn einen Etikette¬
streit zwischen dem „königlichen Prinzen von Geblüt" und dem „bürgerlichen
Dvclorskind", bei welchem die Frage der Subordination unausgctragen blieb
und die Koordination und Covveration der östreichischen und bayerischen Armee
mindestens nicht befördert und erleichtert wurde.

Bon der letzteren erzählt man die sonderbarsten Dinge. Ich will sie nicht
alle hier wiedergeben, weil ich für deren Wahrheit nicht einstehen kann. Ich
beschränke mich deshalb darauf, zu notiren, was geachtete Organe der bayerischen
Presse, wie z. B. die von dem Abgeordneten Brater geleitete „Wochenschrift der
Fortschrittspartei in Bayern" (Erlangen, Jacob) erzählen. Ein bayerischer Offizier
wurde zu einem andern Bataillon versetzt. Er wußte nicht und man sagte ihm
nicht, wo dasselbe stand; er begab sich deshalb in das königlich bayerische
Hauptquartier, um dessen Standort zu erfragen. Man sagte ihm dort, das
wisse man selbst nicht; aber er möge sich doch einmal an das Depot seines Re¬
giments wenden, vielleicht werde man es dort besser wissen. — Bon dem Ober¬
befehlshaber Prinzen Karl behauptet man, er empfange einen Offizier nur dann,
wenn er sich zuvor in Großgalla geworfen habe, was beim Felddienst zuweilen
seine Schwierigkeiten hat. Ende Juni wurde ein bayerisches Bataillon von
Schweinfurth und Kissingen auf Brückenau tingirt. Es fand dort alles über¬
füllt und konnte kein Unterkommen finden. Infolge dessen wurde es wieder
zurück commandirt und langte, nachdem es einen Tag lang schwer beladen in
schwüler Luft und strömendem Regen marschirt war, Abends todtmüde in der
Nähe des Ortes wieder an, von welchem es am Morgen früh ausmarschirt
war. „Der Soldat muß sich fühlen können", heißt es in Wallensteins Lager.

Die wiener Blätter und noch mehr die frankfurter, welche letztere alle Mal,
wenn man in Wien einen Purzelbaum macht, es für ihre Pflicht und Schuldig¬
keit halten, drei Räder zu schlagen, um nickt, wie es im Jargon der trabert-
schen Circueversammlung heißt, „des Verdachts von Feigheit und Verrath" ver-


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[0532] Hannoveranern die rettende Hand gereicht hat; letzteres deshalb nicht, weil, wie die officielle «Bayerische Zeitung" versichert, man nicht wußte, wo die Hanno¬ veraner eigentlich steckten. Hier zu Lande wußte das zwar jeder aufmerksame Zeitungsleser. Aber in dem bayerischen Hauptquartier scheint das anders ge¬ wesen zu sein. Die gesammte Vundesarmee wird nominell commandirt durch den alten Prinzen Karl von Bayern-, welchen die unter dem Namen „Bundestag" in Frankfurt versammelten Herren Gesandten, deren Zahl auf eine Handvoll zu¬ sammengeschmolzen, zum „Bundesoberfeldherrn" ernannt haben. nack der BuiideskricgSverfassung müßte nun dieser Feldherr alle „ bundestreuen " Con- tingente commandiren, — mit inbegriffen die östreichische Armee. Letztere com¬ mandirt er nun offenbar nicht. Vielmehr wollte sogar Bcnedek das Ober- commando über den Prinzen Karl haben. Darüber gab es denn einen Etikette¬ streit zwischen dem „königlichen Prinzen von Geblüt" und dem „bürgerlichen Dvclorskind", bei welchem die Frage der Subordination unausgctragen blieb und die Koordination und Covveration der östreichischen und bayerischen Armee mindestens nicht befördert und erleichtert wurde. Bon der letzteren erzählt man die sonderbarsten Dinge. Ich will sie nicht alle hier wiedergeben, weil ich für deren Wahrheit nicht einstehen kann. Ich beschränke mich deshalb darauf, zu notiren, was geachtete Organe der bayerischen Presse, wie z. B. die von dem Abgeordneten Brater geleitete „Wochenschrift der Fortschrittspartei in Bayern" (Erlangen, Jacob) erzählen. Ein bayerischer Offizier wurde zu einem andern Bataillon versetzt. Er wußte nicht und man sagte ihm nicht, wo dasselbe stand; er begab sich deshalb in das königlich bayerische Hauptquartier, um dessen Standort zu erfragen. Man sagte ihm dort, das wisse man selbst nicht; aber er möge sich doch einmal an das Depot seines Re¬ giments wenden, vielleicht werde man es dort besser wissen. — Bon dem Ober¬ befehlshaber Prinzen Karl behauptet man, er empfange einen Offizier nur dann, wenn er sich zuvor in Großgalla geworfen habe, was beim Felddienst zuweilen seine Schwierigkeiten hat. Ende Juni wurde ein bayerisches Bataillon von Schweinfurth und Kissingen auf Brückenau tingirt. Es fand dort alles über¬ füllt und konnte kein Unterkommen finden. Infolge dessen wurde es wieder zurück commandirt und langte, nachdem es einen Tag lang schwer beladen in schwüler Luft und strömendem Regen marschirt war, Abends todtmüde in der Nähe des Ortes wieder an, von welchem es am Morgen früh ausmarschirt war. „Der Soldat muß sich fühlen können", heißt es in Wallensteins Lager. Die wiener Blätter und noch mehr die frankfurter, welche letztere alle Mal, wenn man in Wien einen Purzelbaum macht, es für ihre Pflicht und Schuldig¬ keit halten, drei Räder zu schlagen, um nickt, wie es im Jargon der trabert- schen Circueversammlung heißt, „des Verdachts von Feigheit und Verrath" ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/532>, abgerufen am 22.07.2024.