-- Sie sehen übrigens gar nit sächsisch aus, Sie müssen ein Preuße sein!" -- "Ich bin Mecklenburger." -- "Ist ganz gleich -- höchst verdächtig -- jetzt Wachens auf oder die Pulse werden Ihnen herumgedreht, -- sehen Sie noch nicht, daß ich bewaffnetes Militär bei mir habe?"
Der Diener breitet zuerst die Toilette aus. "Oho, da haben wirs, lauter Apparate -- schnell die Büchsen auf!" -- "Aberich sollte doch denken, die Herren Offiziere müßten wissen, was eine Toilette--" "Nix da, aufgemacht!" Einige Messer kommen zum Vorschein. -- "Lauter Instrumente und Apparate! Alles durchsuchen!" Man geht zum Koffer über. .Ha, hier kommts deutlich: Uniform und Militärhut -- und nun gar noch ein Degen!" Ohne Erfolg hält der Diener einen Vortrag über den Unterschied der Species Militär- und Diplo¬ matendegen.
Inzwischen hat der gefangene Graf eine Audienz beim Höchstcommandiren- den des Platzes verlangt. Dieser, ein Major, erscheint; er findet das Ver¬ fahren des Lieutenants durchaus in der Ordnung. Der Detinirte fordert, daß sofort an den Kriegsminister nach Wien und nach Dresden telegraphirt werde. "Kann geschehen," meint der Major, "aber bis Bescheid kommt bleibens halt hier in Arrest!" "Keinesfalls! Dagegen protestire ich; meine Reise leidet keinen Aufschub. Für jeden Nachtheil, den Ihre Anordnung zur Folge hat, mache ich Sie persönlich verantwortlich. Schicken Sie mich -- meinethalben unter Bedeckung -- nach Regensburg. Ich kenne sehr viele höhere bayrische Offiziere (der Graf war früher elmrgö ä'atkaires in München.) -- dort wird mich jedenfalls einer genügend legitimiren." Das leuchtet dem Major ein. Er sorgt für ein Waggon und militärische Eskorte, wobei er, als der Graf einmal mit seinem Diener im Zimmer allein gelassen wird, einschärft, daß Gefangene nicht mit einander sprechen dürfen. Ein Hauptmann tritt zu dem Grafen; dieser macht noch einen Versuch, sich zu rechtfertigen: "An meiner Uniform kann ich Ihnen die sächsischen Farben zeigen. Sie kennen die Farben doch?" "Freilich! ich meine schwarz und weiß!" (Ahnungsvoller Engel du!) -- "Dann wollen wir die Uniform lieber in Ruhe lassen; das Wappen werden Sie ja dann auch nicht kennen!" "Nit so recht." Das war ein königl. bayrischer Hauptmann. Als der Graf, der seit dem vorigen Abend nichts genossen, jetzt Hunger verspürte, wurde seine nicht eben kurzweilige Arrestantensituation durch den komischen Zu¬ fall vervollständigt.- daß wirklich nur ein Stück trockenes Brod und ein Schluck Wasser aufzutreiben war.
Man giebt dem verdächtigen Fremden endlich auf sein Begehr ein Coup6 erster Classe. Der zur Bewachung mitgegebene Offizier ist ein verständiger Mann, welcher gesteht, daß er persönlich an der Identität des Gesandten zwar nicht zweifle, aber ihn jetzt um so mehr in Arrest behalten müsse, weil er ihn Vor der Wuth der Menge zu schützen habe: denn diese -- Militär wie Civil --
— Sie sehen übrigens gar nit sächsisch aus, Sie müssen ein Preuße sein!" — „Ich bin Mecklenburger." — „Ist ganz gleich — höchst verdächtig — jetzt Wachens auf oder die Pulse werden Ihnen herumgedreht, — sehen Sie noch nicht, daß ich bewaffnetes Militär bei mir habe?"
Der Diener breitet zuerst die Toilette aus. „Oho, da haben wirs, lauter Apparate — schnell die Büchsen auf!" — „Aberich sollte doch denken, die Herren Offiziere müßten wissen, was eine Toilette--" „Nix da, aufgemacht!" Einige Messer kommen zum Vorschein. — „Lauter Instrumente und Apparate! Alles durchsuchen!" Man geht zum Koffer über. .Ha, hier kommts deutlich: Uniform und Militärhut — und nun gar noch ein Degen!" Ohne Erfolg hält der Diener einen Vortrag über den Unterschied der Species Militär- und Diplo¬ matendegen.
Inzwischen hat der gefangene Graf eine Audienz beim Höchstcommandiren- den des Platzes verlangt. Dieser, ein Major, erscheint; er findet das Ver¬ fahren des Lieutenants durchaus in der Ordnung. Der Detinirte fordert, daß sofort an den Kriegsminister nach Wien und nach Dresden telegraphirt werde. „Kann geschehen," meint der Major, „aber bis Bescheid kommt bleibens halt hier in Arrest!" „Keinesfalls! Dagegen protestire ich; meine Reise leidet keinen Aufschub. Für jeden Nachtheil, den Ihre Anordnung zur Folge hat, mache ich Sie persönlich verantwortlich. Schicken Sie mich — meinethalben unter Bedeckung — nach Regensburg. Ich kenne sehr viele höhere bayrische Offiziere (der Graf war früher elmrgö ä'atkaires in München.) — dort wird mich jedenfalls einer genügend legitimiren." Das leuchtet dem Major ein. Er sorgt für ein Waggon und militärische Eskorte, wobei er, als der Graf einmal mit seinem Diener im Zimmer allein gelassen wird, einschärft, daß Gefangene nicht mit einander sprechen dürfen. Ein Hauptmann tritt zu dem Grafen; dieser macht noch einen Versuch, sich zu rechtfertigen: „An meiner Uniform kann ich Ihnen die sächsischen Farben zeigen. Sie kennen die Farben doch?" „Freilich! ich meine schwarz und weiß!" (Ahnungsvoller Engel du!) — „Dann wollen wir die Uniform lieber in Ruhe lassen; das Wappen werden Sie ja dann auch nicht kennen!" „Nit so recht." Das war ein königl. bayrischer Hauptmann. Als der Graf, der seit dem vorigen Abend nichts genossen, jetzt Hunger verspürte, wurde seine nicht eben kurzweilige Arrestantensituation durch den komischen Zu¬ fall vervollständigt.- daß wirklich nur ein Stück trockenes Brod und ein Schluck Wasser aufzutreiben war.
Man giebt dem verdächtigen Fremden endlich auf sein Begehr ein Coup6 erster Classe. Der zur Bewachung mitgegebene Offizier ist ein verständiger Mann, welcher gesteht, daß er persönlich an der Identität des Gesandten zwar nicht zweifle, aber ihn jetzt um so mehr in Arrest behalten müsse, weil er ihn Vor der Wuth der Menge zu schützen habe: denn diese — Militär wie Civil —
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— Sie sehen übrigens gar nit sächsisch aus, Sie müssen ein Preuße sein!"
— „Ich bin Mecklenburger." — „Ist ganz gleich — höchst verdächtig — jetzt
Wachens auf oder die Pulse werden Ihnen herumgedreht, — sehen Sie noch
nicht, daß ich bewaffnetes Militär bei mir habe?"
Der Diener breitet zuerst die Toilette aus. „Oho, da haben wirs, lauter
Apparate — schnell die Büchsen auf!" — „Aberich sollte doch denken, die Herren
Offiziere müßten wissen, was eine Toilette--" „Nix da, aufgemacht!" Einige
Messer kommen zum Vorschein. — „Lauter Instrumente und Apparate! Alles
durchsuchen!" Man geht zum Koffer über. .Ha, hier kommts deutlich: Uniform
und Militärhut — und nun gar noch ein Degen!" Ohne Erfolg hält der
Diener einen Vortrag über den Unterschied der Species Militär- und Diplo¬
matendegen.
Inzwischen hat der gefangene Graf eine Audienz beim Höchstcommandiren-
den des Platzes verlangt. Dieser, ein Major, erscheint; er findet das Ver¬
fahren des Lieutenants durchaus in der Ordnung. Der Detinirte fordert, daß
sofort an den Kriegsminister nach Wien und nach Dresden telegraphirt werde.
„Kann geschehen," meint der Major, „aber bis Bescheid kommt bleibens halt
hier in Arrest!" „Keinesfalls! Dagegen protestire ich; meine Reise leidet keinen
Aufschub. Für jeden Nachtheil, den Ihre Anordnung zur Folge hat, mache
ich Sie persönlich verantwortlich. Schicken Sie mich — meinethalben unter
Bedeckung — nach Regensburg. Ich kenne sehr viele höhere bayrische Offiziere
(der Graf war früher elmrgö ä'atkaires in München.) — dort wird mich
jedenfalls einer genügend legitimiren." Das leuchtet dem Major ein. Er
sorgt für ein Waggon und militärische Eskorte, wobei er, als der Graf einmal
mit seinem Diener im Zimmer allein gelassen wird, einschärft, daß Gefangene
nicht mit einander sprechen dürfen. Ein Hauptmann tritt zu dem Grafen; dieser
macht noch einen Versuch, sich zu rechtfertigen: „An meiner Uniform kann ich
Ihnen die sächsischen Farben zeigen. Sie kennen die Farben doch?" „Freilich!
ich meine schwarz und weiß!" (Ahnungsvoller Engel du!) — „Dann wollen wir
die Uniform lieber in Ruhe lassen; das Wappen werden Sie ja dann auch nicht
kennen!" „Nit so recht." Das war ein königl. bayrischer Hauptmann. Als
der Graf, der seit dem vorigen Abend nichts genossen, jetzt Hunger verspürte,
wurde seine nicht eben kurzweilige Arrestantensituation durch den komischen Zu¬
fall vervollständigt.- daß wirklich nur ein Stück trockenes Brod und ein Schluck
Wasser aufzutreiben war.
Man giebt dem verdächtigen Fremden endlich auf sein Begehr ein Coup6
erster Classe. Der zur Bewachung mitgegebene Offizier ist ein verständiger
Mann, welcher gesteht, daß er persönlich an der Identität des Gesandten zwar
nicht zweifle, aber ihn jetzt um so mehr in Arrest behalten müsse, weil er ihn
Vor der Wuth der Menge zu schützen habe: denn diese — Militär wie Civil —
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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/319>, abgerufen am 24.01.2025.
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