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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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gleichsam mit rechtmäßigen Mitteln die Grundlagen der künftigen Größe Ihres
Hauses gelegt."

Am Schlüsse dieser prophetischen Depesche war der Gedanke einer italieni¬
schen Conföderation mit Ausschluß Oestreichs angeregt. In einem andern Ex-
Pos6 hatte Brusasco ausgeführt: wenn Oestreich dem Bunde beiträte, müßte
auch Frankreich (wegen Corficas) beitreten und die Präsidentschaft des Bundes
müßte Nußland als mächtige uninteressirte Macht haben.

Brusascos weitblickende Rathschläge waren bei den jetzt in Turin herrschen¬
den Dispositionen in den Wind geredet. Graf d'Aglio hatte am 14. December
1820 von San Marzano die reactioncirsten Jnstructionen für den Congreß in
Laibach erhalten. Bezüglich Neapels hieß es darin, daß man jede Transaction
mit der dortigen konstitutionellen Negierung für gefährlich und für ein verhäng-
nißvolles Beispiel halten müsse. In Betreff der inneren Lage der sardinischen
Staaten habe der König unwiderruflich seine Entschlüsse gefaßt. Er werde mit
gewissenhafter Sorgfalt über der Erhaltung der gegenwärtigen Ordnung wachen
und seinen Unterthanen jeden Vorwand ungerechter Wünsche dadurch entziehen,
daß er freiwillig alle von der Zeit erforderten Verbesserungen ihnen zu Theil
werden lasse. Aber niemals sei der König geneigt, seiner Regierung eine con-
stitutionelle Form zu geben, da mit einer solchen Veränderung der Grundstein
des Gebäudes der traditionellen Politik seines Hauses erschüttert würde. Ein
Repräsentativverfassung würde den sardinischen Staaten gradezu ihre Bedeutung
rauben. Denn diese bestehen aus heterogenen Elementen, deren Verschmelzung
bisher nicht möglich gewesen sei. Nur durch die Einheit der Gewalt sei es
möglich, daß Savoyarden und Nizzaner, Sarden, Genuesen und Piemontesen
einen Staat bilden könnten. Die Interessen dieser Landestheile seien nicht
blos verschieden, sondern entgegengesetzt, somit könnte man unter den Abgeord¬
neten nie auf eine hinreichende Mehrheit rechnen, und die Zwietracht, die unter
ihnen ausbräche, würde alsbald im Volke selbst die schlimmsten Folgen haben.

San Marzano begab sich ebenfalls nach Laibach, und das Erste, was er
von dort nach Turin schreibt, ist, daß er sich Mühe gegeben habe, förmliche
Garantien für die unverletzliche Erhaltung der Regierungsform zu erlangen.
Dem entsprechend war nun die ganze Haltung San Marzanos auf dem Con¬
greß. Er stimmte mit Freuden für die bewaffnete Intervention Oestreichs in
Neapel, wie alle anderen italienischen Bevollmächtigten, mit Ausnahme der
päpstlichen, und er betrieb aus allen Kräften, daß die künftige Regierungsweise
in Neapel nicht dem König überlassen, sondern ein Verwaltungsplan, der jeden
Schein von liberalen Zugeständnissen beseitigte, vom Congreß festgesetzt und
dem König auferlegt würde. Seine Meinung war, daß man nichts halb thun
dürfe; gegenwärtig würde eine Monarchie mit repräsentativen Formen nur dazu
dienen, die Parteien sich gegenüberzustellen, die Hoffnungen der Liberalen zu


gleichsam mit rechtmäßigen Mitteln die Grundlagen der künftigen Größe Ihres
Hauses gelegt."

Am Schlüsse dieser prophetischen Depesche war der Gedanke einer italieni¬
schen Conföderation mit Ausschluß Oestreichs angeregt. In einem andern Ex-
Pos6 hatte Brusasco ausgeführt: wenn Oestreich dem Bunde beiträte, müßte
auch Frankreich (wegen Corficas) beitreten und die Präsidentschaft des Bundes
müßte Nußland als mächtige uninteressirte Macht haben.

Brusascos weitblickende Rathschläge waren bei den jetzt in Turin herrschen¬
den Dispositionen in den Wind geredet. Graf d'Aglio hatte am 14. December
1820 von San Marzano die reactioncirsten Jnstructionen für den Congreß in
Laibach erhalten. Bezüglich Neapels hieß es darin, daß man jede Transaction
mit der dortigen konstitutionellen Negierung für gefährlich und für ein verhäng-
nißvolles Beispiel halten müsse. In Betreff der inneren Lage der sardinischen
Staaten habe der König unwiderruflich seine Entschlüsse gefaßt. Er werde mit
gewissenhafter Sorgfalt über der Erhaltung der gegenwärtigen Ordnung wachen
und seinen Unterthanen jeden Vorwand ungerechter Wünsche dadurch entziehen,
daß er freiwillig alle von der Zeit erforderten Verbesserungen ihnen zu Theil
werden lasse. Aber niemals sei der König geneigt, seiner Regierung eine con-
stitutionelle Form zu geben, da mit einer solchen Veränderung der Grundstein
des Gebäudes der traditionellen Politik seines Hauses erschüttert würde. Ein
Repräsentativverfassung würde den sardinischen Staaten gradezu ihre Bedeutung
rauben. Denn diese bestehen aus heterogenen Elementen, deren Verschmelzung
bisher nicht möglich gewesen sei. Nur durch die Einheit der Gewalt sei es
möglich, daß Savoyarden und Nizzaner, Sarden, Genuesen und Piemontesen
einen Staat bilden könnten. Die Interessen dieser Landestheile seien nicht
blos verschieden, sondern entgegengesetzt, somit könnte man unter den Abgeord¬
neten nie auf eine hinreichende Mehrheit rechnen, und die Zwietracht, die unter
ihnen ausbräche, würde alsbald im Volke selbst die schlimmsten Folgen haben.

San Marzano begab sich ebenfalls nach Laibach, und das Erste, was er
von dort nach Turin schreibt, ist, daß er sich Mühe gegeben habe, förmliche
Garantien für die unverletzliche Erhaltung der Regierungsform zu erlangen.
Dem entsprechend war nun die ganze Haltung San Marzanos auf dem Con¬
greß. Er stimmte mit Freuden für die bewaffnete Intervention Oestreichs in
Neapel, wie alle anderen italienischen Bevollmächtigten, mit Ausnahme der
päpstlichen, und er betrieb aus allen Kräften, daß die künftige Regierungsweise
in Neapel nicht dem König überlassen, sondern ein Verwaltungsplan, der jeden
Schein von liberalen Zugeständnissen beseitigte, vom Congreß festgesetzt und
dem König auferlegt würde. Seine Meinung war, daß man nichts halb thun
dürfe; gegenwärtig würde eine Monarchie mit repräsentativen Formen nur dazu
dienen, die Parteien sich gegenüberzustellen, die Hoffnungen der Liberalen zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/358>, abgerufen am 22.07.2024.