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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Klugen haben vielleicht nichts dawider, sich von Preußen erobern zu lassen, und
sie sehen mit einiger Theilnahme, daß die Preußen ihr Blut vergießen, aber
Muth und Gelegenheit in der günstigen Stunde selbstthätig für Deutschland zu
handeln, besitzen nur Wenige.

Wer könnte es also den Preußen verdenken, wenn sie jetzt, wo ein großer
Theil der übrigen Deutschen kalt oder feindselig zu der Idee eines Bundes¬
staats steht, darauf verzichten, ihren Landsleuten ein Glück, das man sich nicht
begehrt, aufzudringen. Welcher Deutsche könnte den Preußen etwas Stichhal¬
tiges erwiedern, wenn sie jetzt nach dem Siege von KönigMtz sagen: Wir
haben euch einen Bundesstaat geboten, wie- ihr ihn seit achtzehn Jahren in
Versen und Prosa, in Toasten und Kammerreden ersehnt und beschworen habt,
und was habt ihr dagegen gethan?- Ihr habt wie Kinder mißmuthig bei Seite
gestanden, oder die Hände geballt und zornig das Gesicht verzogen, weil euch
zufällig die Partei nicht recht war, welche euch und euren Nachkommen, der
Gegenwart und Zukunft der Nation, daS Höchste entgegentrug, wa's ihr w
euren Träumen zu hoffen wagtet und was ihr unentbehrlich für euren Stolz
und euer Glück nanntet. Ihr habt entweder gegen uns zu den Waffen ge¬
rufen, oder ihr habt in der großen Mehrzahl thatlos zugesehen, wie eure Fürsten
gegen uns rüsteten; wir haben unser Blut in Strömen vergossen für das ge¬
meinsame Interesse, und ihr gebt uns jetzt zu verstehen, sehr deutlich durch eure
kalte Passivität, durch Bolksgeschrei, durch die Rüstungen eurer Landesherren,
daß ihr das Band, welches euch mit uns vereinigen soll, nicht begehrt.
Ihr selbst habt euch das Recht genommen, Theilnehmer an dem deutschen Staat
zu sein, den wir gründen. Wir werden darum alles Landgebiet, das wir gegen
das Ausland zu behaupten im Stande sind, an unsern Staat ziehen und euch
Andern eurem Schicksal überlassen, d. h. dem Bündniß mit Oestreich. So wollen
wir unsern Bundesstaat mit den Treuen, die zu uns gehalten, einrichten und
ruhig erwarten, bis die Noth, das bittere Gefühl der eigenen Ohnmacht und
der Unmöglichkeit, ohne uns als Deutsche zu bestehen, euch zu uns treibt.

So könnten die Preußen mit Recht sagen und jeden Tag mit dem Kaiser
Napoleon einen Frieden schließen^ der ihren Landbesitz vergrößert und die größere
Hälfte deutschen Gebietes ihnen verbündet. Was aber werden sie in Wahrheit
thun? Oestreich hat ihnen in der gehässigsten Weise erklärt, daß es sein Prin-
cipal über die deutschen Stämme nicht ohne neuen Kampf aufzugeben gewillt
sei. Die Preußen ziehen unaufhaltsam in Mähren vorwärts und fordern die¬
sen Kampf. Das Heer eines Staates von 20 Millionen Menschen sucht das
zweite Heer eines Staates aus 36 Millionen. Entschlossen und ohne Selbst-.
überHebung appelliren sie nochmals an die Entscheidung des Schlachtenglücks.
Wird ihnen hierbei die Gunst des Geschickes, dann sind sie mit Oestreich fertig
und führen ihr Heer nach dem Westen. Dann wird sich entscheiden, ob die


Klugen haben vielleicht nichts dawider, sich von Preußen erobern zu lassen, und
sie sehen mit einiger Theilnahme, daß die Preußen ihr Blut vergießen, aber
Muth und Gelegenheit in der günstigen Stunde selbstthätig für Deutschland zu
handeln, besitzen nur Wenige.

Wer könnte es also den Preußen verdenken, wenn sie jetzt, wo ein großer
Theil der übrigen Deutschen kalt oder feindselig zu der Idee eines Bundes¬
staats steht, darauf verzichten, ihren Landsleuten ein Glück, das man sich nicht
begehrt, aufzudringen. Welcher Deutsche könnte den Preußen etwas Stichhal¬
tiges erwiedern, wenn sie jetzt nach dem Siege von KönigMtz sagen: Wir
haben euch einen Bundesstaat geboten, wie- ihr ihn seit achtzehn Jahren in
Versen und Prosa, in Toasten und Kammerreden ersehnt und beschworen habt,
und was habt ihr dagegen gethan?- Ihr habt wie Kinder mißmuthig bei Seite
gestanden, oder die Hände geballt und zornig das Gesicht verzogen, weil euch
zufällig die Partei nicht recht war, welche euch und euren Nachkommen, der
Gegenwart und Zukunft der Nation, daS Höchste entgegentrug, wa's ihr w
euren Träumen zu hoffen wagtet und was ihr unentbehrlich für euren Stolz
und euer Glück nanntet. Ihr habt entweder gegen uns zu den Waffen ge¬
rufen, oder ihr habt in der großen Mehrzahl thatlos zugesehen, wie eure Fürsten
gegen uns rüsteten; wir haben unser Blut in Strömen vergossen für das ge¬
meinsame Interesse, und ihr gebt uns jetzt zu verstehen, sehr deutlich durch eure
kalte Passivität, durch Bolksgeschrei, durch die Rüstungen eurer Landesherren,
daß ihr das Band, welches euch mit uns vereinigen soll, nicht begehrt.
Ihr selbst habt euch das Recht genommen, Theilnehmer an dem deutschen Staat
zu sein, den wir gründen. Wir werden darum alles Landgebiet, das wir gegen
das Ausland zu behaupten im Stande sind, an unsern Staat ziehen und euch
Andern eurem Schicksal überlassen, d. h. dem Bündniß mit Oestreich. So wollen
wir unsern Bundesstaat mit den Treuen, die zu uns gehalten, einrichten und
ruhig erwarten, bis die Noth, das bittere Gefühl der eigenen Ohnmacht und
der Unmöglichkeit, ohne uns als Deutsche zu bestehen, euch zu uns treibt.

So könnten die Preußen mit Recht sagen und jeden Tag mit dem Kaiser
Napoleon einen Frieden schließen^ der ihren Landbesitz vergrößert und die größere
Hälfte deutschen Gebietes ihnen verbündet. Was aber werden sie in Wahrheit
thun? Oestreich hat ihnen in der gehässigsten Weise erklärt, daß es sein Prin-
cipal über die deutschen Stämme nicht ohne neuen Kampf aufzugeben gewillt
sei. Die Preußen ziehen unaufhaltsam in Mähren vorwärts und fordern die¬
sen Kampf. Das Heer eines Staates von 20 Millionen Menschen sucht das
zweite Heer eines Staates aus 36 Millionen. Entschlossen und ohne Selbst-.
überHebung appelliren sie nochmals an die Entscheidung des Schlachtenglücks.
Wird ihnen hierbei die Gunst des Geschickes, dann sind sie mit Oestreich fertig
und führen ihr Heer nach dem Westen. Dann wird sich entscheiden, ob die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/101>, abgerufen am 03.07.2024.