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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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D'Aglio. der gleichfalls einsah, welchen Gewinn Sardinien aus den ita¬
lienischen Sympathien ziehen müsse, suchte insbesondere auf Mailand zu wirken.
Als in London ein Agent der provisorischen Regierung der Lombardei ankam,
um den Beistand Englands für die Erhaltung ihrer Unabhängigkeit anzurufen,
suchte d'Aglio ihm vorzustellen, daß die Vereinigung der Lombardei mit Pie-
mont für ganz Italien vortheilhaft wäre. (Juli 1814.) Und einige Monate
darauf rieth er in Turin, geheime Verbindungen anzuknüpfen mit den Agenten,
welche von einem ausgewählten Kreis in London lebender Italiener in ihre
Heimath gesandt worden waren, um für die Vereinigung der Lombardei mit
Piemont zu wirken.

Uebrigens stießen diese Bemühungen der sardinischen Diplomatie nicht blos
auf den festen Widerstand der Verbündeten, sondern auf die Abneigung der
Lombardei selbst. Der Wunsch der Lombarden war die Unabhängigkeit und
die Erhaltung des konstitutionellen Königreichs. Graf Coeli-Brusasco versichert
zwar in seiner Denkschrift vom Jahre 1817: bereits richtete die Lombardei ihre
Blicke auf den König von Sardinien und wünschte die eiserne Krone auf seinem
Haupt; eine sehr zahlreiche Partei in Mailand wollte die Vereinigung von ganz
Oberitalien unter seinem Scepter. Aber in Wahrheit scheint diese Partei sehr
wenig zahlreich gewesen zu sein.. Im April wurden vom Senat des Königreichs
Guicciardi und Castiglioni als Abgesandte zu den verbündeten Monarchen in
Paris geschickt und erhielten folgende Instruktion: sie sollten die Erhaltung deS
Königreichs Italien in seinem ganzen Umfang fordern; im Fall es unmöglich
wäre dies zu erlangen und man sich zur Abtretung eines Theils des König¬
reichs verstehen müßte, sollte man eine entsprechende Entschädigung verlangen,
für welche man die Herzogtümer Parma und Piacenza oder auch Ligurien,
einschließlich Genua, bezeichnen könnte. Ferner sollten die Gesandten nicht ver¬
säumen die Verbündeten Monarchen zu überzeugen, daß einer der Hauptzwecke,
welche die lombardische Nation bei dem Verlangen der feierlichen Anerkennung
ihrer Territorialunabhängigkeit im Auge hatte, der war, sich frei eine constitu-
tionelle Regierungsform nach eigenem Wunsch zu geben.

Dieser Beschluß war gefaßt zu einer Zeit, da noch die Erhaltung des
Königreichs unter Eugen Beauharnais möglich schien, für welchen insbesondere
das Heer und die höhere Beamtenwelt war. Aber kaum hatten sich die Ab¬
gesandten auf den Weg gemacht, da brach der Aufstand vom 20. April aus, bei
welchem die radicale antifranzösische Partei die Kastanien für die Oestreicher
aus dem Feuer holte. Die neueingesetzte Regentschaft schickte nun andere Ab-
gesandte nach Paris, um die Wünsche der Lombarden zu vertreten. Unter diesen
Abgeordneten war der Graf Federico Confalonieri, der seinen Instruktionen
gemäß zunächst an Lord Castlereagh sich wandte, ihm in langer Rede vorstellte,
daß die Vereinigung der Lombardei mit Oestreich das größte Unglück wäre, welches


D'Aglio. der gleichfalls einsah, welchen Gewinn Sardinien aus den ita¬
lienischen Sympathien ziehen müsse, suchte insbesondere auf Mailand zu wirken.
Als in London ein Agent der provisorischen Regierung der Lombardei ankam,
um den Beistand Englands für die Erhaltung ihrer Unabhängigkeit anzurufen,
suchte d'Aglio ihm vorzustellen, daß die Vereinigung der Lombardei mit Pie-
mont für ganz Italien vortheilhaft wäre. (Juli 1814.) Und einige Monate
darauf rieth er in Turin, geheime Verbindungen anzuknüpfen mit den Agenten,
welche von einem ausgewählten Kreis in London lebender Italiener in ihre
Heimath gesandt worden waren, um für die Vereinigung der Lombardei mit
Piemont zu wirken.

Uebrigens stießen diese Bemühungen der sardinischen Diplomatie nicht blos
auf den festen Widerstand der Verbündeten, sondern auf die Abneigung der
Lombardei selbst. Der Wunsch der Lombarden war die Unabhängigkeit und
die Erhaltung des konstitutionellen Königreichs. Graf Coeli-Brusasco versichert
zwar in seiner Denkschrift vom Jahre 1817: bereits richtete die Lombardei ihre
Blicke auf den König von Sardinien und wünschte die eiserne Krone auf seinem
Haupt; eine sehr zahlreiche Partei in Mailand wollte die Vereinigung von ganz
Oberitalien unter seinem Scepter. Aber in Wahrheit scheint diese Partei sehr
wenig zahlreich gewesen zu sein.. Im April wurden vom Senat des Königreichs
Guicciardi und Castiglioni als Abgesandte zu den verbündeten Monarchen in
Paris geschickt und erhielten folgende Instruktion: sie sollten die Erhaltung deS
Königreichs Italien in seinem ganzen Umfang fordern; im Fall es unmöglich
wäre dies zu erlangen und man sich zur Abtretung eines Theils des König¬
reichs verstehen müßte, sollte man eine entsprechende Entschädigung verlangen,
für welche man die Herzogtümer Parma und Piacenza oder auch Ligurien,
einschließlich Genua, bezeichnen könnte. Ferner sollten die Gesandten nicht ver¬
säumen die Verbündeten Monarchen zu überzeugen, daß einer der Hauptzwecke,
welche die lombardische Nation bei dem Verlangen der feierlichen Anerkennung
ihrer Territorialunabhängigkeit im Auge hatte, der war, sich frei eine constitu-
tionelle Regierungsform nach eigenem Wunsch zu geben.

Dieser Beschluß war gefaßt zu einer Zeit, da noch die Erhaltung des
Königreichs unter Eugen Beauharnais möglich schien, für welchen insbesondere
das Heer und die höhere Beamtenwelt war. Aber kaum hatten sich die Ab¬
gesandten auf den Weg gemacht, da brach der Aufstand vom 20. April aus, bei
welchem die radicale antifranzösische Partei die Kastanien für die Oestreicher
aus dem Feuer holte. Die neueingesetzte Regentschaft schickte nun andere Ab-
gesandte nach Paris, um die Wünsche der Lombarden zu vertreten. Unter diesen
Abgeordneten war der Graf Federico Confalonieri, der seinen Instruktionen
gemäß zunächst an Lord Castlereagh sich wandte, ihm in langer Rede vorstellte,
daß die Vereinigung der Lombardei mit Oestreich das größte Unglück wäre, welches


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/480>, abgerufen am 28.07.2024.