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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Operationen dennoch stören können, als das wandelbare Kriegsglück täglich
neue Modificationen hervorbringen kann, und weil derlei Besitzungen im Ver¬
gleich der gegenwärtigen dringenden Gefahr sehr unbedeutend sind, endlich weil
das individuelle Interesse der alliirten Mächte bei jeder Eroberung mit befördert
wird.

Wenn diese Betrachtungen jeden der gegen Frankreich vereinigten Souveräns
dahin vermögen können, daß er seiner persönlichen Sicherheit und dem Wohl
seiner Unterthanen es schuldig ist, alle in seiner Gewalt stehenden Mittel zu
vereinigen, um den gemeinschaftlichen Feind zu bezwingen, und jede Neben¬
absicht für sich selbst, oder seine Mitverbundenen beseitigend, blos dem für ihn
und seine Alliirten gleich wichtigen Endzweck entgegenzugehen, so wird es denen
zur Bestimmung der Kriegsoperationen versammelten Generalen leicht sein, für
den herannahenden Feldzug zu bestimmen.

In dieser Versammlung ist die zuerst zu entscheidende Frage die: Wie
kann der gemeinschaftliche Feind am sichersten und nächsten zum
Frieden gezwungen werden?

In dem geendigten, an Menge erfochtener Siege beispiellosen Feldzug ist
der über Frankreich gewonnene geographische Vortheil dermaßen unbedeutend,
daß noch viele ebenso glückliche und mit ebenso großen Anstrengungen geführte
Campagnen dazu gehören würden, Frankreich Schritt vor Schritt zu erobern,
so, daß endlich Geld und Menschen gebrechen müßten, wenn immerwährend mit
Belagerungen und Einnahmen der zahlreichen starken Festungen und mit den
blutigsten Schlachten ausgehalten werden sollte. Zudem achten die Tyrannen
von Frankreich den Verlust einer Stadt, einer Provinz und vieler tausend
Menschen für nichts, denn sie sind durch alle bisher erlittenen Nachtheile um
kein Haar gedemüthigt, und opfern ohne Bedenken Land und Leute ihrer per¬
sönlichen Herrschsucht und Raubbcgicrde auf.

Sie selbst, diese Tyrannen zu ergreifen oder wenigstens ihre Rotte zu zer¬
stören, ihre Macht zu vernichten und eine gesetzmäßige Gewalt aufzustellen, in¬
dem man sich der Hauptstadt bemeistert, welche alles Frankreich und ganz Europa
verheerende Uebel enthält, dies ist, wo nicht das unfehlbarste Mittel, doch zu¬
verlässig das nächste, den Frieden zu erwirken und so beantwortet sich die erste
Frage dahin, daß der Gang der Operationen auf die Hauptstadt gerichtet sein
muß. Die große Frage ist nun zunächst: Was ist erforderlich, mit Wahr¬
scheinlichkeit und Erfolg gegen die Hauptstadt openren zu können?

Die wesentlichste Erforderniß hierzu ist eine hinreichende Kriegsmacht,
welche der übermäßigen Anzahl des Feindes, den festen unerschütterlichen Gang
der Hauptoperationen und der vollkommenen Sicherheit einer weit ausgedehnten
Grenze so proportionirt sein muß, daß nicht zu befürchten steht, die hauptoffen¬
siven Operationen durch feindliche Unternehmungen oder Diversionen gestört zu


Operationen dennoch stören können, als das wandelbare Kriegsglück täglich
neue Modificationen hervorbringen kann, und weil derlei Besitzungen im Ver¬
gleich der gegenwärtigen dringenden Gefahr sehr unbedeutend sind, endlich weil
das individuelle Interesse der alliirten Mächte bei jeder Eroberung mit befördert
wird.

Wenn diese Betrachtungen jeden der gegen Frankreich vereinigten Souveräns
dahin vermögen können, daß er seiner persönlichen Sicherheit und dem Wohl
seiner Unterthanen es schuldig ist, alle in seiner Gewalt stehenden Mittel zu
vereinigen, um den gemeinschaftlichen Feind zu bezwingen, und jede Neben¬
absicht für sich selbst, oder seine Mitverbundenen beseitigend, blos dem für ihn
und seine Alliirten gleich wichtigen Endzweck entgegenzugehen, so wird es denen
zur Bestimmung der Kriegsoperationen versammelten Generalen leicht sein, für
den herannahenden Feldzug zu bestimmen.

In dieser Versammlung ist die zuerst zu entscheidende Frage die: Wie
kann der gemeinschaftliche Feind am sichersten und nächsten zum
Frieden gezwungen werden?

In dem geendigten, an Menge erfochtener Siege beispiellosen Feldzug ist
der über Frankreich gewonnene geographische Vortheil dermaßen unbedeutend,
daß noch viele ebenso glückliche und mit ebenso großen Anstrengungen geführte
Campagnen dazu gehören würden, Frankreich Schritt vor Schritt zu erobern,
so, daß endlich Geld und Menschen gebrechen müßten, wenn immerwährend mit
Belagerungen und Einnahmen der zahlreichen starken Festungen und mit den
blutigsten Schlachten ausgehalten werden sollte. Zudem achten die Tyrannen
von Frankreich den Verlust einer Stadt, einer Provinz und vieler tausend
Menschen für nichts, denn sie sind durch alle bisher erlittenen Nachtheile um
kein Haar gedemüthigt, und opfern ohne Bedenken Land und Leute ihrer per¬
sönlichen Herrschsucht und Raubbcgicrde auf.

Sie selbst, diese Tyrannen zu ergreifen oder wenigstens ihre Rotte zu zer¬
stören, ihre Macht zu vernichten und eine gesetzmäßige Gewalt aufzustellen, in¬
dem man sich der Hauptstadt bemeistert, welche alles Frankreich und ganz Europa
verheerende Uebel enthält, dies ist, wo nicht das unfehlbarste Mittel, doch zu¬
verlässig das nächste, den Frieden zu erwirken und so beantwortet sich die erste
Frage dahin, daß der Gang der Operationen auf die Hauptstadt gerichtet sein
muß. Die große Frage ist nun zunächst: Was ist erforderlich, mit Wahr¬
scheinlichkeit und Erfolg gegen die Hauptstadt openren zu können?

Die wesentlichste Erforderniß hierzu ist eine hinreichende Kriegsmacht,
welche der übermäßigen Anzahl des Feindes, den festen unerschütterlichen Gang
der Hauptoperationen und der vollkommenen Sicherheit einer weit ausgedehnten
Grenze so proportionirt sein muß, daß nicht zu befürchten steht, die hauptoffen¬
siven Operationen durch feindliche Unternehmungen oder Diversionen gestört zu


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[0536] Operationen dennoch stören können, als das wandelbare Kriegsglück täglich neue Modificationen hervorbringen kann, und weil derlei Besitzungen im Ver¬ gleich der gegenwärtigen dringenden Gefahr sehr unbedeutend sind, endlich weil das individuelle Interesse der alliirten Mächte bei jeder Eroberung mit befördert wird. Wenn diese Betrachtungen jeden der gegen Frankreich vereinigten Souveräns dahin vermögen können, daß er seiner persönlichen Sicherheit und dem Wohl seiner Unterthanen es schuldig ist, alle in seiner Gewalt stehenden Mittel zu vereinigen, um den gemeinschaftlichen Feind zu bezwingen, und jede Neben¬ absicht für sich selbst, oder seine Mitverbundenen beseitigend, blos dem für ihn und seine Alliirten gleich wichtigen Endzweck entgegenzugehen, so wird es denen zur Bestimmung der Kriegsoperationen versammelten Generalen leicht sein, für den herannahenden Feldzug zu bestimmen. In dieser Versammlung ist die zuerst zu entscheidende Frage die: Wie kann der gemeinschaftliche Feind am sichersten und nächsten zum Frieden gezwungen werden? In dem geendigten, an Menge erfochtener Siege beispiellosen Feldzug ist der über Frankreich gewonnene geographische Vortheil dermaßen unbedeutend, daß noch viele ebenso glückliche und mit ebenso großen Anstrengungen geführte Campagnen dazu gehören würden, Frankreich Schritt vor Schritt zu erobern, so, daß endlich Geld und Menschen gebrechen müßten, wenn immerwährend mit Belagerungen und Einnahmen der zahlreichen starken Festungen und mit den blutigsten Schlachten ausgehalten werden sollte. Zudem achten die Tyrannen von Frankreich den Verlust einer Stadt, einer Provinz und vieler tausend Menschen für nichts, denn sie sind durch alle bisher erlittenen Nachtheile um kein Haar gedemüthigt, und opfern ohne Bedenken Land und Leute ihrer per¬ sönlichen Herrschsucht und Raubbcgicrde auf. Sie selbst, diese Tyrannen zu ergreifen oder wenigstens ihre Rotte zu zer¬ stören, ihre Macht zu vernichten und eine gesetzmäßige Gewalt aufzustellen, in¬ dem man sich der Hauptstadt bemeistert, welche alles Frankreich und ganz Europa verheerende Uebel enthält, dies ist, wo nicht das unfehlbarste Mittel, doch zu¬ verlässig das nächste, den Frieden zu erwirken und so beantwortet sich die erste Frage dahin, daß der Gang der Operationen auf die Hauptstadt gerichtet sein muß. Die große Frage ist nun zunächst: Was ist erforderlich, mit Wahr¬ scheinlichkeit und Erfolg gegen die Hauptstadt openren zu können? Die wesentlichste Erforderniß hierzu ist eine hinreichende Kriegsmacht, welche der übermäßigen Anzahl des Feindes, den festen unerschütterlichen Gang der Hauptoperationen und der vollkommenen Sicherheit einer weit ausgedehnten Grenze so proportionirt sein muß, daß nicht zu befürchten steht, die hauptoffen¬ siven Operationen durch feindliche Unternehmungen oder Diversionen gestört zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/536>, abgerufen am 27.07.2024.