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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Palast tief gewurzelt. Der Briefwechsel zwischen den königlichen Brüdern giebt
die bündigsten Beweise davon. So hatte im März d. I. Karl Felix an Victor
Emanuel geschrieben: "Was das betrifft, was Sie mir von den Oestreichern
schreiben, so muß man bei diesen Herren stets auf der Hut sein. Ihre Absichten
uns gegenüber sind niemals gut, und sie nähren immer Schlangengift im Busen."
Unermüdlich war auch die piemontesischc Diplomatie in ihren Warnungen vor
Nachgiebigkeit gegen Oestreich. De Maistre schrieb im Juli 1816 aus Se. Peters¬
burg: "Was den italienischen Bund anlangt, so glaube ich, offen zu sprechen,
daß alle erdenklichen Gründe uns verbieten auf ein solches Wagniß einzugehen.
Die Unterscheidung zwischen Kaiser und italienischer Fürst, die man vorgebracht
hat, nützt gar nichts. Derjenige, der von der russischen Grenze bis nach Mai¬
land ununterbrochen auf eigenem Boden kommen kann, welche Freiheit zu handeln
wird der dem Bunde lassen?"

Eine seltsame Episode der piemontesischen Politik bilden die Versuche, welche
su' um diese Zeit (Anfang 1816) machte, als Damm gegen das Übergewicht
der Großmächte eine engere Vereinigung von Mächten zweiten Rangs zu Stande
zu bringen. Diese Versuche begegneten sich mit den gleichzeitig in den deutschen
Mittclstaaten verfolgten Bestrebungen, sich dem Einfluß Oestreichs und Preußens
zu entziehen, und wirtlich beabsichtigte Sardinien, nicht blos Neapel und den
Kirchenstaat, sondern auch Bayern, Würtemberg, Sachsen u. s. w. für diesen
Gegenbund zu gewinnen.

Von wirklichem Erfolg konnte freilich nirgends die Rede kein. Zuerst
wurde in Neapel sondirt. Der Marchese ti San Saturnino sollte dem König
Ferdinand vorstellen, daß die gemeinsamen Gefahren, denen beide Königreiche
ausgesetzt, gemeinsame Verabredungen erheischten, um sich gegen die invasive
Politik des wiener Hoff zu sichern. Aber San Saturnino wagte gar nicht von
diesem Plane Mittheilung zu machen, er fürchtete mit Recht, denselben nur in
Wien denuncirt zu sehen. Er schrieb nach Turin: "Für die innere Ruhe stützt
man sich hier einzig auf die Oestreicher, und auf England verläßt man sich,
um die neapolitanische Flagge auswärts geachtet zu wissen."

In Rom war Graf Barbaroux der Gesandte Piemonts. Er sollte den
Päpstlichen Hof hauptsächlich daran erinnern, welchen Grund zum Mißtrauen
gegen Oestreich er seit alten Zeiten habe. Die Hinterlist Oestreichs in den ver¬
gangenen Kriegen -- so hieß es in den im Februar ausgefertigten Instruktio¬
nen -- wie seine gegenwärtigen Umtriebe lassen hinreichend erkennen, daß es
nur eine Vermehrung der Herrschaft will, unbekümmert um die Opfer an Blut
für die Völker, unbekümmert um den Makel der Treulosigkeit. Belehre von
den Beispielen der Vergangenheit wie durch neuere Erfahrungen, darf der h.
Stuhl sich nicht verleiten lassen, die ehrgeizigen Absichten Oestreichs zu begün¬
stigen. Sie müssen bei jeder Gelegenheit einfließen lassen, wie verdächtig und


Palast tief gewurzelt. Der Briefwechsel zwischen den königlichen Brüdern giebt
die bündigsten Beweise davon. So hatte im März d. I. Karl Felix an Victor
Emanuel geschrieben: „Was das betrifft, was Sie mir von den Oestreichern
schreiben, so muß man bei diesen Herren stets auf der Hut sein. Ihre Absichten
uns gegenüber sind niemals gut, und sie nähren immer Schlangengift im Busen."
Unermüdlich war auch die piemontesischc Diplomatie in ihren Warnungen vor
Nachgiebigkeit gegen Oestreich. De Maistre schrieb im Juli 1816 aus Se. Peters¬
burg: „Was den italienischen Bund anlangt, so glaube ich, offen zu sprechen,
daß alle erdenklichen Gründe uns verbieten auf ein solches Wagniß einzugehen.
Die Unterscheidung zwischen Kaiser und italienischer Fürst, die man vorgebracht
hat, nützt gar nichts. Derjenige, der von der russischen Grenze bis nach Mai¬
land ununterbrochen auf eigenem Boden kommen kann, welche Freiheit zu handeln
wird der dem Bunde lassen?"

Eine seltsame Episode der piemontesischen Politik bilden die Versuche, welche
su' um diese Zeit (Anfang 1816) machte, als Damm gegen das Übergewicht
der Großmächte eine engere Vereinigung von Mächten zweiten Rangs zu Stande
zu bringen. Diese Versuche begegneten sich mit den gleichzeitig in den deutschen
Mittclstaaten verfolgten Bestrebungen, sich dem Einfluß Oestreichs und Preußens
zu entziehen, und wirtlich beabsichtigte Sardinien, nicht blos Neapel und den
Kirchenstaat, sondern auch Bayern, Würtemberg, Sachsen u. s. w. für diesen
Gegenbund zu gewinnen.

Von wirklichem Erfolg konnte freilich nirgends die Rede kein. Zuerst
wurde in Neapel sondirt. Der Marchese ti San Saturnino sollte dem König
Ferdinand vorstellen, daß die gemeinsamen Gefahren, denen beide Königreiche
ausgesetzt, gemeinsame Verabredungen erheischten, um sich gegen die invasive
Politik des wiener Hoff zu sichern. Aber San Saturnino wagte gar nicht von
diesem Plane Mittheilung zu machen, er fürchtete mit Recht, denselben nur in
Wien denuncirt zu sehen. Er schrieb nach Turin: „Für die innere Ruhe stützt
man sich hier einzig auf die Oestreicher, und auf England verläßt man sich,
um die neapolitanische Flagge auswärts geachtet zu wissen."

In Rom war Graf Barbaroux der Gesandte Piemonts. Er sollte den
Päpstlichen Hof hauptsächlich daran erinnern, welchen Grund zum Mißtrauen
gegen Oestreich er seit alten Zeiten habe. Die Hinterlist Oestreichs in den ver¬
gangenen Kriegen — so hieß es in den im Februar ausgefertigten Instruktio¬
nen — wie seine gegenwärtigen Umtriebe lassen hinreichend erkennen, daß es
nur eine Vermehrung der Herrschaft will, unbekümmert um die Opfer an Blut
für die Völker, unbekümmert um den Makel der Treulosigkeit. Belehre von
den Beispielen der Vergangenheit wie durch neuere Erfahrungen, darf der h.
Stuhl sich nicht verleiten lassen, die ehrgeizigen Absichten Oestreichs zu begün¬
stigen. Sie müssen bei jeder Gelegenheit einfließen lassen, wie verdächtig und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/233>, abgerufen am 22.07.2024.