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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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wenigstens das Gebiet zwischen der Jcixt und Tauber zu halten, und dies große
Territorium zu einer preußischen Provinz zu machen; dadurch wäre eine Pro¬
vinz entstanden, gewerbthätig und mit vorwiegend protestantischer Bevölkerung,
groß genug für eine gewisse Kraftentwickelung und für schnelle Erzeugung eines
preußischen Selbstgefühls. Die Existenz der südlich gelegenen, sich selbst über¬
lassenen Länder wäre in diesem Fall eine sehr precaire geworden, der dadurch
möglicherweise gesteigerte Haß der Bevölkerung war nicht übermäßig zu fürch¬
ten, weder die Bayern noch die Schwaben werden, so lange sie nicht dem preu¬
ßischen Bundesstaat eingefügt sind, in ihrer großen Mehrzahl etwas. Anderes
sein als Bayern und Schwaben. Für die gesammte Intelligenz dieser verklei¬
nerten Staaten aber wäre der Bundesstaat nach wenig Monden von so ma߬
gebender Bedeutung geworden, daß er doch eine übermächtige Anziehungskraft
geübt hätte. Die Regierungen aber werden auch nach dem schonenden Frieden
genau wie bisher fortfahren, ihre Souveränetät ohne Wahl da zu stützen, wo
sie eine Stütze finden, an Oestreich,'Frankreich und Rußland, und sie werden
auch bei der sorgfältigsten Schonung von der Bundesgewalt für sich nie Gutes,
nur Arges erwarten.

Es war also die Rücksicht auf das Ausland, welche diese Schonung ver¬
anlaßte, und wir haben kein Recht, damit unzufrieden zu sein. Denn Preußen
braucht ein Jahr Zeit, um sein Heer zu ergänzen, sein neues Staatsgebiet zu
organisiren und den Bundesstaat zu gründen. Wollte man aber gegen den
Süden nicht so weit gehen, als die militärischen Erfolge dieses Jahres ge¬
stalteten, so war es immerhin klug, daß man ihm wenigstens jeden Borwand
nahm, bei Fremden Schutz zu suchen. Borläufig wird den Regierungen von
Bayern und Würtemberg das Mißbehagen ihrer eigenen Völker genug zu schaffen
machen.

Unterdeß sieht Preußen einen großen Theil seiner Kriegskosten in den
Staatsschatz zurückfließen; es wird dennoch, so hoffen wir, im EinVerständniß
mit der Landesvertretung die projectirte Anleihe machen. Denn darüber darf
man sich nicht täuschen, wir haben einen ruhmvollen Frieden erreicht, aber durch
ihn noch keine friedliche Zeit. Die Stellung Preußens ist so geworden, daß
es einer Macht, auch der größten, sehr gefährlich wird, Krieg gegen den Bun¬
desstaat zu führen, aber eine Coalition mehrer bedroht immer noch mit ernster
Gefahr, so lange die deutsche Frage nicht vollständig gelöst ist und die Gro߬
mächte Europas gezwungen sind, ihre eigenen Vergrößerungswünsche und ihre
Theilnahme an den deutschen Dynastien für gänzlich aussichtslos zu halten.

Es ist Grund zu der Annahme, daß die Willfährigkeit Preußens in Be¬
handlung der Südstaaten nicht auch in der schwierigsten Frage, welche der Krieg
zurückließ, eintreten wird, in der sächsischen. Denn hier handelt es sich in


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wenigstens das Gebiet zwischen der Jcixt und Tauber zu halten, und dies große
Territorium zu einer preußischen Provinz zu machen; dadurch wäre eine Pro¬
vinz entstanden, gewerbthätig und mit vorwiegend protestantischer Bevölkerung,
groß genug für eine gewisse Kraftentwickelung und für schnelle Erzeugung eines
preußischen Selbstgefühls. Die Existenz der südlich gelegenen, sich selbst über¬
lassenen Länder wäre in diesem Fall eine sehr precaire geworden, der dadurch
möglicherweise gesteigerte Haß der Bevölkerung war nicht übermäßig zu fürch¬
ten, weder die Bayern noch die Schwaben werden, so lange sie nicht dem preu¬
ßischen Bundesstaat eingefügt sind, in ihrer großen Mehrzahl etwas. Anderes
sein als Bayern und Schwaben. Für die gesammte Intelligenz dieser verklei¬
nerten Staaten aber wäre der Bundesstaat nach wenig Monden von so ma߬
gebender Bedeutung geworden, daß er doch eine übermächtige Anziehungskraft
geübt hätte. Die Regierungen aber werden auch nach dem schonenden Frieden
genau wie bisher fortfahren, ihre Souveränetät ohne Wahl da zu stützen, wo
sie eine Stütze finden, an Oestreich,'Frankreich und Rußland, und sie werden
auch bei der sorgfältigsten Schonung von der Bundesgewalt für sich nie Gutes,
nur Arges erwarten.

Es war also die Rücksicht auf das Ausland, welche diese Schonung ver¬
anlaßte, und wir haben kein Recht, damit unzufrieden zu sein. Denn Preußen
braucht ein Jahr Zeit, um sein Heer zu ergänzen, sein neues Staatsgebiet zu
organisiren und den Bundesstaat zu gründen. Wollte man aber gegen den
Süden nicht so weit gehen, als die militärischen Erfolge dieses Jahres ge¬
stalteten, so war es immerhin klug, daß man ihm wenigstens jeden Borwand
nahm, bei Fremden Schutz zu suchen. Borläufig wird den Regierungen von
Bayern und Würtemberg das Mißbehagen ihrer eigenen Völker genug zu schaffen
machen.

Unterdeß sieht Preußen einen großen Theil seiner Kriegskosten in den
Staatsschatz zurückfließen; es wird dennoch, so hoffen wir, im EinVerständniß
mit der Landesvertretung die projectirte Anleihe machen. Denn darüber darf
man sich nicht täuschen, wir haben einen ruhmvollen Frieden erreicht, aber durch
ihn noch keine friedliche Zeit. Die Stellung Preußens ist so geworden, daß
es einer Macht, auch der größten, sehr gefährlich wird, Krieg gegen den Bun¬
desstaat zu führen, aber eine Coalition mehrer bedroht immer noch mit ernster
Gefahr, so lange die deutsche Frage nicht vollständig gelöst ist und die Gro߬
mächte Europas gezwungen sind, ihre eigenen Vergrößerungswünsche und ihre
Theilnahme an den deutschen Dynastien für gänzlich aussichtslos zu halten.

Es ist Grund zu der Annahme, daß die Willfährigkeit Preußens in Be¬
handlung der Südstaaten nicht auch in der schwierigsten Frage, welche der Krieg
zurückließ, eintreten wird, in der sächsischen. Denn hier handelt es sich in


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[0423] wenigstens das Gebiet zwischen der Jcixt und Tauber zu halten, und dies große Territorium zu einer preußischen Provinz zu machen; dadurch wäre eine Pro¬ vinz entstanden, gewerbthätig und mit vorwiegend protestantischer Bevölkerung, groß genug für eine gewisse Kraftentwickelung und für schnelle Erzeugung eines preußischen Selbstgefühls. Die Existenz der südlich gelegenen, sich selbst über¬ lassenen Länder wäre in diesem Fall eine sehr precaire geworden, der dadurch möglicherweise gesteigerte Haß der Bevölkerung war nicht übermäßig zu fürch¬ ten, weder die Bayern noch die Schwaben werden, so lange sie nicht dem preu¬ ßischen Bundesstaat eingefügt sind, in ihrer großen Mehrzahl etwas. Anderes sein als Bayern und Schwaben. Für die gesammte Intelligenz dieser verklei¬ nerten Staaten aber wäre der Bundesstaat nach wenig Monden von so ma߬ gebender Bedeutung geworden, daß er doch eine übermächtige Anziehungskraft geübt hätte. Die Regierungen aber werden auch nach dem schonenden Frieden genau wie bisher fortfahren, ihre Souveränetät ohne Wahl da zu stützen, wo sie eine Stütze finden, an Oestreich,'Frankreich und Rußland, und sie werden auch bei der sorgfältigsten Schonung von der Bundesgewalt für sich nie Gutes, nur Arges erwarten. Es war also die Rücksicht auf das Ausland, welche diese Schonung ver¬ anlaßte, und wir haben kein Recht, damit unzufrieden zu sein. Denn Preußen braucht ein Jahr Zeit, um sein Heer zu ergänzen, sein neues Staatsgebiet zu organisiren und den Bundesstaat zu gründen. Wollte man aber gegen den Süden nicht so weit gehen, als die militärischen Erfolge dieses Jahres ge¬ stalteten, so war es immerhin klug, daß man ihm wenigstens jeden Borwand nahm, bei Fremden Schutz zu suchen. Borläufig wird den Regierungen von Bayern und Würtemberg das Mißbehagen ihrer eigenen Völker genug zu schaffen machen. Unterdeß sieht Preußen einen großen Theil seiner Kriegskosten in den Staatsschatz zurückfließen; es wird dennoch, so hoffen wir, im EinVerständniß mit der Landesvertretung die projectirte Anleihe machen. Denn darüber darf man sich nicht täuschen, wir haben einen ruhmvollen Frieden erreicht, aber durch ihn noch keine friedliche Zeit. Die Stellung Preußens ist so geworden, daß es einer Macht, auch der größten, sehr gefährlich wird, Krieg gegen den Bun¬ desstaat zu führen, aber eine Coalition mehrer bedroht immer noch mit ernster Gefahr, so lange die deutsche Frage nicht vollständig gelöst ist und die Gro߬ mächte Europas gezwungen sind, ihre eigenen Vergrößerungswünsche und ihre Theilnahme an den deutschen Dynastien für gänzlich aussichtslos zu halten. Es ist Grund zu der Annahme, daß die Willfährigkeit Preußens in Be¬ handlung der Südstaaten nicht auch in der schwierigsten Frage, welche der Krieg zurückließ, eintreten wird, in der sächsischen. Denn hier handelt es sich in 60*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/423>, abgerufen am 15.01.2025.