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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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nommer. Vom fürstlich reichen Grundbesitzer, dessen Ländereien nach Meilen
bemessen werden, bis zum ärmsten Tagelöhner, vom größten Industriellen bis
zum Inhaber der kleinsten böhmischen Glashütte, dessen Erzeugnisse die un¬
glaubliche Steuer so vertheuert, daß Thüringen und Schlesien billiger produciren
als Böhmen, von dem Kaufmann, dessen Handel in fremde Welttheile reicht,
bis zum Hausirer, der mit dem schweren Pack die Dörfer durchzieht, alles hat
gleichmäßig unter der Geldnoth gelitten. Am schwersten die Regierung, deren
Projecte. wie die Ausbreitung des Bahnnetzes, die Regulirung der Theiß und
Donau, die Bcforstung des Karstes, die Anlage von Communicationen aller
Art zum größten Theil scheiterten, oder oft unterbrochen und wieder aufge¬
nommen, unter zehnfachen Kosten hergestellt wurden.

Nur ein Stand und grade der, welcher nach seinem Princip am wenigsten
von der Fülle irdischer Güter haben sollte, hat während der allgemeinen Noth
verdient und bei der Verarmung der Völker gewonnen. Der östreichische Klerus
hat Millionen angehäuft, die dem Nationalvermögen entzogen, ja zum größten
Theil ins Ausland überführt worden sind. Es war nach dem Unglück des
Jahres 18S9 zuerst klar geworden, daß der zunehmende Nothstand in Oestreich
über kurz oder lang gebieterisch die Benutzung der Kirchengüter seitens des
Staates fordern werde; und die Geistlichkeit benutzte die folgenden Jahre, um
sich nach Kräften einzurichten. Hätte man im Jahre 1869 die Kirchengüter
genommen, man hätte einen Schatz gefunden, groß genug, die östreichische Staats¬
schuld zum Drittheil, vielleicht zur Hälfte baar zu decken; heute ist dieses Capital
gewaltig reducirt, wartet man noch ein oder mehre Jahre, so hat es sich viel¬
leicht in eine Schuldenlast verwandelt. Es ist notorisch, daß seit dem Jahre
1859 große Summen in England, Belgien und Frankreich durch den hohen
Klerus des Kaiserstaates angelegt worden sind, daß die im Besitze der Kirche
zu billigen Coursen gekauften östreichischen Papiere in Holland und an den
großen Börsen umgesetzt wurden, während man auf keinem Anleiheausweis
des geldarmen Staates, selbst in Augenblicken, wo der Aermste sein Scherflein
darbot, die Kirche als solche, oder ein Stift oder eine Corporation, sondern
höchstens einen reichen Prälaten figuriren sah. Es ist ein offenes Geheimniß,
daß der Klerus nicht minder klug mit seinem Grundbesitz Verfahren. Woher
erklärt man sich den Ankauf neuer Herrschaften und Realitäten, woher eine Menge
von Hypotheken, die auf früher schuldenfreie Güter der Kirche von Privaten,
von Geldinstituten, von Banken des In- und Auslandes aufgenommen sind,
als aus dem Bestreben, in einer Stunde der Noth die Regierung in Verlegen¬
heit zu bringen. Denn entweder müßte diese den Hypothekengläubigern ihre
Hypoiheken, also Privateigentum statt des Kirchenvermögens nehmen oder durch
das massenhafte Aufbieten so vieler verschuldeter Güter den Preis so drücken,
daß bei dem Mangel an Käufern, bei der Entwerthung des Grundes und Bodens


nommer. Vom fürstlich reichen Grundbesitzer, dessen Ländereien nach Meilen
bemessen werden, bis zum ärmsten Tagelöhner, vom größten Industriellen bis
zum Inhaber der kleinsten böhmischen Glashütte, dessen Erzeugnisse die un¬
glaubliche Steuer so vertheuert, daß Thüringen und Schlesien billiger produciren
als Böhmen, von dem Kaufmann, dessen Handel in fremde Welttheile reicht,
bis zum Hausirer, der mit dem schweren Pack die Dörfer durchzieht, alles hat
gleichmäßig unter der Geldnoth gelitten. Am schwersten die Regierung, deren
Projecte. wie die Ausbreitung des Bahnnetzes, die Regulirung der Theiß und
Donau, die Bcforstung des Karstes, die Anlage von Communicationen aller
Art zum größten Theil scheiterten, oder oft unterbrochen und wieder aufge¬
nommen, unter zehnfachen Kosten hergestellt wurden.

Nur ein Stand und grade der, welcher nach seinem Princip am wenigsten
von der Fülle irdischer Güter haben sollte, hat während der allgemeinen Noth
verdient und bei der Verarmung der Völker gewonnen. Der östreichische Klerus
hat Millionen angehäuft, die dem Nationalvermögen entzogen, ja zum größten
Theil ins Ausland überführt worden sind. Es war nach dem Unglück des
Jahres 18S9 zuerst klar geworden, daß der zunehmende Nothstand in Oestreich
über kurz oder lang gebieterisch die Benutzung der Kirchengüter seitens des
Staates fordern werde; und die Geistlichkeit benutzte die folgenden Jahre, um
sich nach Kräften einzurichten. Hätte man im Jahre 1869 die Kirchengüter
genommen, man hätte einen Schatz gefunden, groß genug, die östreichische Staats¬
schuld zum Drittheil, vielleicht zur Hälfte baar zu decken; heute ist dieses Capital
gewaltig reducirt, wartet man noch ein oder mehre Jahre, so hat es sich viel¬
leicht in eine Schuldenlast verwandelt. Es ist notorisch, daß seit dem Jahre
1859 große Summen in England, Belgien und Frankreich durch den hohen
Klerus des Kaiserstaates angelegt worden sind, daß die im Besitze der Kirche
zu billigen Coursen gekauften östreichischen Papiere in Holland und an den
großen Börsen umgesetzt wurden, während man auf keinem Anleiheausweis
des geldarmen Staates, selbst in Augenblicken, wo der Aermste sein Scherflein
darbot, die Kirche als solche, oder ein Stift oder eine Corporation, sondern
höchstens einen reichen Prälaten figuriren sah. Es ist ein offenes Geheimniß,
daß der Klerus nicht minder klug mit seinem Grundbesitz Verfahren. Woher
erklärt man sich den Ankauf neuer Herrschaften und Realitäten, woher eine Menge
von Hypotheken, die auf früher schuldenfreie Güter der Kirche von Privaten,
von Geldinstituten, von Banken des In- und Auslandes aufgenommen sind,
als aus dem Bestreben, in einer Stunde der Noth die Regierung in Verlegen¬
heit zu bringen. Denn entweder müßte diese den Hypothekengläubigern ihre
Hypoiheken, also Privateigentum statt des Kirchenvermögens nehmen oder durch
das massenhafte Aufbieten so vieler verschuldeter Güter den Preis so drücken,
daß bei dem Mangel an Käufern, bei der Entwerthung des Grundes und Bodens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/502>, abgerufen am 22.07.2024.