Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hinausschwärmt, Raum und Stätte zu geben. Nie wäre in der Welt ein Recht
politischen Fortschrittes entstanden, wenn nicht durch das Unrecht solcher revo¬
lutionären Handlungen.

Das Parlament wird zuerst vielleicht nur Versammlung norddeutscher Ver¬
treter sein, an welche Preußen als an den erreichbaren Theil der Nation mit
seinen Forderungen appellirt, weiche überdies für dieses Forum die nächsten
häuslichen Interessen in sich begreifen. Von dem Gesichtspunkte aus hat jeder
die Frage zu beantworten, ob er wählen und Wahl annehmen soll oder nicht.
Was von Süddeutschland her gezetert und gelästert wird von der "Frivolität
und dem Gift" des bismarckschen Bundesreformentwurfs und der nichtigen Com-
petenz des Parlamentes, braucht jetzt niemanden zu irren. Kein Einsichtiger
verkennt, daß wir eben nur einen Entwurf vor uns haben, der zwar nicht das
Beste und Letzte bietet, was wir nach dieser Richtung erstreben, aber doch Bessere"
bringt., als wir haben. Die Formen, die Preußen anträgt, erwarten ihren In¬
halt von der Einsicht und Entschlußfähigkeit der Berufenen des Volks. Es
hieße sich selber aufgeben, wollte man der vorwärtsdrängenden Gewalt, die
dem größten unsrer nationalen Postulate, dem Parlament, inne wohnt, mi߬
trauen.

Bei der Cardinalfrage, die ihm vorzulegen ist, fällt die Anwendbarkeit der
Redensart hinweg, daß wir es hier nur mit "einer Conferenz Nichtsachverstän-
diger über technische Angelegenheiten" zu thun haben, wie der anonyme Ver¬
ächter des preußischen Entwurfs meint, dessen Kritik wir oben anführten. Ueber
das Elend seiner äußern politischen Beschaffenheit ist das deutsche Volk, und
vollends das Volk in Norddeutschland, wie uns dünkt, sachverständig genug.

Als gute Vorbereitung auf den Freimuth der nationalen Pflicht, die an
uns tritt, mag die hannoversche Erklärung gelten, die auch in Hessen Annahme
und in Sachsen zahlreichen Beitritt gefunden hat. Es fehlt ihr noch an posi¬
tivem Nachdruck, an rückhaltloser Anerkennung des Nothwendigen; aber die Be¬
wegung, welche durch sie Antrieb bekommen hat, kann zu einer kräftigen Ini¬
tiative drängen, zu einer äselMation-ok-riM für unsere politische Verfassung.
Und nichts Geringeres thut noth .




24"

hinausschwärmt, Raum und Stätte zu geben. Nie wäre in der Welt ein Recht
politischen Fortschrittes entstanden, wenn nicht durch das Unrecht solcher revo¬
lutionären Handlungen.

Das Parlament wird zuerst vielleicht nur Versammlung norddeutscher Ver¬
treter sein, an welche Preußen als an den erreichbaren Theil der Nation mit
seinen Forderungen appellirt, weiche überdies für dieses Forum die nächsten
häuslichen Interessen in sich begreifen. Von dem Gesichtspunkte aus hat jeder
die Frage zu beantworten, ob er wählen und Wahl annehmen soll oder nicht.
Was von Süddeutschland her gezetert und gelästert wird von der „Frivolität
und dem Gift" des bismarckschen Bundesreformentwurfs und der nichtigen Com-
petenz des Parlamentes, braucht jetzt niemanden zu irren. Kein Einsichtiger
verkennt, daß wir eben nur einen Entwurf vor uns haben, der zwar nicht das
Beste und Letzte bietet, was wir nach dieser Richtung erstreben, aber doch Bessere»
bringt., als wir haben. Die Formen, die Preußen anträgt, erwarten ihren In¬
halt von der Einsicht und Entschlußfähigkeit der Berufenen des Volks. Es
hieße sich selber aufgeben, wollte man der vorwärtsdrängenden Gewalt, die
dem größten unsrer nationalen Postulate, dem Parlament, inne wohnt, mi߬
trauen.

Bei der Cardinalfrage, die ihm vorzulegen ist, fällt die Anwendbarkeit der
Redensart hinweg, daß wir es hier nur mit „einer Conferenz Nichtsachverstän-
diger über technische Angelegenheiten" zu thun haben, wie der anonyme Ver¬
ächter des preußischen Entwurfs meint, dessen Kritik wir oben anführten. Ueber
das Elend seiner äußern politischen Beschaffenheit ist das deutsche Volk, und
vollends das Volk in Norddeutschland, wie uns dünkt, sachverständig genug.

Als gute Vorbereitung auf den Freimuth der nationalen Pflicht, die an
uns tritt, mag die hannoversche Erklärung gelten, die auch in Hessen Annahme
und in Sachsen zahlreichen Beitritt gefunden hat. Es fehlt ihr noch an posi¬
tivem Nachdruck, an rückhaltloser Anerkennung des Nothwendigen; aber die Be¬
wegung, welche durch sie Antrieb bekommen hat, kann zu einer kräftigen Ini¬
tiative drängen, zu einer äselMation-ok-riM für unsere politische Verfassung.
Und nichts Geringeres thut noth .




24»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285793"/>
          <p xml:id="ID_621" prev="#ID_620"> hinausschwärmt, Raum und Stätte zu geben. Nie wäre in der Welt ein Recht<lb/>
politischen Fortschrittes entstanden, wenn nicht durch das Unrecht solcher revo¬<lb/>
lutionären Handlungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_622"> Das Parlament wird zuerst vielleicht nur Versammlung norddeutscher Ver¬<lb/>
treter sein, an welche Preußen als an den erreichbaren Theil der Nation mit<lb/>
seinen Forderungen appellirt, weiche überdies für dieses Forum die nächsten<lb/>
häuslichen Interessen in sich begreifen. Von dem Gesichtspunkte aus hat jeder<lb/>
die Frage zu beantworten, ob er wählen und Wahl annehmen soll oder nicht.<lb/>
Was von Süddeutschland her gezetert und gelästert wird von der &#x201E;Frivolität<lb/>
und dem Gift" des bismarckschen Bundesreformentwurfs und der nichtigen Com-<lb/>
petenz des Parlamentes, braucht jetzt niemanden zu irren. Kein Einsichtiger<lb/>
verkennt, daß wir eben nur einen Entwurf vor uns haben, der zwar nicht das<lb/>
Beste und Letzte bietet, was wir nach dieser Richtung erstreben, aber doch Bessere»<lb/>
bringt., als wir haben. Die Formen, die Preußen anträgt, erwarten ihren In¬<lb/>
halt von der Einsicht und Entschlußfähigkeit der Berufenen des Volks. Es<lb/>
hieße sich selber aufgeben, wollte man der vorwärtsdrängenden Gewalt, die<lb/>
dem größten unsrer nationalen Postulate, dem Parlament, inne wohnt, mi߬<lb/>
trauen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_623"> Bei der Cardinalfrage, die ihm vorzulegen ist, fällt die Anwendbarkeit der<lb/>
Redensart hinweg, daß wir es hier nur mit &#x201E;einer Conferenz Nichtsachverstän-<lb/>
diger über technische Angelegenheiten" zu thun haben, wie der anonyme Ver¬<lb/>
ächter des preußischen Entwurfs meint, dessen Kritik wir oben anführten. Ueber<lb/>
das Elend seiner äußern politischen Beschaffenheit ist das deutsche Volk, und<lb/>
vollends das Volk in Norddeutschland, wie uns dünkt, sachverständig genug.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_624"> Als gute Vorbereitung auf den Freimuth der nationalen Pflicht, die an<lb/>
uns tritt, mag die hannoversche Erklärung gelten, die auch in Hessen Annahme<lb/>
und in Sachsen zahlreichen Beitritt gefunden hat. Es fehlt ihr noch an posi¬<lb/>
tivem Nachdruck, an rückhaltloser Anerkennung des Nothwendigen; aber die Be¬<lb/>
wegung, welche durch sie Antrieb bekommen hat, kann zu einer kräftigen Ini¬<lb/>
tiative drängen, zu einer äselMation-ok-riM für unsere politische Verfassung.<lb/>
Und nichts Geringeres thut noth<note type="byline"/> .</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"> 24»</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0205] hinausschwärmt, Raum und Stätte zu geben. Nie wäre in der Welt ein Recht politischen Fortschrittes entstanden, wenn nicht durch das Unrecht solcher revo¬ lutionären Handlungen. Das Parlament wird zuerst vielleicht nur Versammlung norddeutscher Ver¬ treter sein, an welche Preußen als an den erreichbaren Theil der Nation mit seinen Forderungen appellirt, weiche überdies für dieses Forum die nächsten häuslichen Interessen in sich begreifen. Von dem Gesichtspunkte aus hat jeder die Frage zu beantworten, ob er wählen und Wahl annehmen soll oder nicht. Was von Süddeutschland her gezetert und gelästert wird von der „Frivolität und dem Gift" des bismarckschen Bundesreformentwurfs und der nichtigen Com- petenz des Parlamentes, braucht jetzt niemanden zu irren. Kein Einsichtiger verkennt, daß wir eben nur einen Entwurf vor uns haben, der zwar nicht das Beste und Letzte bietet, was wir nach dieser Richtung erstreben, aber doch Bessere» bringt., als wir haben. Die Formen, die Preußen anträgt, erwarten ihren In¬ halt von der Einsicht und Entschlußfähigkeit der Berufenen des Volks. Es hieße sich selber aufgeben, wollte man der vorwärtsdrängenden Gewalt, die dem größten unsrer nationalen Postulate, dem Parlament, inne wohnt, mi߬ trauen. Bei der Cardinalfrage, die ihm vorzulegen ist, fällt die Anwendbarkeit der Redensart hinweg, daß wir es hier nur mit „einer Conferenz Nichtsachverstän- diger über technische Angelegenheiten" zu thun haben, wie der anonyme Ver¬ ächter des preußischen Entwurfs meint, dessen Kritik wir oben anführten. Ueber das Elend seiner äußern politischen Beschaffenheit ist das deutsche Volk, und vollends das Volk in Norddeutschland, wie uns dünkt, sachverständig genug. Als gute Vorbereitung auf den Freimuth der nationalen Pflicht, die an uns tritt, mag die hannoversche Erklärung gelten, die auch in Hessen Annahme und in Sachsen zahlreichen Beitritt gefunden hat. Es fehlt ihr noch an posi¬ tivem Nachdruck, an rückhaltloser Anerkennung des Nothwendigen; aber die Be¬ wegung, welche durch sie Antrieb bekommen hat, kann zu einer kräftigen Ini¬ tiative drängen, zu einer äselMation-ok-riM für unsere politische Verfassung. Und nichts Geringeres thut noth . 24»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/205
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/205>, abgerufen am 03.07.2024.