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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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statteten Raum, können wir uns für jetzt nicht auf ausführliche Beschreibung
hervorragender Ereignisse einlassen, sondern müssen uns mehr auf das beschränken,
was das Allgemeinere betrifft; mag daher auch das oder jenes mehr unter¬
geordneter Natur scheinen, so ist es schon insofern zu beachten, als man auch
hier, wie bei allem, vom Kleinen aufs Große, vom Einzelnen aufs Ganze
schließen kann.

Nach allen Ansichten und Vermuthungen war Bayern bei einem inneren
deutschen Conflict eine Hauptrolle zugedacht. .Als die dritte Macht im Bunde,
mit Hilfsmitteln aller Art, konnte es, wenn auch nicht selbständig auftretend,
doch viel in die Wagschale, zu der es sich hinneigte, werfen und während die
Cabinele der beiden deutschen Großstaaten sich um seine Gunst bewarben, blickte
der eine Theil der Bevölkerung hoffend, der andere befürchtend nach dem Bayer¬
lande hin. Man legte dabei nicht wenig Gewicht auf die Stärke und Schlag¬
fertigkeit einer Armee, die als tapfer und ausdauernd bekannt war und deren
innere Organisation man mindestens als genügend voraussetzte. Nach allem
weiteren Vermuthen konnte Bayern auch für sich kein müßiger Zuschauer bei
einem ausbrechenden inneren Conflict bleiben, wenn es nicht an sich einen
politischen Selbstmord begehen wollte, denn ihm als Dritten im Bunde konnte
irgendein Antheil an der Beute nicht entgehen. Sprachen doch schon gar viele
laut und offen längst von einer Trias und priesen diese, in Ermangelung etwas
Besseren, noch als ein großes Glück für Deutschlands Entwickelung, um nur auf
irgendeine Art aus der bisherigen Misöre herauszukommen.

Was ist nun von Bayern aus geschehen? Wie hat es dem, was man von
ihm erwartet, entsprochen? Wir setzen das als nun bekannt genug voraus,
namentlich auch in Bezug auf den letzten Krieg in den Elbherzoglhümern, und
wollen deshalb nicht weiter daraus eingehen. Es fiel Bayern, das Palladium des
Bundes, ve-rschwand es der Hoffnungsstern der ihm Vertrauenden, es verlor
statt zu gewinnen und mußte sich so in vielem bitter enttäuscht sehen.

Bayern betrat viel zu spät die Schaubühne, auf der sich bereits die Haupt-
acteurs herumtummelten und als es endlich, mehr schüchtern als entschieden,
kam, erschien es bereits nicht so, als man erwartet. Man konnte sofort merken,
daß die Rolle nicht gehörig einstudirt war, und trotzdem der Souffleur das
Seine redlich gethan haben mag, machte es doch bei diesem Debüt ein entschie¬
denes Fiasco. Man sprach, von 160.000 Mann, die Bayern auf den Kampf-
Platz ohne übertriebene Anstrengung werfen würde, aber -- der kreisende Berg
gebar nur eine Maus und man konnte an der wirklichen Zahl getrost die
Hunderttausend abstreichen. Und wie unendlich lange währte es, bis auch
jene 50,000 aus ihrem Schmollwinkel hervorkamen und sich in Bewegung
setzten!

Als in dem bereits von Bundestruppen besetzten Mainz ein Offizier der-


statteten Raum, können wir uns für jetzt nicht auf ausführliche Beschreibung
hervorragender Ereignisse einlassen, sondern müssen uns mehr auf das beschränken,
was das Allgemeinere betrifft; mag daher auch das oder jenes mehr unter¬
geordneter Natur scheinen, so ist es schon insofern zu beachten, als man auch
hier, wie bei allem, vom Kleinen aufs Große, vom Einzelnen aufs Ganze
schließen kann.

Nach allen Ansichten und Vermuthungen war Bayern bei einem inneren
deutschen Conflict eine Hauptrolle zugedacht. .Als die dritte Macht im Bunde,
mit Hilfsmitteln aller Art, konnte es, wenn auch nicht selbständig auftretend,
doch viel in die Wagschale, zu der es sich hinneigte, werfen und während die
Cabinele der beiden deutschen Großstaaten sich um seine Gunst bewarben, blickte
der eine Theil der Bevölkerung hoffend, der andere befürchtend nach dem Bayer¬
lande hin. Man legte dabei nicht wenig Gewicht auf die Stärke und Schlag¬
fertigkeit einer Armee, die als tapfer und ausdauernd bekannt war und deren
innere Organisation man mindestens als genügend voraussetzte. Nach allem
weiteren Vermuthen konnte Bayern auch für sich kein müßiger Zuschauer bei
einem ausbrechenden inneren Conflict bleiben, wenn es nicht an sich einen
politischen Selbstmord begehen wollte, denn ihm als Dritten im Bunde konnte
irgendein Antheil an der Beute nicht entgehen. Sprachen doch schon gar viele
laut und offen längst von einer Trias und priesen diese, in Ermangelung etwas
Besseren, noch als ein großes Glück für Deutschlands Entwickelung, um nur auf
irgendeine Art aus der bisherigen Misöre herauszukommen.

Was ist nun von Bayern aus geschehen? Wie hat es dem, was man von
ihm erwartet, entsprochen? Wir setzen das als nun bekannt genug voraus,
namentlich auch in Bezug auf den letzten Krieg in den Elbherzoglhümern, und
wollen deshalb nicht weiter daraus eingehen. Es fiel Bayern, das Palladium des
Bundes, ve-rschwand es der Hoffnungsstern der ihm Vertrauenden, es verlor
statt zu gewinnen und mußte sich so in vielem bitter enttäuscht sehen.

Bayern betrat viel zu spät die Schaubühne, auf der sich bereits die Haupt-
acteurs herumtummelten und als es endlich, mehr schüchtern als entschieden,
kam, erschien es bereits nicht so, als man erwartet. Man konnte sofort merken,
daß die Rolle nicht gehörig einstudirt war, und trotzdem der Souffleur das
Seine redlich gethan haben mag, machte es doch bei diesem Debüt ein entschie¬
denes Fiasco. Man sprach, von 160.000 Mann, die Bayern auf den Kampf-
Platz ohne übertriebene Anstrengung werfen würde, aber — der kreisende Berg
gebar nur eine Maus und man konnte an der wirklichen Zahl getrost die
Hunderttausend abstreichen. Und wie unendlich lange währte es, bis auch
jene 50,000 aus ihrem Schmollwinkel hervorkamen und sich in Bewegung
setzten!

Als in dem bereits von Bundestruppen besetzten Mainz ein Offizier der-


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[0487] statteten Raum, können wir uns für jetzt nicht auf ausführliche Beschreibung hervorragender Ereignisse einlassen, sondern müssen uns mehr auf das beschränken, was das Allgemeinere betrifft; mag daher auch das oder jenes mehr unter¬ geordneter Natur scheinen, so ist es schon insofern zu beachten, als man auch hier, wie bei allem, vom Kleinen aufs Große, vom Einzelnen aufs Ganze schließen kann. Nach allen Ansichten und Vermuthungen war Bayern bei einem inneren deutschen Conflict eine Hauptrolle zugedacht. .Als die dritte Macht im Bunde, mit Hilfsmitteln aller Art, konnte es, wenn auch nicht selbständig auftretend, doch viel in die Wagschale, zu der es sich hinneigte, werfen und während die Cabinele der beiden deutschen Großstaaten sich um seine Gunst bewarben, blickte der eine Theil der Bevölkerung hoffend, der andere befürchtend nach dem Bayer¬ lande hin. Man legte dabei nicht wenig Gewicht auf die Stärke und Schlag¬ fertigkeit einer Armee, die als tapfer und ausdauernd bekannt war und deren innere Organisation man mindestens als genügend voraussetzte. Nach allem weiteren Vermuthen konnte Bayern auch für sich kein müßiger Zuschauer bei einem ausbrechenden inneren Conflict bleiben, wenn es nicht an sich einen politischen Selbstmord begehen wollte, denn ihm als Dritten im Bunde konnte irgendein Antheil an der Beute nicht entgehen. Sprachen doch schon gar viele laut und offen längst von einer Trias und priesen diese, in Ermangelung etwas Besseren, noch als ein großes Glück für Deutschlands Entwickelung, um nur auf irgendeine Art aus der bisherigen Misöre herauszukommen. Was ist nun von Bayern aus geschehen? Wie hat es dem, was man von ihm erwartet, entsprochen? Wir setzen das als nun bekannt genug voraus, namentlich auch in Bezug auf den letzten Krieg in den Elbherzoglhümern, und wollen deshalb nicht weiter daraus eingehen. Es fiel Bayern, das Palladium des Bundes, ve-rschwand es der Hoffnungsstern der ihm Vertrauenden, es verlor statt zu gewinnen und mußte sich so in vielem bitter enttäuscht sehen. Bayern betrat viel zu spät die Schaubühne, auf der sich bereits die Haupt- acteurs herumtummelten und als es endlich, mehr schüchtern als entschieden, kam, erschien es bereits nicht so, als man erwartet. Man konnte sofort merken, daß die Rolle nicht gehörig einstudirt war, und trotzdem der Souffleur das Seine redlich gethan haben mag, machte es doch bei diesem Debüt ein entschie¬ denes Fiasco. Man sprach, von 160.000 Mann, die Bayern auf den Kampf- Platz ohne übertriebene Anstrengung werfen würde, aber — der kreisende Berg gebar nur eine Maus und man konnte an der wirklichen Zahl getrost die Hunderttausend abstreichen. Und wie unendlich lange währte es, bis auch jene 50,000 aus ihrem Schmollwinkel hervorkamen und sich in Bewegung setzten! Als in dem bereits von Bundestruppen besetzten Mainz ein Offizier der-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/487>, abgerufen am 22.07.2024.