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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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werfen. "Clam-Gallas und Henikstein haben alles verschuldet; wenn diese
Männer nicht gewesen wären, feierten wir den herrlichsten Sieg." Ans der
andern Seite beginnt die Ueberzeugung zu dämmern, daß auch die allgemeinen
Zustände und die öffentlichen Einrichtungen für den schlechten Ausgang des
Kampfes mitverantwortlich gemacht werden können. "Endlich wird man doch
einsehen, daß Mangel an Erfindung, Abscheu vor allen Neuerungen wirthschaft¬
lich wie militärisch zum Untergange führe; endlich wird man doch in Oestreich
erkennen, daß ein Staat politisch wie militärisch ohnmächtig ist, der sich nicht
auf die Volkskraft stützt." In diese Ueberzeugung hat sich das Fremdenblatt
über Nacht so vollkommen hineingelebt, daß es sich am 6. Juli zu einer hef¬
tigen Philippika gegen die Regierung versteigt und dabei glauben machen will,
die öffentliche Stimme Wiens habe alles vorhergesehen, niemals dem Kriegs¬
schwindel gehuldigt, niemals einen übermüthigen Ton gegen Preußen ange¬
schlagen. "Wir haben es wiederholt ausgerufen: Mit dem Czako allein wird
man keine Siege erkämpfen; dazu bedarf es der Hingabe und Begeisterung aller
Landeskinder, nicht .blos der uniformirten. -- Die deutsche Nation und auch
das östreichische Volk betrachtete mit Bangen diesen Krieg, da es vom Siege
Preußens den despotischen Cäsarismus, vom Siege Oestreichs die Herrschaft
feudaler ultramontaner Tendenzen befürchtet. Wir sagten ausdrücklich: Man
möge sich nicht einbilden, die preußische Armee wegblasen zu können. Die Re¬
gierung hat das alles nicht berücksichtigt; jetzt haben entsetzliche Ereignisse uns
gezeigt, daß unsere Staatsmänner ihrer Ausgabe nicht gewachsen waren."

Wenn sich jemand dem Glauben hingab, das Waffenunglück habe endlich
eine Umkehr der politischen Anschauungen bewirkt, den Leichtsinn und den Hoch¬
muth aus dem wiener Geiste herausgetrieben, der findet schon im Blatte vom
7. Juli den Beweis seiner Täuschung. "Die preußische Ländergier hat durch
die höllische Erfindung der Zündnadelgewehre den Sieg davon getragen. Volks¬
bewegungen, um eine freiere politische Richtung durchzusetzen, sind an sich un¬
heilvoll und würden den tief herabgekommenen wirthschaftlichen Verhältnissen
Oestreichs den letzten Stoß geben." Also der Hölle allein verdankt Preußen
den Sieg bei Königgrätz, von den tieferen Gründen des Verfalls der östreichi¬
schen Macht ist fortan keine Rede, ein Drängen der Negierung zu Reformen
wäre vom Uebel. Als ob die wiener Zeitungen sich schämen müßten, vierund¬
zwanzig Stunden lang schärfer gedacht und ehrlich gesprochen zu haben, so sehr
beeilen sie sich in den nächstfolgenden Tagen, den alten wiener Ton in seiner
ganzen Erbärmlichkeit wieder anzuschlagen. Sie haben nur einen Wunsch:
der "populäre" Hr. v. Beust möge bald die diplomatische Leitung der östreichi¬
schen Angelegenheiten übernehmen, nur eine Sehnsucht: die französischen Ba-
jonncte mögen sich bald im Rhein spiegeln, nur ein Ziel: auf Deutschlands
Kosten möge die östreichische Negierungswirthschaft noch lange fortdauern. Vom


werfen. „Clam-Gallas und Henikstein haben alles verschuldet; wenn diese
Männer nicht gewesen wären, feierten wir den herrlichsten Sieg." Ans der
andern Seite beginnt die Ueberzeugung zu dämmern, daß auch die allgemeinen
Zustände und die öffentlichen Einrichtungen für den schlechten Ausgang des
Kampfes mitverantwortlich gemacht werden können. „Endlich wird man doch
einsehen, daß Mangel an Erfindung, Abscheu vor allen Neuerungen wirthschaft¬
lich wie militärisch zum Untergange führe; endlich wird man doch in Oestreich
erkennen, daß ein Staat politisch wie militärisch ohnmächtig ist, der sich nicht
auf die Volkskraft stützt." In diese Ueberzeugung hat sich das Fremdenblatt
über Nacht so vollkommen hineingelebt, daß es sich am 6. Juli zu einer hef¬
tigen Philippika gegen die Regierung versteigt und dabei glauben machen will,
die öffentliche Stimme Wiens habe alles vorhergesehen, niemals dem Kriegs¬
schwindel gehuldigt, niemals einen übermüthigen Ton gegen Preußen ange¬
schlagen. „Wir haben es wiederholt ausgerufen: Mit dem Czako allein wird
man keine Siege erkämpfen; dazu bedarf es der Hingabe und Begeisterung aller
Landeskinder, nicht .blos der uniformirten. — Die deutsche Nation und auch
das östreichische Volk betrachtete mit Bangen diesen Krieg, da es vom Siege
Preußens den despotischen Cäsarismus, vom Siege Oestreichs die Herrschaft
feudaler ultramontaner Tendenzen befürchtet. Wir sagten ausdrücklich: Man
möge sich nicht einbilden, die preußische Armee wegblasen zu können. Die Re¬
gierung hat das alles nicht berücksichtigt; jetzt haben entsetzliche Ereignisse uns
gezeigt, daß unsere Staatsmänner ihrer Ausgabe nicht gewachsen waren."

Wenn sich jemand dem Glauben hingab, das Waffenunglück habe endlich
eine Umkehr der politischen Anschauungen bewirkt, den Leichtsinn und den Hoch¬
muth aus dem wiener Geiste herausgetrieben, der findet schon im Blatte vom
7. Juli den Beweis seiner Täuschung. „Die preußische Ländergier hat durch
die höllische Erfindung der Zündnadelgewehre den Sieg davon getragen. Volks¬
bewegungen, um eine freiere politische Richtung durchzusetzen, sind an sich un¬
heilvoll und würden den tief herabgekommenen wirthschaftlichen Verhältnissen
Oestreichs den letzten Stoß geben." Also der Hölle allein verdankt Preußen
den Sieg bei Königgrätz, von den tieferen Gründen des Verfalls der östreichi¬
schen Macht ist fortan keine Rede, ein Drängen der Negierung zu Reformen
wäre vom Uebel. Als ob die wiener Zeitungen sich schämen müßten, vierund¬
zwanzig Stunden lang schärfer gedacht und ehrlich gesprochen zu haben, so sehr
beeilen sie sich in den nächstfolgenden Tagen, den alten wiener Ton in seiner
ganzen Erbärmlichkeit wieder anzuschlagen. Sie haben nur einen Wunsch:
der „populäre" Hr. v. Beust möge bald die diplomatische Leitung der östreichi¬
schen Angelegenheiten übernehmen, nur eine Sehnsucht: die französischen Ba-
jonncte mögen sich bald im Rhein spiegeln, nur ein Ziel: auf Deutschlands
Kosten möge die östreichische Negierungswirthschaft noch lange fortdauern. Vom


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/198>, abgerufen am 22.07.2024.