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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Die Gesandten Piemonts wurden im Juni 1816 angewiesen, sie sollten
guten Willen heucheln und inzwischen suchen Zeit zu gewinnen, ohne sich zu
etwas zu verstehen, was in irgendeiner Weise die Entschlüsse des turiner Hoff
binden könnte. Dagegen hatte die Nothwendigkeit sich aus Oestreich zu stützen,
welchem der Großherzog Ferdinand der Dritte seine Wiedereinsetzung verdankte,
den toscanischen Bevollmächtigten, Fürsten Corsini, veranlaßt, auf die Wünsche
Metternichs auch in der Frage des Bundes bereitwillig einzugehen. Im Mai
181S erstattete Corsini dem Großherzog Bericht über eine Unterredung mit
Metternich, woraus wir zugleich das östreichische Project bereits in einer vor¬
gerückteren Gestalt kennen lernen. "Ich erwiederte ihm," schreibt Corsini, "das
System einer italienischen Konföderation, deren Haupt S. M. der Kaiser wäre,
habe so sehr meinen Beifall, daß ich eben im Begriff war, eine kleine Denk¬
schrift in demselben Sinne aufzusetzen, worin ich ihm vorschlug, den Artikel 6
des pariser Vertrags (Vollsouveränetät der Staaten) abzuändern, da er offenbar
einer solchen Konföderation widerstreitet, welcher die Eifersucht Frankreichs eben
mit dem Artikel 6 und mit seiner bereits ausgesprochenen Absicht, Familien¬
verträge mit den bourbonischen Dynastien in Italien abzuschließen, einen Riegel
vorschieben wollte. Wir kamen leicht überein, daß dies die Gelegenheit sei, ein
solches System aufzurichten, nur sollten, um dasselbe den Bevölkerungen nicht
verhaßt zu machen, die Auflagen für die erschöpften Länder mäßig bemessen
werden."

Indessen ging Oestreich Schritt für Schritt mittelst Separatverhandlungen
mit den einzelnen Staaten vor. Im Juni schloß es die berüchtigten Verträge
mit Neapel und Florenz ab, welche mit ihren geheimen Artikeln diese Länder
in Vasallenstaaten Oestreichs verwandelten. Modena und Parma ließen ohne¬
dies nichts zu wünschen übrig. Herzog Franz erklärte sich und seinen Staat
unter das Protectorat des Kaisers zu stellen und Marie Louise, die den Titel
Kaiserin wieder mit dem einer Erzherzogin vertauschte, ließ Oestreich ungehindert
in Parma schalten.

Dagegen stieß die k. k. Politik auf entschiedensten Widerspruch in Turin und
Rom. Im December 1815 schrieb Victor Emanuel an seinen Bruder Karl
Felix: "Der Kaiser, der das Haupt eines italienischen Bundes werden will, um
die Herrschaft, die er über alle italienischen Mächte anstrebt, zu consolidiren,
hat eine Allianz mit Neapel und Toscana. wo er mit seinen Waffen herrscht,
abgeschlossen. Er möchte dasselbe mit mir thun, er wünscht, daß ich ihn als
Haupt des Bundes anerkenne, der eine Consöderation ähnlich dem Rheinbund
wäre und in welchem der Kaiser von Oestreich als Bonaparte figurirte. Ich
erwiederte ihm, da ich bereits eine Allianz mit ihm habe, scheine es über¬
flüssig eine zweite abzuschließen, und da von meinen Vorfahren und von mir
immer aus gleichem Fuße sowohl mit Frankreich als mit Oestreich verhandelt


Die Gesandten Piemonts wurden im Juni 1816 angewiesen, sie sollten
guten Willen heucheln und inzwischen suchen Zeit zu gewinnen, ohne sich zu
etwas zu verstehen, was in irgendeiner Weise die Entschlüsse des turiner Hoff
binden könnte. Dagegen hatte die Nothwendigkeit sich aus Oestreich zu stützen,
welchem der Großherzog Ferdinand der Dritte seine Wiedereinsetzung verdankte,
den toscanischen Bevollmächtigten, Fürsten Corsini, veranlaßt, auf die Wünsche
Metternichs auch in der Frage des Bundes bereitwillig einzugehen. Im Mai
181S erstattete Corsini dem Großherzog Bericht über eine Unterredung mit
Metternich, woraus wir zugleich das östreichische Project bereits in einer vor¬
gerückteren Gestalt kennen lernen. „Ich erwiederte ihm," schreibt Corsini, „das
System einer italienischen Konföderation, deren Haupt S. M. der Kaiser wäre,
habe so sehr meinen Beifall, daß ich eben im Begriff war, eine kleine Denk¬
schrift in demselben Sinne aufzusetzen, worin ich ihm vorschlug, den Artikel 6
des pariser Vertrags (Vollsouveränetät der Staaten) abzuändern, da er offenbar
einer solchen Konföderation widerstreitet, welcher die Eifersucht Frankreichs eben
mit dem Artikel 6 und mit seiner bereits ausgesprochenen Absicht, Familien¬
verträge mit den bourbonischen Dynastien in Italien abzuschließen, einen Riegel
vorschieben wollte. Wir kamen leicht überein, daß dies die Gelegenheit sei, ein
solches System aufzurichten, nur sollten, um dasselbe den Bevölkerungen nicht
verhaßt zu machen, die Auflagen für die erschöpften Länder mäßig bemessen
werden."

Indessen ging Oestreich Schritt für Schritt mittelst Separatverhandlungen
mit den einzelnen Staaten vor. Im Juni schloß es die berüchtigten Verträge
mit Neapel und Florenz ab, welche mit ihren geheimen Artikeln diese Länder
in Vasallenstaaten Oestreichs verwandelten. Modena und Parma ließen ohne¬
dies nichts zu wünschen übrig. Herzog Franz erklärte sich und seinen Staat
unter das Protectorat des Kaisers zu stellen und Marie Louise, die den Titel
Kaiserin wieder mit dem einer Erzherzogin vertauschte, ließ Oestreich ungehindert
in Parma schalten.

Dagegen stieß die k. k. Politik auf entschiedensten Widerspruch in Turin und
Rom. Im December 1815 schrieb Victor Emanuel an seinen Bruder Karl
Felix: „Der Kaiser, der das Haupt eines italienischen Bundes werden will, um
die Herrschaft, die er über alle italienischen Mächte anstrebt, zu consolidiren,
hat eine Allianz mit Neapel und Toscana. wo er mit seinen Waffen herrscht,
abgeschlossen. Er möchte dasselbe mit mir thun, er wünscht, daß ich ihn als
Haupt des Bundes anerkenne, der eine Consöderation ähnlich dem Rheinbund
wäre und in welchem der Kaiser von Oestreich als Bonaparte figurirte. Ich
erwiederte ihm, da ich bereits eine Allianz mit ihm habe, scheine es über¬
flüssig eine zweite abzuschließen, und da von meinen Vorfahren und von mir
immer aus gleichem Fuße sowohl mit Frankreich als mit Oestreich verhandelt


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[0230] Die Gesandten Piemonts wurden im Juni 1816 angewiesen, sie sollten guten Willen heucheln und inzwischen suchen Zeit zu gewinnen, ohne sich zu etwas zu verstehen, was in irgendeiner Weise die Entschlüsse des turiner Hoff binden könnte. Dagegen hatte die Nothwendigkeit sich aus Oestreich zu stützen, welchem der Großherzog Ferdinand der Dritte seine Wiedereinsetzung verdankte, den toscanischen Bevollmächtigten, Fürsten Corsini, veranlaßt, auf die Wünsche Metternichs auch in der Frage des Bundes bereitwillig einzugehen. Im Mai 181S erstattete Corsini dem Großherzog Bericht über eine Unterredung mit Metternich, woraus wir zugleich das östreichische Project bereits in einer vor¬ gerückteren Gestalt kennen lernen. „Ich erwiederte ihm," schreibt Corsini, „das System einer italienischen Konföderation, deren Haupt S. M. der Kaiser wäre, habe so sehr meinen Beifall, daß ich eben im Begriff war, eine kleine Denk¬ schrift in demselben Sinne aufzusetzen, worin ich ihm vorschlug, den Artikel 6 des pariser Vertrags (Vollsouveränetät der Staaten) abzuändern, da er offenbar einer solchen Konföderation widerstreitet, welcher die Eifersucht Frankreichs eben mit dem Artikel 6 und mit seiner bereits ausgesprochenen Absicht, Familien¬ verträge mit den bourbonischen Dynastien in Italien abzuschließen, einen Riegel vorschieben wollte. Wir kamen leicht überein, daß dies die Gelegenheit sei, ein solches System aufzurichten, nur sollten, um dasselbe den Bevölkerungen nicht verhaßt zu machen, die Auflagen für die erschöpften Länder mäßig bemessen werden." Indessen ging Oestreich Schritt für Schritt mittelst Separatverhandlungen mit den einzelnen Staaten vor. Im Juni schloß es die berüchtigten Verträge mit Neapel und Florenz ab, welche mit ihren geheimen Artikeln diese Länder in Vasallenstaaten Oestreichs verwandelten. Modena und Parma ließen ohne¬ dies nichts zu wünschen übrig. Herzog Franz erklärte sich und seinen Staat unter das Protectorat des Kaisers zu stellen und Marie Louise, die den Titel Kaiserin wieder mit dem einer Erzherzogin vertauschte, ließ Oestreich ungehindert in Parma schalten. Dagegen stieß die k. k. Politik auf entschiedensten Widerspruch in Turin und Rom. Im December 1815 schrieb Victor Emanuel an seinen Bruder Karl Felix: „Der Kaiser, der das Haupt eines italienischen Bundes werden will, um die Herrschaft, die er über alle italienischen Mächte anstrebt, zu consolidiren, hat eine Allianz mit Neapel und Toscana. wo er mit seinen Waffen herrscht, abgeschlossen. Er möchte dasselbe mit mir thun, er wünscht, daß ich ihn als Haupt des Bundes anerkenne, der eine Consöderation ähnlich dem Rheinbund wäre und in welchem der Kaiser von Oestreich als Bonaparte figurirte. Ich erwiederte ihm, da ich bereits eine Allianz mit ihm habe, scheine es über¬ flüssig eine zweite abzuschließen, und da von meinen Vorfahren und von mir immer aus gleichem Fuße sowohl mit Frankreich als mit Oestreich verhandelt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/230>, abgerufen am 22.07.2024.