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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Gegenfrage: "Warum macht sie nichts?" -- Und nun schwirren die Beschul¬
digungen hinüber und herüber, wie denn überhaupt nach einer Niederlage stets
einer dem andern die Schuld in die Schuhe zu schieben sucht, und der Ruf
"Verrath", meist ohne Grund, erschallt.

Man fragt: Wer ist denn nun eigentlich noch der "Bund"? Und diese
Frage ist schwer zu beantworten.

Wir zählten bis zum 14. Juni 33 Bundesglieder. Seitdem begann die
Trennung. Von den bisherigen 33 sind 20, also die große Mehrzahl, heute in
Frankfurt nicht mehr vertreten. Der Numpfbund besteht nur aus 13 Mit¬
gliedern -- ominöse Zahl! Es sind dies: Oestreich, Bayern, Würtemberg,
Sachsen, Hannover, Hessen-Darmstadt, Meiningen, Kurhessen, Nassau, Baden,
Liechtenstein, Frankfurt und Neuß ältere Linie. Um den Bundestag gruppirt
sich die "Bundesarmee". In derselben fehlen von den obigen 13: Oestreich
(mit Ausnahme einer Brigade), Hannover und Sachsen, weil sie anderweitig
beschäftigt sind. Ferner: Liechtenstein und Reuß, weils wohl nicht der Mühe
werth ist. (Nachträglich höre ich, daß der liechtensteinsche Bundestagsgesandte
in der Bundesversammlung mit Emphase angezeigt hat, auch sein hoher Auf¬
traggeber und Herr habe seine Armee mobil gemacht; dieselbe wird Von einem
Lieutenant commandirt; ein Bergsturz von der Dimension des bekannten gold-
auer würde das ganze Fürstenthum verschütten.) Endlich Frankfurt, das es
sich leider so sehr angelegen sein ließ, das Feuer des Bürgerkriegs zu schüren,
und mit großem Erfolg bestrebt war, im Südwesten Deutschlands die Gemüther
zu vergiften und die Köpfe zu verwirren. >

Während in Frankfurt edle Herzen schlagen, die uns zumuthen, der Unsrigen
Gut und Blut zu opfern nur zu dem Zwecke, daß die östreichischen Papiere um
einige Procente steigen und die Coupons zur Verfallzeit voll eingelöst werden;
während die frankfurter Presse (welche Producte erzeugte, die an raffinirter
Schlechtigkeit und bestialischem Blutdurst die dunkelrothesten Schmutzblätter von
1848 weit hinter sich lassen und welchen gegenüber Marats <1u psuM"
von 1792 und 1793 sich wie ein feingebildeter und wohlwollender Gentleman
darstellt) jeden, der sich nicht blindlings für Oestreich auf die Schlachtbank
wollte schleppen lassen, jeden, dem die deutsche Cultur höher stand, als der
halb rohe Völkermischmasch im Südosten, jeden, der zur Vernunft und Be¬
sonnenheit mahnte, einen "Verräther", einen "Vismarck" nannte und mit Strick,
Standrecht, Guillotine und sonstigen Annehmlichkeiten bedrohte, -- hat man
das frankfurter Bataillon, obgleich dasselbe nur aus Söldlingen besteht, geworben
aus dem werthloseflcn Abfluß der Nachbarstaaten, weder complet uoch mobil
gemacht. Es zählt statt 1,000 nur 300 Mann, und diese dreihundert sind keine
Spartaner, sie befinden sich vielmehr im äußersten Zustande der Kriegsunbereit-
schast. Frankfurt wird daher die Schale seines Zorns nur in unsauberen Rede-


Gegenfrage: „Warum macht sie nichts?" — Und nun schwirren die Beschul¬
digungen hinüber und herüber, wie denn überhaupt nach einer Niederlage stets
einer dem andern die Schuld in die Schuhe zu schieben sucht, und der Ruf
„Verrath", meist ohne Grund, erschallt.

Man fragt: Wer ist denn nun eigentlich noch der „Bund"? Und diese
Frage ist schwer zu beantworten.

Wir zählten bis zum 14. Juni 33 Bundesglieder. Seitdem begann die
Trennung. Von den bisherigen 33 sind 20, also die große Mehrzahl, heute in
Frankfurt nicht mehr vertreten. Der Numpfbund besteht nur aus 13 Mit¬
gliedern — ominöse Zahl! Es sind dies: Oestreich, Bayern, Würtemberg,
Sachsen, Hannover, Hessen-Darmstadt, Meiningen, Kurhessen, Nassau, Baden,
Liechtenstein, Frankfurt und Neuß ältere Linie. Um den Bundestag gruppirt
sich die „Bundesarmee". In derselben fehlen von den obigen 13: Oestreich
(mit Ausnahme einer Brigade), Hannover und Sachsen, weil sie anderweitig
beschäftigt sind. Ferner: Liechtenstein und Reuß, weils wohl nicht der Mühe
werth ist. (Nachträglich höre ich, daß der liechtensteinsche Bundestagsgesandte
in der Bundesversammlung mit Emphase angezeigt hat, auch sein hoher Auf¬
traggeber und Herr habe seine Armee mobil gemacht; dieselbe wird Von einem
Lieutenant commandirt; ein Bergsturz von der Dimension des bekannten gold-
auer würde das ganze Fürstenthum verschütten.) Endlich Frankfurt, das es
sich leider so sehr angelegen sein ließ, das Feuer des Bürgerkriegs zu schüren,
und mit großem Erfolg bestrebt war, im Südwesten Deutschlands die Gemüther
zu vergiften und die Köpfe zu verwirren. >

Während in Frankfurt edle Herzen schlagen, die uns zumuthen, der Unsrigen
Gut und Blut zu opfern nur zu dem Zwecke, daß die östreichischen Papiere um
einige Procente steigen und die Coupons zur Verfallzeit voll eingelöst werden;
während die frankfurter Presse (welche Producte erzeugte, die an raffinirter
Schlechtigkeit und bestialischem Blutdurst die dunkelrothesten Schmutzblätter von
1848 weit hinter sich lassen und welchen gegenüber Marats <1u psuM"
von 1792 und 1793 sich wie ein feingebildeter und wohlwollender Gentleman
darstellt) jeden, der sich nicht blindlings für Oestreich auf die Schlachtbank
wollte schleppen lassen, jeden, dem die deutsche Cultur höher stand, als der
halb rohe Völkermischmasch im Südosten, jeden, der zur Vernunft und Be¬
sonnenheit mahnte, einen „Verräther", einen „Vismarck" nannte und mit Strick,
Standrecht, Guillotine und sonstigen Annehmlichkeiten bedrohte, — hat man
das frankfurter Bataillon, obgleich dasselbe nur aus Söldlingen besteht, geworben
aus dem werthloseflcn Abfluß der Nachbarstaaten, weder complet uoch mobil
gemacht. Es zählt statt 1,000 nur 300 Mann, und diese dreihundert sind keine
Spartaner, sie befinden sich vielmehr im äußersten Zustande der Kriegsunbereit-
schast. Frankfurt wird daher die Schale seines Zorns nur in unsauberen Rede-


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[0530] Gegenfrage: „Warum macht sie nichts?" — Und nun schwirren die Beschul¬ digungen hinüber und herüber, wie denn überhaupt nach einer Niederlage stets einer dem andern die Schuld in die Schuhe zu schieben sucht, und der Ruf „Verrath", meist ohne Grund, erschallt. Man fragt: Wer ist denn nun eigentlich noch der „Bund"? Und diese Frage ist schwer zu beantworten. Wir zählten bis zum 14. Juni 33 Bundesglieder. Seitdem begann die Trennung. Von den bisherigen 33 sind 20, also die große Mehrzahl, heute in Frankfurt nicht mehr vertreten. Der Numpfbund besteht nur aus 13 Mit¬ gliedern — ominöse Zahl! Es sind dies: Oestreich, Bayern, Würtemberg, Sachsen, Hannover, Hessen-Darmstadt, Meiningen, Kurhessen, Nassau, Baden, Liechtenstein, Frankfurt und Neuß ältere Linie. Um den Bundestag gruppirt sich die „Bundesarmee". In derselben fehlen von den obigen 13: Oestreich (mit Ausnahme einer Brigade), Hannover und Sachsen, weil sie anderweitig beschäftigt sind. Ferner: Liechtenstein und Reuß, weils wohl nicht der Mühe werth ist. (Nachträglich höre ich, daß der liechtensteinsche Bundestagsgesandte in der Bundesversammlung mit Emphase angezeigt hat, auch sein hoher Auf¬ traggeber und Herr habe seine Armee mobil gemacht; dieselbe wird Von einem Lieutenant commandirt; ein Bergsturz von der Dimension des bekannten gold- auer würde das ganze Fürstenthum verschütten.) Endlich Frankfurt, das es sich leider so sehr angelegen sein ließ, das Feuer des Bürgerkriegs zu schüren, und mit großem Erfolg bestrebt war, im Südwesten Deutschlands die Gemüther zu vergiften und die Köpfe zu verwirren. > Während in Frankfurt edle Herzen schlagen, die uns zumuthen, der Unsrigen Gut und Blut zu opfern nur zu dem Zwecke, daß die östreichischen Papiere um einige Procente steigen und die Coupons zur Verfallzeit voll eingelöst werden; während die frankfurter Presse (welche Producte erzeugte, die an raffinirter Schlechtigkeit und bestialischem Blutdurst die dunkelrothesten Schmutzblätter von 1848 weit hinter sich lassen und welchen gegenüber Marats <1u psuM" von 1792 und 1793 sich wie ein feingebildeter und wohlwollender Gentleman darstellt) jeden, der sich nicht blindlings für Oestreich auf die Schlachtbank wollte schleppen lassen, jeden, dem die deutsche Cultur höher stand, als der halb rohe Völkermischmasch im Südosten, jeden, der zur Vernunft und Be¬ sonnenheit mahnte, einen „Verräther", einen „Vismarck" nannte und mit Strick, Standrecht, Guillotine und sonstigen Annehmlichkeiten bedrohte, — hat man das frankfurter Bataillon, obgleich dasselbe nur aus Söldlingen besteht, geworben aus dem werthloseflcn Abfluß der Nachbarstaaten, weder complet uoch mobil gemacht. Es zählt statt 1,000 nur 300 Mann, und diese dreihundert sind keine Spartaner, sie befinden sich vielmehr im äußersten Zustande der Kriegsunbereit- schast. Frankfurt wird daher die Schale seines Zorns nur in unsauberen Rede-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/530>, abgerufen am 22.07.2024.