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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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stellten. Trotzdem empfahlen die Garantiemächte der Pforte, dieselbe gutzuheißen
und Cusa die Investitur als Hospodar beider Fürstentümer zu ertheilen, und
der Sultan erklärte sich dazu bereit, doch sollte es als Ausnahme gelten und
nur dieses eine Mal stattfinden, auch erfolgte die Bestätigung nicht in einem
Fernau, sondern in zwei besonderen.

Inzwischen hatte Johann der Erste, wie wir Cusa jetzt nennen werden, be¬
reits erfahren, was der Thron Rumäniens zu bedeuten habe. Schon als Haupt
von zwei getrennten Staaten mit zwei Hauptstädten, zwei Ministerien, einer in
der Mitte zwischen Moldau und Walachei residirenden Centralcommission, be¬
fand er sich in sehr unbequemer Lage. Dazu kam aber sehr bald noch eine
Anzahl anderer Hindernisse wirksamen Regierens. Die Chefs der conservativen
Partei hatten, als sie sich ins Ausland begeben, eine Menge von Anhängern,
Söhnen, Neffen, Vettern hinterlassen, die von vornherein gegen den neuen
Fürsten Ränke spannen. Man gab ihm Schuld, insgeheim den Sturz des
Bojarenthums vorzubereiten und die Union der Fürstentümer nur aus ganz
persönlichen Gründen anzustreben, während andrerseits die demokratische Linke
ihm vorwarf, sich völlig den Bojaren ergeben zu haben. Die im Mai 1869
zusammengetretene Centralcommission in Fokschani hatte nichts Eiligeres zu
thun, als sich für die Union unter einem fremden Prinzen zu erklären. Der
neue Hospodar sollte regieren, ohne Erfahrung in der Kunst des Regierens, er
sollte nach der pariser Convention die radicalsten Reformen durchführen, ohne
auf Opferwilligkeit aus der einen und auf Geduld auf der andern Seite rechnen
zu können, er sollte Gesetze zu Stande bringen mit Versammlungen, die aus
einem Wahlgesetz hervorgegangen waren, welches allen Fortschritt von vorn¬
herein illusorisch machte. Er war kein großes Talent, er war auch kein groß
angelegter Charakter, er hat sich später nicht einmal reine Häntze bewahrt; aber
die Wahrheit verlangt, zu sagen, daß auch ein Besserer wie er die Schwierig¬
keiten der Lage kaum überwunden hätte und glücklich zwischen den Parteigegen-
sätzen hindurch zu gedeihlichen Zielen gelangt wäre.

Sehr bald nach Zusammentritt der gesetzgebenden Versammlungen erwies
sich, daß dieselben mehr Verlegenheiten bereiteten, als sie Dienste erwiesen.
Am 18. December 1859 wurden sie daher aufgelöst und neue Wahlen angeordnet,
die aber aus den oben angeführten Gründen nicht den gewünschten Erfolg
hatten. Sowohl die bukarester Kammer als die in Jassy zusammengetretene
begann ihre Thätigkeit mit einer Adresse, die ein Tadelsvotum gegen die Negie¬
rung enthielt. Infolge dessen änderte der Fürst hier wie dort sein Ministerium.
Im April 1860 bildete er in der Walachei ein Ministerium Golesko, welches
aus Mitgliedern der Linken zusammengesetzt war, aber schon im Juli modificirt
wurde, indem der zur gemäßigten Partei zählende Jepureano den Vorsitz und
die Finanzen erhielt. In der Moldau trat ebenfalls ein liberales Cabinet, in


stellten. Trotzdem empfahlen die Garantiemächte der Pforte, dieselbe gutzuheißen
und Cusa die Investitur als Hospodar beider Fürstentümer zu ertheilen, und
der Sultan erklärte sich dazu bereit, doch sollte es als Ausnahme gelten und
nur dieses eine Mal stattfinden, auch erfolgte die Bestätigung nicht in einem
Fernau, sondern in zwei besonderen.

Inzwischen hatte Johann der Erste, wie wir Cusa jetzt nennen werden, be¬
reits erfahren, was der Thron Rumäniens zu bedeuten habe. Schon als Haupt
von zwei getrennten Staaten mit zwei Hauptstädten, zwei Ministerien, einer in
der Mitte zwischen Moldau und Walachei residirenden Centralcommission, be¬
fand er sich in sehr unbequemer Lage. Dazu kam aber sehr bald noch eine
Anzahl anderer Hindernisse wirksamen Regierens. Die Chefs der conservativen
Partei hatten, als sie sich ins Ausland begeben, eine Menge von Anhängern,
Söhnen, Neffen, Vettern hinterlassen, die von vornherein gegen den neuen
Fürsten Ränke spannen. Man gab ihm Schuld, insgeheim den Sturz des
Bojarenthums vorzubereiten und die Union der Fürstentümer nur aus ganz
persönlichen Gründen anzustreben, während andrerseits die demokratische Linke
ihm vorwarf, sich völlig den Bojaren ergeben zu haben. Die im Mai 1869
zusammengetretene Centralcommission in Fokschani hatte nichts Eiligeres zu
thun, als sich für die Union unter einem fremden Prinzen zu erklären. Der
neue Hospodar sollte regieren, ohne Erfahrung in der Kunst des Regierens, er
sollte nach der pariser Convention die radicalsten Reformen durchführen, ohne
auf Opferwilligkeit aus der einen und auf Geduld auf der andern Seite rechnen
zu können, er sollte Gesetze zu Stande bringen mit Versammlungen, die aus
einem Wahlgesetz hervorgegangen waren, welches allen Fortschritt von vorn¬
herein illusorisch machte. Er war kein großes Talent, er war auch kein groß
angelegter Charakter, er hat sich später nicht einmal reine Häntze bewahrt; aber
die Wahrheit verlangt, zu sagen, daß auch ein Besserer wie er die Schwierig¬
keiten der Lage kaum überwunden hätte und glücklich zwischen den Parteigegen-
sätzen hindurch zu gedeihlichen Zielen gelangt wäre.

Sehr bald nach Zusammentritt der gesetzgebenden Versammlungen erwies
sich, daß dieselben mehr Verlegenheiten bereiteten, als sie Dienste erwiesen.
Am 18. December 1859 wurden sie daher aufgelöst und neue Wahlen angeordnet,
die aber aus den oben angeführten Gründen nicht den gewünschten Erfolg
hatten. Sowohl die bukarester Kammer als die in Jassy zusammengetretene
begann ihre Thätigkeit mit einer Adresse, die ein Tadelsvotum gegen die Negie¬
rung enthielt. Infolge dessen änderte der Fürst hier wie dort sein Ministerium.
Im April 1860 bildete er in der Walachei ein Ministerium Golesko, welches
aus Mitgliedern der Linken zusammengesetzt war, aber schon im Juli modificirt
wurde, indem der zur gemäßigten Partei zählende Jepureano den Vorsitz und
die Finanzen erhielt. In der Moldau trat ebenfalls ein liberales Cabinet, in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/494>, abgerufen am 28.07.2024.