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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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führenden Chaussee gelegen ist. Bor diesem hatte sich am Morgen nach dem
Schlachttage ein Haufen Soldaten von verschiedene" bayerischen Truppentheilen
und im buntesten Aufzuge zusammengefunden. Nur ein Theil hatte Gewehre,
ein anderer sast nichts mehr von Ausrüstungsgegenständen. Der Oberst, ohne¬
dies von bärbeißigen Aeußeren, kam diesmal noch grimmiger aus dem Hause
zu den Versammelten mit verbundener Hand herunter. "Wo kommt ihr her?"
fragte er kurz.

"Wir sind Versprengte und wollten uns hier sammeln!"

"Ja. Versprengte! Infame Ausreißer seid ihr, ihr Himmel.....!"

Nun brach die Sturmfluth los, die sich in gewaltigen altbayerischen Kern-
und Kraftausdrücken Luft machte. D?r Oberst nimmt dem nächsten besten ein
Gewehr ab.

"Wie oft hast du geschossen?"

"Neunmal. Herr Oberst!"

Der Oberst riecht in die Mündung, fährt mit einem Finger hinein, der
aber, ohne von Pulver schleim geschwärzt zu sein, rein wieder heraus kommt.
Zornsprühend hält er ihn dem erblassenden Soldaten vor die Nase.

"Neunmal willst du geschossen haben, du Schlingel? Nicht einmal, du
miserabler Kerl, du! Wartet, ihr sollt euren Theil schon kriegen!"

So ging es noch eine Weile fort und das vor den Augen und Ohren
vieler, die sich da angesammelt hatten, um dem seltsamen Schauspiel zuzusehen
und an den Herzensergießungen des Obersten sich zu erbauen. -- Einen üblen
Eindruck machten auch die Burschen der Offiziere, die die Quartiere wieder
aufsuchten, wo sie vorher mir ihre" Herrn gelegen. Sie hatten sie im Stich
gelassen, nicht geforscht, wo sie geblieben, was aus ihnen geworden. Nichts
von Theilnahme war an diesen Leuten zu bemerken.

Die 6. Cavaleriereservedivision unter dem General Fürsten Taxis machte
auch keine glänzenden Geschäfte, namentlich bei Hünfeld und Hersfelv, wohin
sie vorgerückt war. Der durchlauchtige Führer soll es verabsäumt haben, die
nöthigen Sicherheitsmaßregeln anzuwenden und namentlich zur Seitendeckung
keine Patrouillen entsendet haben. Unbesorgt ritt man in ein bewaldetes
Defil6 hinein, während ein Bauer durch unablässiges Hutschwenken das Warnungs¬
zeichen zur Umkehr gab. Als man nun stutzig wurde und wirtlich umlcnlte,
nachdem schon ein Theil ins Defilö hinein war, krachten die bisher versteckten
preußischen Geschütze und entluden einen Kartätschenhagel. Schon dadurch in
Verwirrung gebracht, sprengte nun auch die preußische Cavalerie vor und brachte
so die bayerische ganz auseinander. Drei Schwadronen sollen dabei fast auf¬
gerieben worden sein. Die Versprengten langten einzeln und in Trupps in
Hammelburg, Carlstadt. Schweinfurt und Würzburg abgemattet und zum Theil
verwundet und sonst arg zugerichtet an. Der Commandant des 5. Cheveaux-


führenden Chaussee gelegen ist. Bor diesem hatte sich am Morgen nach dem
Schlachttage ein Haufen Soldaten von verschiedene» bayerischen Truppentheilen
und im buntesten Aufzuge zusammengefunden. Nur ein Theil hatte Gewehre,
ein anderer sast nichts mehr von Ausrüstungsgegenständen. Der Oberst, ohne¬
dies von bärbeißigen Aeußeren, kam diesmal noch grimmiger aus dem Hause
zu den Versammelten mit verbundener Hand herunter. „Wo kommt ihr her?"
fragte er kurz.

„Wir sind Versprengte und wollten uns hier sammeln!"

„Ja. Versprengte! Infame Ausreißer seid ihr, ihr Himmel.....!"

Nun brach die Sturmfluth los, die sich in gewaltigen altbayerischen Kern-
und Kraftausdrücken Luft machte. D?r Oberst nimmt dem nächsten besten ein
Gewehr ab.

„Wie oft hast du geschossen?"

„Neunmal. Herr Oberst!"

Der Oberst riecht in die Mündung, fährt mit einem Finger hinein, der
aber, ohne von Pulver schleim geschwärzt zu sein, rein wieder heraus kommt.
Zornsprühend hält er ihn dem erblassenden Soldaten vor die Nase.

„Neunmal willst du geschossen haben, du Schlingel? Nicht einmal, du
miserabler Kerl, du! Wartet, ihr sollt euren Theil schon kriegen!"

So ging es noch eine Weile fort und das vor den Augen und Ohren
vieler, die sich da angesammelt hatten, um dem seltsamen Schauspiel zuzusehen
und an den Herzensergießungen des Obersten sich zu erbauen. — Einen üblen
Eindruck machten auch die Burschen der Offiziere, die die Quartiere wieder
aufsuchten, wo sie vorher mir ihre» Herrn gelegen. Sie hatten sie im Stich
gelassen, nicht geforscht, wo sie geblieben, was aus ihnen geworden. Nichts
von Theilnahme war an diesen Leuten zu bemerken.

Die 6. Cavaleriereservedivision unter dem General Fürsten Taxis machte
auch keine glänzenden Geschäfte, namentlich bei Hünfeld und Hersfelv, wohin
sie vorgerückt war. Der durchlauchtige Führer soll es verabsäumt haben, die
nöthigen Sicherheitsmaßregeln anzuwenden und namentlich zur Seitendeckung
keine Patrouillen entsendet haben. Unbesorgt ritt man in ein bewaldetes
Defil6 hinein, während ein Bauer durch unablässiges Hutschwenken das Warnungs¬
zeichen zur Umkehr gab. Als man nun stutzig wurde und wirtlich umlcnlte,
nachdem schon ein Theil ins Defilö hinein war, krachten die bisher versteckten
preußischen Geschütze und entluden einen Kartätschenhagel. Schon dadurch in
Verwirrung gebracht, sprengte nun auch die preußische Cavalerie vor und brachte
so die bayerische ganz auseinander. Drei Schwadronen sollen dabei fast auf¬
gerieben worden sein. Die Versprengten langten einzeln und in Trupps in
Hammelburg, Carlstadt. Schweinfurt und Würzburg abgemattet und zum Theil
verwundet und sonst arg zugerichtet an. Der Commandant des 5. Cheveaux-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/498>, abgerufen am 22.07.2024.